VwGH Ro 2014/13/0040

VwGHRo 2014/13/004024.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Revision der R Gesellschaft in W, vertreten durch die LeitnerLeitner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH in 1030 Wien, Am Heumarkt 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 21. Mai 2014, Zl. RV/7101958/2009, betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die Jahre 2005 und 2006, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §22 Z2;
EStG 1988 §25 Abs1 Z1 litb;
EStG 1988 §22 Z2;
EStG 1988 §25 Abs1 Z1 litb;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesfinanzgericht Bescheide des Finanzamtes, mit denen im Anschluss an eine Lohnsteuerprüfung bei der Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin, einer die Rechtsanwaltschaft ausübenden GmbH, die Bezüge der zu Geschäftsführern bestellten, jeweils nicht wesentlich (nicht zu mehr als 25%) beteiligten Gesellschafter in die Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen einbezogen wurden.

2 Das Bundesfinanzgericht ging davon aus, angesichts der bloß unwesentlichen Beteiligungen und des Fehlens gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmungen zur Befreiung von der Pflicht, Weisungen zu befolgen, sei keine der Sonderbestimmungen des § 22 Z 2 zweiter Teilstrich und des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 anwendbar, sodass es auf die Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 erster und zweiter Satz EStG 1988 für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ankomme. Maßgeblich seien dabei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Weisungsgebundenheit und die organisatorische Eingliederung in den Betrieb.

3 Zur Weisungsgebundenheit legte das Bundesfinanzgericht zunächst dar, bei höher qualifizierten Tätigkeiten könne sie schwächer ausgeprägt sein und auch das Fehlen eines sachlichen Weisungsrechtes in Bezug auf die Ausübung des Mandates stehe der Annahme steuerrechtlicher Dienstverhältnisse nicht entgegen. Maßgeblich sei das persönliche, auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtete Weisungsrecht. Im vorliegenden Fall sei die persönliche Weisungsgebundenheit in Verpflichtungen zu sehen, die aus einem Syndikatsvertrag zwischen den Gesellschaftern hervorgingen. Danach bedürften Nebenbeschäftigungen der Zustimmung der GmbH, und es seien Zielvereinbarungen abgeschlossen worden. Würden Leistungsziele nicht erreicht, so könne dies vom Einfrieren oder einer Rückstufung in dem der Gewinnbeteiligung zugrunde gelegten "Lock Step System" bis zum Ausschluss des betroffenen Partners führen. Die (trotz Bestellung zu Geschäftsführern, nach einem Rotationverfahren) jeweils nicht geschäftsführenden Gesellschafter seien verpflichtet, die jeweils geschäftsführenden zu unterstützen, die Urlaubseinteilung habe bei sonstigem Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses einvernehmlich zu erfolgen und die Partner seien verpflichtet, ihre täglichen Leistungen in ein bestimmtes Abrechnungssystem einzutragen. Angesichts dieser Vereinbarungen im Syndikatsvertrag (zu denen der schon vor dessen Vorlage bekannte Gebrauch des Abrechnungssystems allerdings nicht zu gehören scheint) bestünden an der "persönlichen Weisungsgebundenheit" der Geschäftsführer-Gesellschafter nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes "keine Zweifel".

4 Syndikatsverträge zwischen den Gesellschaftern könnten "in Ausnahmefällen, nämlich bei Gesellschaften mit ausgeprägt personalistischer Struktur" auch eine "Drittwirkung gegenüber der Gesellschaft" entfalten (Hinweis auf eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 26. August 1999, 2 Ob 46/97x). Eine "ausgeprägt personalistische Struktur" der Gesellschaft liege vor, sodass der Inhalt des Syndikatsvertrages "unmittelbar der Bf. zuzurechnen" sei. Die Regelungen im Syndikatsvertrag seien "daher Ausdruck des persönlichen Weisungsrechts der Bf. selbst". Der Bejahung persönlicher Weisungsgebundenheit stehe es nicht entgegen, wenn sie sich nicht aus den jeweils abgeschlossenen "freien Dienstverträgen", sondern aus dem Syndikatsvertrag ergebe.

