VwGH Ro 2014/16/0066

VwGHRo 2014/16/006616.10.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, in der Revisionssache des E S in S, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 22. April 2014, Zl. RV/4200054/2013, betreffend Haftung nach §§ 9 und 80 BAO, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §20;
BAO §80 Abs1;
BAO §81 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §20;
BAO §80 Abs1;
BAO §81 Abs1;
BAO §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Revisionswerber war ab 5. Juli 2007 Geschäftsführer der D GmbH, welche Komplementärin der D GmbH & Co KG war, die ihrerseits eine Deponie für Restabfälle betrieben hatte.

Das Landesgericht Innsbruck eröffnete mit Beschluss vom 23. August 2007 über das Vermögen der D GmbH & Co KG das Insolvenzverfahren.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesfinanzgericht den Bescheid das Zollamtes Innsbruck vom 4. Dezember 2012, mit welchem das Zollamt den Revisionswerber zur Haftung für Abgabenschulden der D GmbH & Co KG (Altlastenbeitrag für das zweite Quartal 2007) in Höhe von rund 1,162.000 EUR herangezogen hatte. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges fasste das Bundesfinanzgericht zusammen, der Revisionswerber sei im Zeitraum vom 5. Juli bis zur Konkurseröffnung am 23. August 2007 als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der D GmbH zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der D GmbH & Co KG verpflichtet gewesen. Die Uneinbringlichkeit des haftungsgegenständlichen Altlastenbeitrages bei der D GmbH & Co KG sei auf Grund der Aufhebung des Konkurses mangels Vermögens, wodurch auf die Konkursgläubiger keine Quote entfiele, durch Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. Oktober 2009 unbestritten. Der Revisionswerber habe das Unterlassen der Entrichtung der am 16. August 2007 fälligen Abgaben in seiner Berufung damit begründet, dass zu diesem Zeitpunkt die bevorstehende Konkurseröffnung bereits mehr als absehbar gewesen sei und er, um keine Gläubiger zu begünstigen, keine Altschulden mehr bedient habe. Er habe nur mehr jene Zahlungen geleistet, die entweder auf Grund eines unmittelbaren Leistungsaustausches zulässig oder zur Vermeidung eines erheblichen Umweltschadens notwendig gewesen seien. Unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 9. November 2011, 2011/16/0075, vertrat das Bundesfinanzgericht die Ansicht, ein Gemeinschuldner habe auch nach Stellen des Konkursantrages nicht jegliche Zahlungen einzustellen, sondern unter Beachtung der Gläubigergleichbehandlung den Betrieb bis zur Konkurseröffnung fortzuführen. Dies gelte im vorliegenden Revisionsfall umso mehr, als der Konkursantrag am Tag der Fälligkeit der in Rede stehenden Abgaben (16. August 2007) noch gar nicht gestellt gewesen sei. Näher angeführte Gläubiger habe der Beschwerdeführer in voller Höhe des jeweils fälligen Betrages bedient, während er die Abgabenschuld zur Gänze ungetilgt gelassen habe. Die vorhandenen Mittel hätten laut Kontoauszug vom 16. August 2007 in Höhe von rund 1.500.000 EUR zur Tilgung der Abgabenschuld in der ursprünglichen Höhe von rund 1.449.000 EUR ausgereicht. Die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Revisionswerber sei im vorliegenden Fall augenscheinlich.

Das Bundesfinanzgericht berücksichtige bei der Ausübung des Ermessens, dass der Altlastenbeitrag bei der D GmbH & Co KG "gewissermaßen ein Durchlaufposten" gewesen sei, weil die einzelnen Beiträge von den liefernden Abfallunternehmen mit dem vom Land Tirol festgesetzten Tarif entrichtet worden seien. Weiters seien die finanziellen Mittel zur Entrichtung der Abgabenschuld am 16. August 2007 vorhanden gewesen und habe der Revisionswerber die Entrichtung des in Rede stehenden Altlastenbeitrages seinen Angaben nach bewusst nicht vorgenommen (weitgehende Zahlungseinstellung ab 30. Juli 2007). Eine Unbilligkeit angesichts lange verstrichener Zeit sei zu verneinen, weil der Revisionswerber, wie aus den Beilagen zur Berufung vom 29. Dezember 2012 ersichtlich sei, offenbar noch immer über entsprechende Unterlagen der D GmbH & Co KG verfüge.

Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesfinanzgericht damit, dass "sich der Judikatur nicht mit Sicherheit entnehmen lässt, wie lange ein Zeitraum sein darf, um die Heranziehung zur Haftung noch als billig erscheinen zu lassen (Althuber, RdW 2013/621, 642)."

Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in welcher sich der Revisionswerber zusammengefasst im Recht verletzt erachtet, nicht für den in Rede stehenden Altlastenbeitrag zur Haftung in Anspruch genommen zu werden.

Das Zollamt Innsbruck unterließ es, eine Revisionsbeantwortung einzureichen, das Bundesfinanzgericht legte die Revision dem Verwaltungsgerichtshof vor.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach § 81 Abs. 1 BAO sind die abgabenrechtlichen Pflichten einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit von den zur Führung der Geschäfte bestellten Personen und, wenn solche nicht vorhanden sind, von den Gesellschaftern (Mitgliedern) zu erfüllen.

