Normen
BFA-VG 2014 §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023200285.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der aus der Türkei stammende Revisionswerber stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 6. September 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 30. Dezember 2022 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung zulässig sei (ein Zielstaat wurde ‑ wie sich aus der Begründung des Bescheides ergibt, offenkundig auf einem Versehen beruhend ‑ nicht genannt), und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht, das von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen hatte, mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis ‑ unter Neufassung des Ausspruches über die Zulässigkeit der Abschiebung, wobei als Zielstaat die Türkei ergänzt wurde ‑ als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der Revision gegen den Entfall der Verhandlung. Weiters macht er geltend, dass sich das Bundesverwaltungsgericht nicht hinreichend mit seinen Argumenten betreffend die vorgebrachten Fluchtgründe auseinandergesetzt habe.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob im Sinn des ‑ hier maßgeblichen ‑ § 21 Abs. 7 erster Satz BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) „der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich:
9 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA‑VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. dazu ausführlich VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; sowie aus der weiteren Rechtsprechung etwa VwGH 6.6.2023, Ra 2023/20/0217, mwN).
10 Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage trifft die in der Revision vertretene Ansicht nicht zu, dass zwecks Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Revisionswerbers jedenfalls eine Verhandlung hätte durchgeführt werden müssen. Mit dem pauschal gehaltenen Vorbringen in der Revision wird nicht aufgezeigt, dass die angeführten Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung nicht erfüllt gewesen wären.
11 Dem Revisionswerber ist zuzugestehen, dass sich in der angefochtenen Entscheidung im Rahmen der beweiswürdigenden Erwägungen weitwendige allgemeine Aussagen finden. Dennoch ist am Boden des Inhalts der weiteren Begründung, in der sich das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Vorbringen konkret befasst hat, der in der Revision erhobene Vorwurf nicht berechtigt, dass sich das Bundesverwaltungsgericht nicht ausreichend mit den Ausführungen des Revisionswerbers, weshalb er das Herkunftsland verlassen habe, auseinandergesetzt hätte. Somit liegt schon der behauptete Verfahrensfehler nicht vor. Im Übrigen wird auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers auf den Verfahrensausgang nicht dargetan.
12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 11. Juli 2023
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