VwGH Ro 2015/17/0007

VwGHRo 2015/17/000729.5.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger als Richter bzw Richterinnen, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Fries, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich 1) LVwG-KO-14-0063 (hg protokolliert zu Ro 2015/17/0007) und 2) LVwG-KO-14-0065 (hg protokolliert zu Ro 2015/17/0009), jeweils vom 25. November 2014, sowie 3) LVwG-KO-14-0064 (hg protokolliert zu Ro 2015/17/0008) vom 1. Dezember 2014, betreffend Beschlagnahmen nach dem Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Partei zu 1 und 2: H sro in B, zu 3: B KG in H, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs3 idF 2014/I/013;
GSpG 1989 §53 Abs1 Z1 lita;
GSpG 1989 §52 Abs3 idF 2014/I/013;
GSpG 1989 §53 Abs1 Z1 lita;

 

Spruch:

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg jeweils vom 28. Juli 2014 wurde gegenüber den mitbeteiligten Parteien als Veranstalterin (zu 1), Eigentümerin (zu 2) bzw Inhaberin (zu 3) wegen des anlässlich einer Kontrolle am 3. Juli 2014 gewonnenen Verdachts der Durchführung von Glücksspielen in Form von verbotenen Ausspielungen die Beschlagnahme eines näher bezeichneten Glücksspielgeräts gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lit a Glücksspielgesetz (GSpG) angeordnet.

Gegen diese Bescheide erhoben die mitbeteiligten Parteien jeweils Beschwerde.

Nach Durchführung einer gemeinsamen mündlichen Verhandlung sprach das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit den nunmehr angefochtenen Erkenntnissen aus, den Beschwerden werde gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben und der jeweils angefochtene Bescheid sowie die vorgenommene vorläufige Beschlagnahme aufgehoben. Weiters wurde ausgesprochen, dass gegen diese Erkenntnisse eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei, da die Frage, ob gemäß der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes in Geltung stehenden Fassung des § 52 GSpG (idF BGBl I Nr 13/2014) im Hinblick auf die Möglichkeit von Serienspielen bei jeder einzelnen Ausspielung von ausschließlich gerichtlicher Zuständigkeit auszugehen sei, seitens der Höchstgerichte bislang nicht entschieden worden sei.

In der Begründung seiner Erkenntnisse ging das Landesverwaltungsgericht im Wesentlichen davon aus, dass aufgrund der Möglichkeit eines Serienspiels bei jeder einzelnen Ausspielung zumindest der Versuch einer gerichtlich strafbaren Handlung gemäß § 168 StGB gesetzt worden sei, sodass von ausschließlicher Gerichtszuständigkeit auszugehen sei und insoweit auch keine verwaltungsbehördliche Zuständigkeit zur Anordnung der im § 53 GSpG angeführten Sicherungsmaßnahmen bestehe.

Gegen diese Erkenntnisse richtet sich die vorliegende Revision des Bundesministers für Finanzen mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die angefochtenen Erkenntnisse wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufheben. Die mitbeteiligten Parteien und die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg erstatteten Revisionsbeantwortungen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist zulässig, weil die angefochtenen Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts dem hg Erkenntnis vom 24. April 2015, Ra 2015/17/0005, widersprechen.

Zum Inhalt des § 52 Abs 3 GSpG idF BGBl I Nr 13/2014 wird auf das hg Erkenntnis vom 24. April 2015, Ra 2015/17/0005, verwiesen. Darin wurde festgehalten, dass nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 52 Abs 3 GSpG idF BGBl I Nr 13/2014 sowie den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage kein Platz für Zweifel bleibt, dass mit dieser Novelle des Glücksspielgesetzes die nahezu vollständige Ausschließung der strafgerichtlichen Zuständigkeit intendiert war. Wenn - wie in der entschiedenen Rechtssache - der Verdacht bestand, dass mit den beschlagnahmten Gegenständen gegen die Bestimmung des § 52 Abs 1 GSpG verstoßen worden sei, bestand gemäß § 52 Abs 3 GSpG idF BGBl I Nr 13/2014 iVm § 53 Abs 1 Z 1 lit a GSpG die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde zur Beschlagnahme der Gegenstände.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 10. März 2015, G 203/2014-16 ua, ebenfalls mit der aktuellen Fassung des § 52 Abs 3 GSpG auseinander gesetzt und dazu ausgeführt:

"...