Die abgabenrechtlichen Pflichten der D GmbH & Co KG waren daher von der Komplementärin, der D GmbH, zu erfüllen. Bei einer GmbH & Co KG, bei welcher die KG durch die Komplementär-GmbH, somit im Ergebnis durch deren Geschäftsführer, vertreten wird, haben diese Geschäftsführer nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, welche die KG betreffen, und haften bei schuldhafter Verletzung (auch) für die Abgaben der KG (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. April 2008, 2006/13/0053, und vom 24. März 2009, 2006/13/0156).

Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 2010, 2009/16/0104, und die bei Ritz, BAO5, Tz 5 zu § 7 und Tz 4 zu § 20 angeführte hg. Rechtsprechung).

Dabei ist im Rahmen des Ermessens etwa die Unbilligkeit angesichts lange verstrichener Zeit zu berücksichtigen (vgl. die bei Ritz, aaO, Tz 7 zu § 7 angeführte hg. Rechtsprechung).

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 25a Abs. 1 VwGG im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, und den Ausspruch kurz zu begründen.

Der Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 34 Abs. 1a VwGG bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 leg. cit. nicht gebunden.

Das Bundesfinanzgericht begründet die Zulässigkeit der Revision gegen sein Erkenntnis damit, dass "der Judikatur nicht mit Sicherheit zu entnehmen" sei, wie lange "ein Zeitraum sein darf, um die Heranziehung zur Haftung noch als billig erscheinen zu lassen". Das Bundesfinanzgericht verweist dabei auf Althuber, Geschäftsführerhaftung und Ermessensübung, in RdW 2013/10, 642 ff. In der erwähnten Stelle des Schrifttums wird ausgeführt, nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes könne es im Einzelfall unbillig sein, wenn die Abgabenbehörde zwischen dem Feststehen des Abgabenausfalles beim originären Abgabenschuldner und der Erlassung des Haftungsbescheides gegenüber dem Vertreter einen langen Zeitraum verstreichen lasse. Wie lange ein entsprechender Zeitraum sein dürfe, um die Heranziehung zur Haftung noch als billig erscheinen zu lassen, lasse sich der Judikatur nicht mit Sicherheit entnehmen.

Der Revisionswerber führt in der Revision zu ihrer Zulässigkeit zudem an, darüber hinaus sei auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes zur Frage, wie lange eine Heranziehung zur Haftung statthaft sein könne, uneinheitlich.

Die zeitliche Begrenzung, einen Vertreter zur Haftung nach § 9 BAO heranzuziehen, ist einerseits klar dem Gesetz zu entnehmen, nämlich einerseits innerhalb der Verjährungsfrist des § 238 BAO, andererseits gemäß § 224 Abs. 3 leg. cit. bei erstmaliger Geltendmachung des Abgabenanspruchs anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides innerhalb der Fristen der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe.

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist zweifellos ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. September 2008, 2006/13/0159, VwSlg 8.363/F). Ein solcher Umstand kann jedoch auch lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sind. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab. Eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensmissbrauch läge dann vor, wenn ein solcher Umstand bei der Ermessensentscheidung überhaupt nicht berücksichtigt würde.

Im vorliegenden Revisionsfall hat das Bundesfinanzgericht den Umstand einer lange verstrichenen Zeit in seiner Entscheidung berücksichtigt, allerdings eine Unbilligkeit verneint, weil der Revisionswerber noch immer über "entsprechende Unterlagen" der D GmbH & Co KG verfüge und bei der Ermessensabwägung das öffentliche Interesse an der Abgabenentrichtung sowie der Umstand, dass der in Rede stehende Altlastenbeitrag gewissermaßen ein Durchlaufposten gewesen sei, weil die einzelnen Beträge von den liefernden Abfallunternehmen mit dem vom Land Tirol festgesetzten Tarif entrichtet worden seien, und dass die finanziellen Mittel zur Entrichtung der Abgabenschuld am 16. August 2007 (Fälligkeitstag) vorhanden gewesen wären, überwögen. Damit wirft diese über den Einzelfall nicht hinausgehende Entscheidung keine grundsätzliche Rechtsfrage auf, von deren Lösung die vorliegende Revision abhängt.

Der Revisionswerber trägt zur Zulässigkeit der Revision auch vor, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der Vertreter nicht verpflichtet sei, den Abgabengläubiger besser als die übrigen Gläubiger zu behandeln. Dabei übersieht der Revisionswerber, dass das Bundesfinanzgericht ihn nicht zu einem solchen Verhalten verpflichtet gesehen, sondern ihm vorgeworfen hat, bei Verfügbarkeit der finanziellen Mittel zur Abgabenentrichtung andere Gläubiger bevorzugt zu haben.

Soweit der Revisionswerber für die Zulässigkeit seiner Revision einen Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes daran sieht, dass Beweisanbote nicht einfach übergangen werden dürfen und die Behörde den Vertreter erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise abfordern müsse, bevor sie einen Haftungsbescheid erlasse, unterlässt er es, darzulegen, welche konkreten Beweisanbote das Bundesfinanzgericht übergangen hätte.

Der Revisionswerber vermisst schließlich zur Zulässigkeit seiner Revision eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, inwieweit eine Benachteiligung der Abgabenbehörden überhaupt denkmöglich sei, wenn die liquiden Mittel statt zur Bedienung der Abgabenschuld dem Masseverwalter übergeben werden. Die Möglichkeit einer solchen Benachteiligung in solchen Fällen ergibt sich indes aus der hg. Rechtsprechung zur sogenannten Mitteltheorie (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 2011, 2011/16/0116).

Da die vorliegende Revision somit nicht von der Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt und somit unzulässig ist, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 16. Oktober 2014

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