VwGH Ra 2023/18/0139

VwGHRa 2023/18/01397.8.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des A O, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Fleischmarkt 1, 3. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2023, W211 2255132‑1/12E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023180139.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit, stellte am 30. August 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte er vor, er habe Syrien aufgrund des Bürgerkrieges und einer drohenden Einziehung als Reservist verlassen. Er gelte nun als Deserteur und müsse im Falle der Rückkehr entweder zum Militär oder komme in Haft.

2 Mit Bescheid vom 20. April 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der 38‑jährige Revisionswerber, welcher seinen Militärdienst bereits abgeleistet habe und aus einer im Entscheidungszeitpunkt kurdisch kontrollierten Region stamme, habe weder eine Rekrutierung zum Wehrdienst durch die kurdischen Autonomiebehörden noch eine Rekrutierung durch die syrische Armee oder eine Gefährdung durch die syrische Regierung wegen einer illegalen Ausreise über die türkische Grenze oder einer Asylantragstellung im Ausland zu befürchten.

5 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision macht zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend, das BVwG habe hinsichtlich der Gefahr einer Zwangsrekrutierung des Revisionswerbers seine Ermittlungspflicht in mehrfacher Hinsicht verletzt sowie grob aktenwidrige Feststellungen getroffen. Bei richtiger Beurteilung hätte es zu der Feststellung gelangen müssen, dem Revisionswerber drohe aufgrund seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe sowie seines sunnitischen Glaubens maßgebliche Gefahr, als Oppositioneller angesehen und rekrutiert zu werden. Dass dem Revisionswerber in den unter kurdischer Selbstverwaltung stehenden Gebieten keine Rekrutierungsgefahr drohe, bedürfe einer eingehenderen Begründung, zumal sich aus den festgestellten Länderberichten keine genaue Abgrenzung der jeweiligen Gebietskontrollen und sogar eine Präsenz des syrischen Regimes in der Heimatregion des Revisionswerbers ergebe. Zudem habe sich das BVwG auf veraltete Länderberichte gestützt und habe es sich mit Berichten und Empfehlungen des UNHCR auseinanderzusetzen und entsprechend zu begründen, wenn es diesen nicht folge. Aufgrund seiner amtswegigen Ermittlungspflicht wäre das BVwG zudem angehalten gewesen, die Schwester des Revisionswerbers als Zeugin zu vernehmen.

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revision moniert zunächst, das BVwG habe seine Ermittlungspflicht im Zusammenhang mit der Gefahr einer Einberufung des Revisionswerbers zum Militärdienst mehrfach verletzt und sich aktenwidrig in Widerspruch zu den festgestellten ‑ veralteten ‑ Länderberichten gesetzt sowie Richtlinien des UNHCR unberücksichtigt gelassen. Dabei bezieht sich die Revision erkennbar nur auf die behauptete drohende Rekrutierung durch das syrische Regime.

11 Werden Verfahrensmängel ‑ wie hier Ermittlungs‑ und Begründungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 19.4.2023, Ra 2023/18/0001, mwN).

12 Im gegenständlichen Verfahren setzte sich das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung eingehend mit aktuellen Länderberichten zur Lage in Syrien, insbesondere jener in den Gebieten unter kurdischer Selbstverwaltung, auseinander, wobei das BVwG das im Entscheidungszeitpunkt aktuellste Länderinformationsblatt zu Syrien vom 29. Dezember 2022 der Staatendokumentation zu Grunde legte, welches seinerseits ‑ neben diversen anderen Quellen ‑ mehrfach Bezug auf Berichte der EUAA bzw. des UNHCR nimmt. Unter Berücksichtigung der konkreten Herkunft des Revisionswerbers sowie des Umstands, dass dieser seinen Wehrdienst bereits abgeleistet habe, gelangte das BVwG im Revisionsfall zu dem Ergebnis, dass dem Revisionswerber aufgrund der stark eingeschränkten Rekrutierungsmöglichkeiten der syrischen Armee in dessen Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Rekrutierung drohe.

13 Entgegen dem Revisionsvorbringen setzte sich das BVwG auch näher mit dem Vorbringen auseinander, wonach die syrische Regierung im Herkunftsort des Revisionswerbers präsent sei. Unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Aussagen des Revisionswerbers sowie der festgestellten Länderberichte führte das BVwG schlüssig und nachvollziehbar aus, dass eine solche Präsenz nicht festgestellt werden könne. In diese Erwägungen bezog das BVwG auch den in Kopie vorgelegten Einberufungsbefehl mit ein, welchem es jedoch aufgrund der Umstände, dass dessen Echtheit nicht überprüft werden könne sowie aus dessen Inhalt nicht auf das Bestehen einer Rekrutierungsstelle im Herkunftsort des Revisionswerbers geschlossen werde könne, vertretbar keine nennenswerte Beweiskraft zuerkannte. Zudem führte das BVwG in Übereinstimmung mit entsprechenden Länderberichten aus, dass sich selbst im Falle der Existenz eines Einberufungsbefehls die Gefahr einer Durchsetzung desselben aufgrund der festgestellten Kontrollsituation als unwahrscheinlich erweise.

14 Im Weiteren moniert die Revision eine aktenwidrige und mangelhafte Auseinandersetzung des BVwG mit Berichten des UNHCR sowie der darin aufgestellten Risikoprofile, derer der Revisionswerber einige erfülle. Der Revision gelingt es jedoch nicht darzulegen, dass die in Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Länderberichten getroffenen Feststellungen des BVwG, wonach dem Revisionswerber keine Gefährdung durch die syrische Regierung aufgrund einer illegalen Ausreise oder aufgrund einer Asylantragstellung im Ausland drohe, auf einem relevanten Verfahrensmangel gründen würde.

15 Mit ihrem Vorbringen, das BVwG habe entgegen näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Risikoprüfung vorgenommen, ob dem Revisionswerber aufgrund seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe sowie als sunnitischer Muslim eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde, wendet sich die Revision gegen die entsprechende Beweiswürdigung des BVwG.

16 Diesbezüglich entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass dieser ‑ als Rechtsinstanz ‑ zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 27.2.2023, Ra 2023/18/0050, mwN).

17 Dass die in Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Länderberichten getroffenen Erwägungen des BVwG, dem Revisionswerber, welcher eine Diskriminierung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit nicht als ausreisekausalen Fluchtgrund genannt habe, in seiner kurdisch kontrollierten Herkunftsregion keine asylrelevante Verfolgung drohe, unvertretbar wären, vermag die Revision, welche lediglich pauschal auf ein grundsätzlich bestehendes Verfolgungsrisiko der genannten Volksgruppe verweist, nicht darzulegen.

18 Wenn nun erstmals in der Revision die Notwendigkeit der Einvernahme der Schwester des Revisionswerbers vorgebracht wird, welche nach Ansicht des Revisionswerbers amtswegig seitens des BVwG vorzunehmen gewesen wäre, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. VwGH 6.9.2022, Ra 2022/18/0221, mwN).

19 Dass dem BVwG bei dieser Beurteilung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen wäre, vermag die Revision nicht darzulegen.

20 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. August 2023

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