Erfüllt jemand durch eine Handlung den Verwaltungsstraftatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG, ist auf Grund des § 52 Abs. 3 GSpG nur die Verwaltungsstrafbehörde zur Verfolgung des Beschuldigten (und in der Folge das Verwaltungsgericht) zuständig. Eine Zuständigkeit der gerichtlichen Strafverfolgungsbehörde wegen des Delikts gemäß § 168 StGB ist nur dann gegeben, wenn eine Strafverfolgung wegen der Übertretung des § 52 Abs. 1 (Z 1) GSpG idF BGBl. I 13/2014 ausscheidet.

Die vom Landesverwaltungsgericht Burgenland aufgeworfene Frage, ob in Hinblick auf § 52 Abs. 3 iVm § 52 Abs. 2 GSpG idF BGBl. I 13/2014 überhaupt noch ein Anwendungsbereich für den Straftatbestand des § 168 StGB bleibt, ist letztlich von den Strafgerichten zu entscheiden ..."

Zwar hat das Landesverwaltungsgericht - anders als in dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 2015 - in den vorliegenden Erkenntnissen die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 52 Abs 3 GSpG in der Fassung BGBl I Nr 13/2014 erkannt, es hat dieser Gesetzesstelle aber einen nach dem Gesetzeswortlaut und nach den Gesetzesmaterialien nicht intendierten Inhalt unterstellt. In den Materialien zu BGBl I Nr 13/2014 (vgl ErläutRV, 24 BlgNr 15. GP 16) betreffend § 52 GSpG heißt es spezifisch zu Serienspielen:

"Künftig sollen zahlreiche Ermittlungs- und Feststellungserfordernisse betreffend die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden wie z.B. hinsichtlich möglicher oder tatsächlich geleisteter Einsätze, hinsichtlich der maximal möglichen Einsatzhöhen und hinsichtlich der allfällig gebotenen Zusammenrechnung geringer einzelner Einsatzhöhen (sog. Serienspiele mit allf. Automatikstarttaste) sowie hinsichtlich des Spielens zum Zeitvertreib oder zu bloßen gemeinnützigen Zwecken nicht mehr erforderlich sein, wodurch eine Entlastung und Beschleunigung der Verfahren der Verwaltungsbehörden erreicht wird."

Serienspiele erfahren weder nach dem Gesetzeswortlaut noch nach den Materialien eine Sonderbehandlung; die Behörde bzw das Verwaltungsgericht hat daher auch diesbezüglich nicht zu prüfen, ob eine gerichtliche Zuständigkeit zu bejahen wäre, sondern alleine, ob eine verwaltungsbehördliche Zuständigkeit (hier: für die Beschlagnahme) nach dem Glücksspielgesetz - die nicht mit der Begründung, es liege eine gerichtliche Strafbarkeit vor, von vornherein verneint werden kann - gegeben ist. Ist dies der Fall, so geht die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit im Sinne der Subsidiaritätsregel des § 52 Abs 3 GSpG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 13/2014 jedenfalls einer allfälligen gerichtlichen Zuständigkeit vor.

Zu den verfassungsrechtlichen Überlegungen in den Revisionsbeantwortungen der mitbeteiligten Parteien ist auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 10. März 2015, G 203/2014-16 ua, zu verweisen, wonach § 52 Abs 3 GSpG idF BGBl I Nr 13/2014 nicht verfassungswidrig ist.

Dadurch, dass das Landesverwaltungsgericht aufgrund einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit für die Beschlagnahme nach § 53 GSpG von vornherein verneinte, belastete es seine Erkenntnisse mit Rechtswidrigkeit des Inhalts, weshalb diese gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben waren.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen.

Wien, am 29. Mai 2015

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