5 Zu den Geschäftsführerverträgen hatte das Bundesfinanzgericht zuvor festgestellt, sie bezeichneten jeweils das Rechtsverhältnis als freien Dienstvertrag und den Geschäftsführer als "weisungsfrei, insbesondere in der Ausübung des Mandates". Er könne "sich den Arbeitsablauf frei einteilen und jederzeit so abändern, wie es seinen Bedürfnissen entspricht. Dies umfasst auch die Freiheit, nach eigenem Ermessen, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Der Geschäftsführer ist - soweit dies berufsrechtlich zulässig ist - berechtigt, sich bei der Ausübung seiner Tätigkeit vertreten zu lassen und auch Hilfskräfte einzusetzen." Ein mit "Freiheit bei der Erbringung der Arbeitsleistung" überschriebener Abschnitt sehe vor, dass der Leistungsort vom Geschäftsführer frei bestimmt werde und er an keine bestimmten Arbeitszeiten gebunden sei.

6 Im Anschluss an die - auf diese Vertragsinhalte nicht mehr näher eingehende, aus dem Syndikatsvertrag abgeleitete - Bejahung der persönlichen Weisungsgebundenheit der Gesellschafter-Geschäftsführer bejahte das Bundesfinanzgericht auch deren Eingliederung in den Betrieb und das Fehlen eines Unternehmerwagnisses. Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass die Gesellschafter-Geschäftsführer ihre Tätigkeit im Rahmen steuerrechtlicher Dienstverhältnisse gemäß § 47 Abs. 2 erster und zweiter Satz EStG 1988 ausgeübt hätten.

7 Dagegen richtet sich die vorliegende, vom Bundesfinanzgericht im Hinblick auf die angenommene Drittwirkung des Syndikatsvertrages für zulässig erklärte und mit weiteren Schriftsätzen ergänzte Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch das Finanzamt erwogen hat:

8 In Bezug auf die rechtlichen Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages und das allein strittige Vorliegen von Dienstverhältnissen gemäß § 47 Abs. 2 erster und zweiter Satz EStG 1988 gleicht der vorliegende Fall dem Fall des Erkenntnisses vom heutigen Tag, 2013/13/0046, auf dessen Begründung insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird.

9 Nach der vom Gesetzgeber mit dem Abgabenänderungsgesetz 1981, BGBl. Nr. 620, geschaffenen und seither beibehaltenen Rechtslage fällt zwar ein wesentlich beteiligter Geschäftsführer auch dann, wenn er nicht schon auf Grund der Höhe seiner Beteiligung oder wegen gesellschaftsvertraglicher Sonderbestimmungen keinen persönlichen Weisungen unterliegt, unter die Sondervorschrift des § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988; das Gesetz "unterstellt" die Weisungsungebundenheit schon bei einer 25% übersteigenden Beteiligung, wozu das vorausgegangene Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 9. Dezember 1980, 1666, 2223, 2224/79, VwSlg 5535/F, mit der über den Fall hinausgehenden Bezugnahme auf Ausführungen von Schmitz (ZAS 1966, 7 (13)) auch Anlass gegeben hatte (vgl. zum Gesichtspunkt der "Unterstellung" - auf der Grundlage eines allerdings veränderten Verständnisses der Voraussetzungen eines Dienstverhältnisses - Punkt 6. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 10. November 2004, 2003/13/0018, VwSlg 7979/F). Ein unwesentlich beteiligter Geschäftsführer, dessen fehlende Bindung an persönliche Weisungen nicht auf einer gesellschaftsvertraglichen Sonderbestimmung, sondern auf seinem Anstellungsvertrag beruht, wird von der Sondervorschrift des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 hingegen nicht erfasst (vgl. in diesem Sinn etwa schon ausdrücklich das Erkenntnis vom 19. Dezember 2012, 2010/08/0240). Er gleicht insoweit einem Fremdgeschäftsführer (vgl. zur Beurteilung der Weisungsgebundenheit bei einem solchen zuletzt die Erkenntnisse vom 21. Oktober 2015, 2012/13/0088, und vom 21. April 2016, 2013/15/0202).

