Normen
AufwandersatzV VwGH 2014 §1;
BAO §280;
EStG 1988 §93 Abs2 Z1;
KStG 1988 §8 Abs2;
VwGG §24 Abs3;
VwGG §49;
VwGG §61;
AufwandersatzV VwGH 2014 §1;
BAO §280;
EStG 1988 §93 Abs2 Z1;
KStG 1988 §8 Abs2;
VwGG §24 Abs3;
VwGG §49;
VwGG §61;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 21. Oktober 2010 setzte die Abgabenbehörde erster Instanz gegenüber der Revisionswerberin Kapitalertragsteuer 2006 in Höhe von 48.595,98 EUR fest. Begründend wies sie auf verdeckte Ausschüttungen hin und führte insbesondere aus, dass im Hinblick auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A GmbH eine Einbringung bei der A GmbH aussichtslos erscheine und deshalb die Kapitalertragsteuer der Gesellschafterin als Empfängerin der Kapitalerträge gemäß § 95 Abs. 5 EStG 1988 direkt vorgeschrieben würde.
2 Mit gleichlautender Begründung wurde der Revisionswerberin für das Jahr 2007 Kapitalertragsteuer iHv 3.997,50 EUR und für 2008 iHv 25.095 EUR vorgeschrieben.
3 Gegen die Bescheide erhob die Revisionswerberin Berufung und beantragte deren ersatzlose Aufhebung. Begründend führte sie aus, die A GmbH sei im Jahr 1999 als B GmbH gegründet und im Firmenbuch eingetragen worden. Alleiniger Gesellschafter sei der Ehemann der Revisionswerberin gewesen. Im Jahr 2002 seien die Anteile an die Revisionswerberin als Alleingesellschafterin abgetreten und der Unternehmensgegenstand u.a. auf den Fahrzeughandel ausgedehnt worden. Einziger Geschäftsführer mit selbständiger Vertretungsbefugnis sei der Ehemann der Revisionswerberin gewesen. Die Revisionswerberin habe im Unternehmen nie eine Tätigkeit ausgeübt, sei nie dort angestellt oder in anderer Weise für das Unternehmen tätig gewesen. Im Zuge einer Außenprüfung bei der A GmbH über die Zeiträume 2006 bis 2008 seien Umsätze festgestellt bzw. zugeschätzt worden, deren Verbuchung bzw. Zahlungseingang in der Gesellschaft nicht festgestellt worden sei. Diese fehlenden Umsatzerlöse seien in der Folge als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt und der Revisionswerberin als Alleingesellschafterin zugerechnet worden. Nähere Ermittlungen über den Zufluss der Kapitalerträge bei der Revisionswerberin seien nicht angestellt worden.
4 Die Bestimmung des § 95 Abs. 5 EStG 1988 setze voraus, dass die Erträge aus der verdeckten Gewinnausschüttung tatsächlich der Revisionswerberin als Alleingesellschafterin der Firma A GmbH zugeflossen seien und diese als tatsächliche Empfängerin der Kapitalerträge feststehe. Für die Annahme einer verdeckten Ausschüttung an die Alleingesellschafterin sei eine im Sachverhalt gedeckte Feststellung, wer tatsächlich Empfänger der Zuwendung sei, erforderlich. Subjektive Voraussetzung für eine verdeckte Gewinnausschüttung sei eine auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der Körperschaft und die Tatsache, dass dem Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person ein Vorteil aus der Gesellschafterstellung zukomme. Ein solcher Vorteil könne nicht unterstellt werden, wenn der Geschäftsführer von Vornherein für die eigene Tasche arbeite. In vorliegenden Fall habe die Revisionswerberin Gesellschafterstellung der A GmbH, in dieser Funktion habe sie aber keine Ausschüttungen erhalten. Es seien ihr die aus den von der Behörde ermittelten Schwarzumsätzen fehlenden Einnahmen der Gesellschaft nicht zugeflossen. Sie hätte zu keinem Zeitpunkt eine Möglichkeit gehabt, in die geschäftliche Abwicklung und in die finanzielle Gebarung der Gesellschaft einzugreifen oder sich aus der Gesellschafterstellung heraus Vorteile zu verschaffen. Ermittlungen über den tatsächlichen Zufluss fehlten.
5 Im August 2013 legte die Abgabenbehörde erster Instanz ein Urteil des Landesgerichtes vor, wonach der Ehemann der Revisionswerberin wegen Veruntreuung, gewerbsmäßig schweren Betrugs und Urkundenunterdrückung verurteilt worden sei.
