Normen
AWG 2002 §37 Abs1
AWG 2002 §37 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VStG 1991 §5 Abs2
VStG §5 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023070170.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis bestrafte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) ‑ in teilweiser Abänderung eines Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Baden ‑ den Revisionswerber wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 1 Z 9 iVm. § 37 Abs. 1 AWG 2002 mit einer Geldstrafe von € 8.400 (Ersatzfreiheitsstrafe 68 Stunden), weil er es als abfallrechtlicher Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher Beauftragter der M. GmbH zu verantworten habe, dass am 25. Juli 2022 in K. die Behandlungsanlage dieser Gesellschaft geändert worden sei, ohne im Besitz der nach § 37 AWG 2002 erforderlichen Genehmigung zu sein, indem der Betrieb der bewilligten Anlage bei gleichbleibender Behandlungsmenge auf die (vormalige) Lagerfläche Süd verlagert, die nördliche Dichtfläche vollständig entfernt, eine neue Ein- und Ausfahrt errichtet sowie im Osten der Anlage ein Lärm‑ und Sichtschutzdamm mit maßgeblichen Auswirkungen auf das Landschaftsbild und eine mögliche Verschlechterung der Lärmsituation entfernt worden sei, wobei damit eine wesentliche Änderung der ortsfesten Behandlungsanlage gemäß § 2 Abs. 8 Z. 3 AWG 2002 erfolgt sei, weil die Abänderung erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder die Umwelt haben könne.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht ‑ soweit im Revisionsverfahren wesentlich ‑ aus, die M. GmbH habe am 4. Jänner 2022 bei der Landeshauptfrau von Niederösterreich eine durch DI S. erstellte Anzeige einer Änderung ihrer im Jahr 2018 genehmigten Abfallbehandlungsanlage eingebracht. Im Vorfeld habe sich DI S. an einen Sachbearbeiter der Behörde gewandt, von diesem aber nicht die Auskunft erhalten, dass eine bloße Anzeige ausreichend wäre. Die dem Revisionswerber von DI S. in der Folge gegebenen Auskünfte seien nicht eindeutig gewesen. Dem Revisionswerber sei zum Tatzeitpunkt auch bekannt gewesen, dass die Behörde zur Klärung, ob eine wesentliche Änderung vorliege, Sachverständige mit Erhebungen beauftragt hatte. Auch der Revisionswerber habe es daher zumindest für möglich gehalten, dass eine genehmigungspflichtige Änderung im Sinn von § 37 Abs. 1 AWG 2002 vorliege und deshalb auch ein „entsprechendes Änderungsprojekt“ durch DI S. ausarbeiten lassen.
3 Tatsächlich habe es bei den angezeigten Änderungen ‑ wie sich auf der Grundlage der (näher bezeichneten) Ausführungen der Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz, für Luftreinhaltetechnik, für Lärmtechnik und für Naturschutz ergebe ‑ um eine wesentliche Änderung der Abfallbehandlungsanlage im Sinn von § 2 Abs. 8 Z. 3 AWG 2002 gehandelt; somit um eine solche, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder auf die Umwelt haben könne. Noch während der laufenden Prüfung durch die Landeshauptfrau habe die M. GmbH am 25. Juli 2022 mit der Änderung der Anlage begonnen. Dabei seien die durchgeführten über die angezeigten Maßnahmen hinausgegangen, indem die nördliche Dichtfläche der bewilligten Abfallbehandlungsanlage entfernt worden sei. Bereits diese nicht angezeigte Baumaßnahme führe dazu, dass eine wesentliche Änderung der Abfallbehandlungsanlage im Sinn von § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 vorliege, weil die Dichtfläche in Hinblick auf die darunter abgelagerten Abfälle zum Schutz der Umwelt erforderlich gewesen sei.
4 Es sei somit entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers keine Änderung vorgelegen, bei der nach § 37 Abs. 4 iVm. § 51 Abs. 1 und 2 AWG 2002 eine bloße Anzeige ausreichend gewesen wäre. Indem die Änderung durchgeführt worden sei, ohne im Besitz der erforderlichen Genehmigung nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 zu sein, habe der Revisionswerber die Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 1 Z 9 AWG 2002 verwirklicht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, ob tatsächlich durch eine Änderung der Behandlungsanlage erheblich nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder auf die Umwelt im Sinn von § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 zu erwarten seien, sei auf Grundlage von sachverständigen Erhebungen zu beurteilen. Der Revisionswerber habe sich insoweit auf die Beurteilung des gerichtlich zertifizierten Sachverständigen DI S. gestützt. Dieser sei ein fachkundiger Experte, der für die Revisionswerberin seit langer Zeit als Deponieaufsichtsorgan tätig sei. Wie „dem Verhandlungsprotokoll zu entnehmen“ sei, habe DI S. dem Revisionswerber mitgeteilt, dass es sich um ein anzeigepflichtiges und nicht um ein genehmigungspflichtiges Projekt handle. Davon habe der Revisionswerber ausgehen können, zumal DI S. sich sogar mit der zuständigen Behörde abgesprochen habe. Der Revisionswerber habe daher nicht schuldhaft gehandelt. Tatsächlich habe die M. GmbH ihren Betrieb auch bloß „im geographischen Umfang“ eingeschränkt, worin ein Sachverhalt nach § 37 Abs. 4 Z 7 iVm. § 51 Abs. 2 AWG 2002 zu erkennen sei. Es stehe auch „nicht eindeutig fest“, ob die Änderung an der Abfallbehandlungsanlage wesentlich oder unwesentlich gewesen sei und ob somit eine genehmigungspflichtige Änderung vorgelegen sei.
