VwGH Ro 2016/02/0011

VwGHRo 2016/02/00117.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revisionen der Finanzmarktaufsichtsbehörde gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes jeweils vom 29. Juni 2016, 1.) Zl. W172 2108665-1/6E (protokolliert zur hg. Zl. Ro 2016/02/0011), und 2.) Zl. W172 2108667-1/6E (protokolliert zur hg. Zl. Ro 2016/02/0012), betreffend Übertretung des Zahlungsdienstegesetzes (mitbeteiligte Parteien: 1.) T K (zur hg. Zl. Ro 2016/02/0011) und 2.) R K (zur hg. Zl. Ro 2016/02/0012), beide in Wien, beide vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), zu Recht erkannt:

Normen

Auswertung in Arbeit!
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Spruch:

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die beiden Mitbeteiligten sind Geschäftsführer der T GmbH, wobei der Erstmitbeteiligte "Chief Commercial Officer" und der Zweitmitbeteiligte "Chief Technical Officer" ist.

2 Die Revisionsfälle gleichen in tatsächlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenen, die vom Verwaltungsgerichtshof mit dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2016/02/0009 und 0010, entschieden wurden, sodass auf die dortigen Ausführungen zum Verfahrensgang verwiesen werden kann.

3 Anders als in den Revisionsfällen zu Ro 2016/02/0009 und 0010 gab das Bundesverwaltungsgericht - bei im Wesentlichen gleichlautenden Sachverhaltsfeststellungen - in den hier gegenständlichen Fällen den Beschwerden der Mitbeteiligten Folge, behob die Straferkenntnisse ersatzlos und stellte die Verfahren gemäß § 38 VwGVG i.V.m. § 45 Abs. 1 Z 2 zweiter Tatbestand VStG ein.

Zudem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei und führte dazu in der Begründung aus, dass es zur Anwendung der Regelungen des § 68a Abs. 1 Z 10 ZaDiG bzw. Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009, ABl. L 94 vom 30. März 2012, Seite 22 (im Folgenden: SEPA-VO), auf die gegenständliche Fallkonstellation (soweit feststellbar) an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

4 In rechtlicher Hinsicht bejahte das Bundesverwaltungsgericht - im Wesentlichen mit derselben Begründung wie in den dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2016/02/0009 und 0010, zugrundeliegenden Fällen - die Erfüllung des Tatbildes des § 68a Abs. 1 Z 10 Zahlungsdienstegesetz (ZaDiG) im Zeitraum von 13. August 2014 bis 31. Dezember 2014. Es sei allerdings spruchgemäß zu entscheiden gewesen, weil den Mitbeteiligten mit ihrem Vorbringen zu folgen gewesen sei, wonach die Zuständigkeiten der Geschäftsführung der T GmbH aufgrund des vom Aufsichtsrat am 19. September 2013 beschlossenen satzungsgemäßen "Geschäftsverteilungsplans" pflichtbeschränkend für die jeweils unzuständigen Mitglieder der Geschäftsführung im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG seien. Den Mitbeteiligten könne die Erfüllung des vorgeworfenen Straftatbestands des § 68 Abs. 1 Z 10 ZaDiG nicht zugerechnet werden. Die beiden Mitbeteiligten seien aufgrund dieses "Geschäftsverteilungsplans" nicht im Rahmen der Geschäftsführung für die Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften durch sie selbst und der ihnen unterstehenden organisatorischen Einheiten der T GmbH verantwortlich gewesen. Es sei bei beiden Mitbeteiligten nicht von der subjektiven Vorwerfbarkeit des Verhaltens auszugehen gewesen.

5 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die ordentlichen Revisionen der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA), die vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung des Vorverfahrens gemeinsam mit den Verfahrensakten vorgelegt wurden. Die FMA beantragt jeweils, der Verwaltungsgerichtshof möge die angefochtenen Erkenntnisse wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben.

6 Die Mitbeteiligten erstatteten Revisionsbeantwortungen jeweils mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision kostenpflichtig als unzulässig zurückweisen, in eventu als unbegründet abweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammengans zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Revisionen erwogen:

7 Ergänzend zur Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Bundesverwaltungsgericht führen die Revisionen - im Wesentlichen gleichlautend - aus, das Bundesverwaltungsgericht weiche mit den angefochtenen Erkenntnissen von der (in den Revisionen näher dargelegten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab: Es entspreche nicht der Rechtsprechung, dass die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 9 Abs. 1 VStG eines im Tatzeitraum außenvertretungsbefugten, nach dem Beweisverfahren für die betreffende Gesetzesverletzung nicht ressortzuständigen Vorstandsmitglieds von vornherein ohne Prüfung des Verschuldens ausgeschlossen wäre, obwohl die für die Gesetzesverletzung relevante Ressortzuständigkeit erst im Zuge des Strafverfahrens möglichen Interpretationen habe unterzogen werden müssen. Da auch kein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellt worden sei, hätte eine Prüfung der Schuld aller, auch der (potentiell) nicht ressortzuständigen Vorstandsmitglieder nach den Maßstäben des § 5 VStG stattfinden müssen. Eine solche Prüfung sei vom Bundesverwaltungsgericht aber nicht vorgenommen worden.

Die Revisionen erweisen sich damit als zulässig und im Ergebnis auch begründet:

8 Die Mitbeteiligten bestreiten in ihren - im Wesentlichen gleichlautenden - Revisionsbeantwortungen mit näherer Begründung das Vorliegen eines nach § 68a Abs. 1 Z 10 ZaDiG tatbildmäßigen Verhaltens.

9 Dazu genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das - vor dem Hintergrund einer gleichen tatsächlichen Ausgangslage erlassene - bereits genannte hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2016/02/0009 und 0010, zu verweisen.

10 Auch soweit sich die FMA gegen die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes wendet, die Mitbeteiligten seien aufgrund des "Geschäftsverteilungsplans" der T GmbH nicht verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2016/02/0009 und 0010, insbesondere die RNr. 39 bis 42, verwiesen.

11 Dies hat zur Folge, dass im gegenständlichen Fall kein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 erster Satz VStG aus dem Kreis der Mitglieder der Geschäftsführung für einzelne Unternehmensbereiche bestellt wurde, sodass sämtliche Mitglieder der Geschäftsführung der T GmbH - und damit auch die Mitbeteiligten - gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich waren.

12 Den Revisionen war daher Folge zu geben. Die angefochtenen Erkenntnisse waren wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 7. April 2017

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