6 Mit Schriftsatz der Abgabenbehörde erster Instanz vom 23. September 2013 wurde ergänzend bekannt gegeben, dass die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer zu Recht erfolgt sei. Verdeckte Ausschüttungen seien idR als den Gesellschaftern zugeflossen zu werten, wobei die Aufteilung üblicherweise nach Maßgabe der Beteiligungsverhältnisse erfolge. Die Beweislast über einen behaupteten Nichtzufluss des entsprechenden Anteils des Mehrgewinnes oder einen vom Anteilsverhältnis abweichenden Zufluss treffe den Gesellschafter. Eine verdeckte Ausschüttung werde auch dann dem Anteilsinhaber zugerechnet, wenn Vorteilsempfänger eine ihm nahestehende Person sei. Seitens der Gesellschaft sei auf die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruches zu Gunsten eines Nahestehenden verzichtet worden. Im Rahmen der Außenprüfung seien über die vom Landesgericht abgeurteilten Straftaten hinausgehende verdeckte Ausschüttungen festgestellt worden.
7 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie aus, die Revisionswerberin sei im streitgegenständlichen Zeitraum 100%ige Gesellschafterin der A GmbH gewesen, ihr Ehemann sei Geschäftsführer gewesen. Im Rahmen der Betriebsprüfung bei der A GmbH seien Mehrgewinne festgestellt worden, die im Betriebsvermögen der Gesellschaft keinen Niederschlag gefunden haben. Über das Vermögen der A GmbH sei mit Beschluss des Landesgerichtes am 14. Februar 2011 das Konkursverfahren eröffnet worden. Mangels Kostendeckung sei der Konkurs mit Beschluss vom 9. März 2012 aufgehoben worden.
8 Vorteilszuwendungen aus Anteilen an Kapitalgesellschaften unterlägen nach § 93 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 der Kapitalertragsteuer. Die Kapitalertragsteuer sei eine Erhebungsform der Einkommenbzw. Körperschaftsteuer. Sie sei - soweit keine Endbesteuerung vorliege - im Zuge der Veranlagung der Kapitalerträge auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer des Empfängers der betreffenden Kapitalerträge anrechenbar. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung verstehe man alle nicht ohne weiteres als Ausschüttung erkennbaren Zuwendungen (Vorteile) einer Körperschaft an die unmittelbar oder mittelbar beteiligten Personen, die zu einer Gewinnminderung bei der Körperschaft führten und die dritten, der Körperschaft fremd gegenüberstehenden Personen nicht gewährt würden. Entscheidendes Merkmal einer verdeckten Ausschüttung sei die Zuwendung von Vermögensvorteilen, die in ihrer äußeren Erscheinungsform nach nicht unmittelbar als Einkommensverteilung erkennbar seien und ihre Ursache in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen hätten. Diese Ursache sei an Hand eines Fremdvergleiches zu ermitteln. Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern würden an jenen Kriterien gemessen, die für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt worden seien. Dass eine verdeckte Ausschüttung nicht notwendig an den Gesellschafter der ausschüttenden Gesellschaft gehen müsse, habe der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen und dabei zum Ausdruck gebracht, dass eine verdeckte Ausschüttung auch dann dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft zuzurechnen sei, wenn die von der Gesellschaft gewährten Vorteile nicht diesem, sondern einer ihm nahestehenden Person zuflössen.
9 Im Bericht über die Außenprüfung sei in den Textziffern 5, 6, 7, 9, 10, 16, 19, 22, 23, 24, 25 und 29 im Detail dargelegt, welche einzelnen Vorgänge zu einer Gewinnminderung bei der A GmbH geführt hätten. Aus diesen Feststellungen und aus dem Urteil des Landesgerichtes, in dem der Ehemann der Revisionswerberin ua wegen des Verbrechts der Veruntreuung iSd § 133 StGB verurteilt worden sei, gehe hervor, dass die Gelder ihm zugeflossen seien. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann dem Gesellschafter, im vorliegenden Fall also der Revisionswerberin, zuzurechnen sei, wenn die von der Gesellschaft gewährten Vorteile einer nahestehenden Person, hier dem Ehemann, zuflössen.
10 Subjektive Voraussetzung für eine verdeckte Ausschüttung sei eine auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der Körperschaft, wobei sich die Absicht der Vorteilsgewährung schlüssig aus den Umständen des Falles ergeben könne, was etwa auch dann zu unterstellen sei, wenn die Gesellschaft nach Kenntnis des vom Gesellschafter in Anspruch genommenen Vorteils nichts unternehme, um ihn rückgängig zu machen. Seitens der Revisionswerberin sei nicht aufgezeigt worden, dass sie in irgendeiner Weise versucht hätte, die von ihrem Ehemann einbehaltenen Erlöse von diesem zurück zu fordern.
11 Es bedürfe somit zur Verwirklichung einer verdeckten Ausschüttung rechtlich eines der Gesellschaft zuzurechnenden Verhaltens des geschäftsführenden Organs, welches, bestehe es auch in einem bloßen Dulden oder Unterlassen, den Schluss erlaube, dass die durch ihre Organe vertretene Gesellschaft die Entnahme von Gesellschaftsvermögen durch den Gesellschafter akzeptiert hätte. Die Revisionswerberin habe ihren eigenen Ausführungen nach in die geschäftliche Abwicklung und in die finanzielle Gebarung der Gesellschaft nie eingegriffen. Dieses Verhalten bedeute, dass sie das Geschäftsverhalten des Geschäftsführers geduldet bzw. akzeptiert habe.
