VwGH Ra 2025/01/0056

VwGHRa 2025/01/005612.3.2025

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des M Ö in W, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Senefeldergasse 11/1E, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 15. November 2024, Zl. VGW‑152/044/12033/2024‑10, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2025:RA2025010056.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) in der Sache gemäß § 39 iVm § 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) fest, dass der Revisionswerber die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG durch Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit „mit Wirkung vom 30. April 2018“ verloren hat und nicht mehr österreichischer Staatsbürger ist, und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung ‑ soweit im Revisionsverfahren wesentlich ‑ nachstehende Feststellungen zugrunde:

Die belangte Behörde habe dem Revisionswerber nach Vorlage einer von der türkischen Botschaft in Wien am 28. August 1992 ausgestellten Bestätigung über die Entlassung des Revisionswerbers aus dem türkischen Staatsverband mit Wirkung vom 24. September 1992 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Mit Beschluss des türkischen Ministerrates vom 22. November 1993 sei die Entlassung des Revisionswerbers aus dem türkischen Staatsverband bewilligt worden. Der Revisionswerber habe mit am 15. Dezember 1993 vom Innenministerium der türkischen Republik ausgestellter „Entlassungsurkunde aus der türkischen Staatsbürgerschaft“ die türkische Staatsangehörigkeit verloren.

Der Revisionswerber habe die türkische Staatsangehörigkeit nach dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft auf seinen Antrag hin wieder erworben. Er sei zumindest am Stichtag für die Eintragung in das Wählerverzeichnis für die türkische Präsidentschafts‑ und Parlamentswahl am 24. Juni 2018, dem 30. April 2018, türkischer Staatsangehöriger gewesen. Der Revisionswerber habe keinen Antrag auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt.

3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, mit dem Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit habe der Revisionswerber, der zumindest am 30. April 2018 wieder türkischer Staatsangehöriger gewesen sei, gemäß § 27 Abs. 1 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft ex lege verloren. Der ex‑lege‑Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft erweise sich (mit näherer Begründung) nicht als unverhältnismäßig.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision moniert in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zusammengefasst ein Abweichen von näher dargelegter Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, weil das Verwaltungsgericht die Mitwirkungspflicht des Revisionswerbers überspannt habe, indem es die Beweislast für das Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 27 StbG auf den Revisionswerber überwälzt habe. Der Revisionswerber habe „nahezu allen Aufforderungen“ entsprochen und unter anderem einen analogen Personenstandsregisterauszug besorgt. Dass darin der Austritt aus dem türkischen Staatsverband mit 22. November 1993 nicht angemerkt sei, könne dem Revisionswerber nicht vorgeworfen werden. Er sei jedenfalls seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen. Der vorgelegte Personenstandsregisterauszug, der zu den „Strengbeweismitteln“ zu zählen sei, wäre als tauglicher Beweis zu berücksichtigen gewesen.

9 Art. 133 Abs. 4 B‑VG knüpft das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage und somit die Zulässigkeit einer Revision an das Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder an eine Uneinheitlichkeit der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der zu lösenden Rechtsfrage. Das (behauptete) Abweichen von Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vermag schon aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes des Art. 133 Abs. 4 B‑VG keine Zulässigkeit der Revision zu begründen (vgl. etwa VwGH 6.3.2024, Ra 2023/01/0108 bis 0109, Rn. 11, mwN, und VwGH 19.7.2023, Ra 2023/01/0177, Rn. 8, mwN).

10 Im Übrigen bekämpft die Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen zur Mitwirkungspflicht in Bezug auf den vom Revisionswerber vorgelegten Personenstandsregisterauszug letztlich die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, ohne jedoch eine derart krasse, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung begründende Fehlbeurteilung fallbezogen darzulegen (vgl. zum Prüfungskalkül des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Beweiswürdigung für viele VwGH 10.5.2024, Ra 2024/01/0143, mwN; sowie dazu, dass Auszüge aus dem türkischen Personenstandsregister nach dem türkischen Recht zwar zu den „Strengbeweismitteln“ gehören, jedoch dem Gegenbeweis zugänglich sind VwGH 10.7.2018, Ra 2018/01/0094, Rn. 43, mwN).

11 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. März 2025

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