9 Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, dass in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 21.3.2024, Ra 2022/07/0076 und 0077, mwN).
10 Das Verwaltungsgericht ist gestützt auf Sachverhaltsfeststellungen, die es auf Sachverständigengutachten aus verschiedenen Fachgebieten gegründet hat, zum Ergebnis gelangt, dass die von der M. GmbH vorgenommene Änderung ihrer (ortsfesten) Abfallbehandlungsanlage erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Menschen und die Umwelt haben könne und daher eine „wesentliche Änderung“ im Sinn von § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 sei. Die Revision legt mit ihren bloß pauschalen, nicht konkret begründeten gegenteiligen Behauptungen nicht dar, dass das Verwaltungsgericht insoweit von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen wäre oder diese Beurteilung sonst von der Klärung einer grundsätzlichen Rechtsfrage abhinge.
11 Eine wesentliche Änderung einer ortsfesten Behandlungsanlage bedarf nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 der Genehmigung der Behörde. Damit scheidet aber nach dem Einleitungssatz des § 37 Abs. 4 AWG 2002 das Vorliegen einer bloß anzeigepflichtigen Maßnahme aus (vgl. Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 [2015] § 37 Rz 60); davon ausgehend lag ‑ entgegen der nicht konkret begründeten Behauptung in der Revision ‑ insbesondere auch keine bloße Auflassung eines Anlagenteils der Behandlungsanlage vor, die nach § 51 Abs. 2 AWG 2002 iVm. § 37 Abs. 4 Z 7 mit Einlangen der Anzeige hätte vorgenommen werden dürfen.
12 Nach § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs setzt ein Verbotsirrtum im Sinn des § 5 Abs. 2 VStG voraus, dass demjenigen, der sich auf diesen beruft, das Unerlaubte seines Verhaltens trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Auch eine irrige Gesetzesauslegung entschuldigt den Betroffenen nur dann, wenn sie unverschuldet war. Um sich darauf berufen zu können, bedarf es (zur Einhaltung der obliegenden Sorgfaltspflicht) einer Objektivierung der eingenommenen Rechtsauffassung durch geeignete Erkundigungen. Wer dies verabsäumt, trägt das Risiko des Rechtsirrtums (vgl. VwGH 9.3.2021, Ra 2019/04/0143; 7.7.2005, 2002/07/0111; jeweils mwN). Es trifft in diesem Sinn wohl zu, dass nach § 5 Abs. 2 VStG eine unrichtige Auskunft eines Organs der zuständigen Behörde allenfalls Straflosigkeit nach § 5 Abs. 2 VStG bewirken könnte (vgl. VwGH 22.12.2011, 2009/07/0211, mwN). Voraussetzung ist insoweit, dass der Sachverhalt, zu dem die Anfrage erfolgt ist, mit dem danach verwirklichten tatsächlichen Sachverhalt in den relevanten Punkten übereinstimmt (vgl. VwGH 4.10.2022, Ra 2021/05/0029, mwN). Überdies liegt aber selbst bei Vorliegen einer falschen Auskunft einer geeigneten Stelle ein schuldausschließender Irrtum dann nicht vor, wenn begründete Zweifel an der erteilten Auskunft bestehen mussten bzw. die Auskunft die Annahme der Gesetzeskonformität für den konkreten Sachverhalt nicht begründen konnte (vgl. VwGH 1.6.2021, Ra 2019/09/0163, mwN).
14 Im vorliegenden Fall kann nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen, denen die Revision nicht konkret entgegentritt, keine Rede davon sein, dass der Revisionswerber seinen Erkundigungspflichten in diesem Sinn nachgekommen wäre und damit ein beachtenswerter Verbotsirrtum nach § 5 Abs. 2 VStG vorgelegen wäre. Das Verwaltungsgericht hat sich nämlich insbesondere darauf gestützt, dass DI S., der im Auftrag des Revisionswerbers für die M. GmbH das Projekt abwickelte, vom Sachbearbeiter der zuständigen Behörde gerade nicht die Information erhalten habe, dass eine bloß anzeigepflichtige Maßnahme vorliege. Der Revisionswerber war sich nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auch selbst ‑ aufgrund der ihm von DI S. gegebenen Informationen sowie in Hinblick auf die von der Behörde bereits begonnenen Ermittlungen ‑ bewusst, dass die eingereichten Baumaßnahmen genehmigungspflichtig sein könnten. In Hinblick auf das tatsächliche Bestehen dieser Zweifel wären weitere Erkundigungen jedenfalls erforderlich gewesen.
15 Im Weiteren führte ‑ nach den ebenfalls von der Revision nicht konkret bekämpften Ausführungen des Verwaltungsgerichts ‑ ohnehin auch bereits eine nicht angezeigte und der Behörde somit vor Durchführung überhaupt nicht mitgeteilte Baumaßnahme, nämlich die Entfernung der Dichtfläche im nördlichen Bereich der Anlage, schon für sich allein dazu, dass eine Genehmigung der Behörde nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 erforderlich gewesen wäre und daher keine Maßnahme vorlag, die im Sinn von § 37 Abs. 4 AWG 2002 (bloß) anzeigepflichtig gewesen wäre.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 3. Oktober 2024
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