12 Aus den dargelegten Gründen sei die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, dass der Revisionswerberin die festgestellten Schwarzumsätze über eine ihr nahestehende Person zugeflossen seien.
13 Die Kapitalertragsteuer sei dem Empfänger der Kapitalerträge direkt vorzuschreiben, wenn der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt habe. Ein typischer Anwendungsfall dafür sei die verdeckte Ausschüttung. In Hinblick auf den Umstand, dass über das Vermögen der A GmbH das Konkursverfahren eröffnet und mangels Kostendeckung aufgehoben worden sei, erscheine die Einbringlichkeit bei dieser aussichtslos. Bei Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der Einbringung der Abgaben sei die Vorschreibung der gegenständlichen Kapitalertragsteuer gegenüber der Revisionswerberin gerechtfertigt. Billigkeitsgründe, warum die Revisionswerberin nicht herangezogen werden sollte, seien nicht dargelegt worden.
14 Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Revision.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
16 Für die Beurteilung eines Sachverhaltes als verdeckte Ausschüttung ist u.a. Voraussetzung, dass einem Anteilsinhaber ein Vermögensvorteil aus gesellschaftsrechtlicher Veranlassung zugewendet wird (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juli 1998, 96/13/0039).
17 Die Revisionswerberin macht geltend, dass sie der belangten Behörde nachweislich am 11. November 2013 mitgeteilt habe, dass sie die GmbH-Anteile nur treuhändig gehalten habe. Im Jahr 2002 seien zwar die GmbH-Anteile zur Gänze an die Revisionswerberin abgetreten worden. Allerdings sei das Halten der GmbH-Anteile mit der Auflage vorgenommen worden, dass sie jederzeit zur Herausgabe bereit sein müsse. Der Notar habe am 6. Februar 2002 einen Abtretungsvertrag in Form eines Notariatakts errichtet. Am selben Tage habe derselbe Notar einen weiteren Notariatsakt betreffend ein Anbot auf Rückabtretung der GmbH-Anteile Zug um Zug errichtet. Der Notar habe gemeinsam mit dem die Anteile abtretenden Ehemann der Revisionswerberin zur Kenntnis gebracht, dass sie über die Gesellschaftsanteile "nur auf dem Papier" verfüge. Diese konkludent entstandene Treuhandschaft sei der Abgabenbehörde nachweislich am 11. November 2013 bekanntgegeben worden. Der angefochtene, mit 4. Oktober 2013 datierte Bescheid sei ihr demgegenüber am 14. November 2013 rechtswirksam zugestellt worden, weshalb der wesentliche Sachverhaltsbestandteil des treuhändigen Haltens der GmbH-Anteile nicht mehr in die Berufungsentscheidung einfließen habe können.
18 Diese Art der Bekanntgabe der Treuhandschaft wird auch von dem gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG mit 1. Jänner 2014 an die Stelle der belangten Behörde getretenen Bundesfinanzgericht in seiner Gegenschrift nicht bestritten.
19 Die Revision ist berechtigt.
20 Gemäß § 280 BAO idF vor dem FVwGG 2012 ist "auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe
des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangen, ... Bedacht zu
nehmen, auch wenn dadurch das Berufungsbegehren geändert oder ergänzt wird".
21 Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat sohin auf neues Vorbringen Bedacht zu nehmen, das ihr bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangt. Abgeschlossen ist das Berufungsverfahren aber erst, wenn eine wirksame Berufungsentscheidung erging. Eine solche liegt bei einer schriftlichen Erledigung, wie sie im Revisionsfall getroffen wurde, zufolge § 97 Abs. 1 lit. a BAO erst mit ihrer Zustellung vor (vgl. beispielsweise VwGH vom 25. September 1985, 84/13/0180; vom 21. Mai 1990, 89/15/0115).
22 Entgegen den Ausführungen der Gegenschrift des Bundesfinanzgerichts zeigt die Revision auch die Relevanz ihrer Verfahrensrüge auf, denn sollte sich herausstellen, dass die Revisionswerberin die GmbH-Anteile bloß treuhändig gehalten hat, wäre es ausgeschlossen, sie als Empfängerin der Kapitalerträge heranzuziehen.
23 Der angefochtene Bescheid war somit schon aufgrund fehlender Feststellungen zur behaupteten Treuhandschaft gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
24 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung. Das auf Zuerkennung eines höheren Aufwandersatzes sowie der gesetzlichen Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil es einerseits in der genannten Verordnung nicht gedeckt ist und andererseits der durch die Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand auch die anfallende Umsatzsteuer abdeckt. Da der Revisionswerber auf Grund des von ihm gestellten Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe von der Entrichtung der Eingabegebühr befreit wurde, stand ihm diesbezüglich im Übrigen kein Anspruch auf Ersatz zu.
25 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 4 Abs. 5 vorletzter Satz VwGbk-ÜG - mit der dort angeführten Maßgabe - iVm § 28 Abs. 5 BFGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 29. Juni 2016
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