10 Das Bundesfinanzgericht ist davon im vorliegenden Fall nicht abgewichen und hat auch die fehlende Bindung an persönliche Weisungen bei Beurteilung auf der Grundlage der Geschäftsführerverträge nicht in Frage gestellt. Es ist nur auf Grund des Syndikatsvertrages zu der Ansicht gelangt, dessen "Drittwirkung" führe (zusammen mit der Verwendung des Abrechnungssystems) zu einer persönlichen Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer.

11 Dem ist nicht zu folgen, wobei auf die grundsätzlichen Einwände der Revisionswerberin gegen die Annahme einer "Drittwirkung", die der Oberste Gerichtshof nur für bestimmte, hier nicht vorliegende Konstellationen bejaht habe, nicht eingegangen werden muss. Es genügt, dass die Bestimmungen des Syndikatsvertrages, aus denen das Bundesfinanzgericht ein Weisungsrecht der Vertragspartner - seiner Meinung nach auch der GmbH - abgeleitet hat, nicht das arbeitsbezogene Verhalten betreffen. Weisungsunterworfenheit im hier maßgeblichen Sinn bedeutet, dass der Arbeitgeber durch individuell-konkrete Anordnungen das Tätigwerden des Dienstnehmers beeinflussen kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Juni 2006, 2002/13/0175, m. w.N.). Eine - den Geschäftsführerverträgen widersprechende - Befugnis dazu geht aus den vom Bundesfinanzgericht festgestellten Inhalten des Syndikatsvertrages aber nicht hervor. Dies gilt auch für die Regelungen über das Vorgehen bei der Urlaubseinteilung, wozu weiters auf das unwiderlegte Vorbringen in der mündlichen Verhandlung zu verweisen ist ("Urlaub oder Abwesenheiten, das entscheidet jeder selber, das wird in der Praxis nicht abgestimmt"), und für den Einsatz eines Abrechnungssystems, von dem aus dem angefochtenen Erkenntnis nicht hervorgeht, dass es - entgegen dem Vorbringen schon im Schriftsatz vom 29. November 2007 und zuletzt in der Verhandlung - anderen Zwecken als der Verrechnung der Leistungen gegenüber den Klienten diente. Eine persönliche Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aus den Feststellungen daher nicht ableitbar.

12 Wenn das Finanzamt dazu in der Revisionsbeantwortung auf das Erkenntnis vom 26. Juli 2007, 2007/15/0095, VwSlg 8258/F, verweist, worin im Wesentlichen nur auf die Eingliederung des Geschäftsführers in den Betrieb abgestellt worden sei, so ist daran zu erinnern, dass dieses Erkenntnis einen Fall betraf, in dem die Weisungsgebundenheit der nicht wesentlich beteiligten Geschäftsführer nicht strittig war. Die Folgejudikatur zu diesem Erkenntnis betraf wesentlich beteiligte Geschäftsführer, bei denen die Weisungsgebundenheit nicht im Einzelfall zu prüfen ist. Dies gilt auch für das Erkenntnis vom 16. Dezember 2009, 2009/15/0081, das sich insoweit auf die zu 30% beteiligten Geschäftsführer bezog.

13 Die Revisionswerberin macht auch geltend, die Weisungsfreiheit der Geschäftsführer sei "im Gesellschaftsvertrag vereinbart" (vgl. Seite 25 und schon Seite 5 der Revision; Seite 4 der Replik auf die Revisionsbeantwortung). Träfe dies zu, so läge ein Fall des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 vor, was zu einem anderen Verfahrensergebnis führen würde. Das Vorbringen ist mit dem Vorwurf verbunden, das Bundesfinanzgericht habe bei den Feststellungen über den Inhalt des Gesellschaftsvertrages (Seite 28 des angefochtenen Erkenntnisses) dessen Punkt 5.7. nicht festgestellt. Geregelt ist darin aber nur ein Ausschluss des Widerspruchsrechtes der Geschäftsführer gemäß § 21 Abs. 2 GmbHG, worin noch keine Sonderbestimmung im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 zu sehen ist.

14 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

15 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. November 2016

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