VwGH Ra 2022/18/0221

VwGHRa 2022/18/02216.9.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des M A, vertreten durch Mag.a Julia Kolda, Rechtsanwältin in 4400 Steyr, Pachergasse 17/5A/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 2022, L512 2207935‑1/17E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022180221.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, beantragte am 4. Jänner 2016 internationalen Schutz und brachte vor, bereits im Iran eine Hauskirche besucht zu haben und zum Christentum konvertiert zu sein. In Österreich habe er seine christlichen Aktivitäten fortgesetzt, sei aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten und getauft worden. Deshalb befürchte er eine Verfolgung bei seiner Rückkehr in den Iran.

2 Mit Bescheid vom 20. September 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG ‑ soweit für das Revisionsverfahren von Belang ‑ aus, das Vorbringen des Revisionswerbers, sich bereits im Iran dem christlichen Glauben zugewandt zu haben, sei nicht glaubhaft. Zutreffend sei aber, dass der Revisionswerber in Österreich etwa ein halbes Jahr Veranstaltungen der Zeugen Jehovas besucht habe. Er besuche seit Anfang 2018 Gottesdienste einer christlichen Gemeinde, wo er auch im Jahr 2019 getauft worden sei. In einer umfangreichen Beweiswürdigung hielt das BVwG fest, dass der Revisionswerber seine Ausreise aus dem Iran zunächst mit der wirtschaftlichen Lage begründet und sich selbst als Schiiten bezeichnet habe. Zudem habe der Revisionswerber seine Motivation zum Besuch einer Hauskirche stets unterschiedlich dargelegt und in Österreich keine Initiative gezeigt, in Kontakt mit christlichen Gemeinschaften zu treten, sondern sich nur Bekannten angeschlossen. Er habe im Laufe des Verfahrens über kein bzw. nur oberflächliches Wissen über das Christentum verfügt und seine Beweggründe zur Konversion nur vage schildern können sowie keinen persönlichen Zugang zur Taufe bzw. zum christlichen Glauben gezeigt. Da der Revisionswerber keine tatsächliche, tiefgehende Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben dargelegt habe, sei davon auszugehen, dass er nur zum Schein konvertiert sei. Es sei aufgrund der Länderberichte auch nicht zu erwarten, dass der Revisionswerber im Falle der Rückkehr in den Iran in das Blickfeld iranischer Behörden geraten würde bzw. ihm wegen seiner Scheinkonversion Verfolgung drohen könnte. Dem Revisionswerber sei somit kein internationaler Schutz zu gewähren.

5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das BVwG sei von den näher dargestellten hg. Leitlinien zur Beurteilung der aktuellen Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers abgewichen. Dabei habe es den Bildungsgrad sowie die Sozialisation des Revisionswerbers außer Acht gelassen und Mutmaßungen ohne Angaben nachvollziehbarer Quellen zur Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers angestellt. Ferner habe das BVwG den Erstkontakt des Revisionswerbers zum christlichen Glauben verfehlt als widersprüchlich beurteilt und sich nicht ausreichend mit inhaltlichen Glaubensfragen beschäftigt. Zudem habe es das BVwG verabsäumt, Zeugen zur aktuellen Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers zu hören.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Soweit die Revision rügt, das BVwG habe verfehlte Mutmaßungen zur Art und Weise, wie der Revisionswerber den christlichen Glauben leben müsse, aufgestellt und daher eine unvertretbare Beweiswürdigung vorgenommen, verkennt sie, dass sich das BVwG umfassend mit den Beweisergebnissen zur behaupteten Konversion des Revisionswerbers zum Christentum auseinandergesetzt hat. Das BVwG stellte ihm auch nicht in Abrede, getauft worden zu sein und Gottesdienste zu besuchen, es berücksichtigte jedoch auch die widersprüchlichen und vagen Angaben des Revisionswerbers zum Besuch der Hauskirche im Iran und seiner Motivation zum Glaubenswechsel; seine Passivität, in Österreich in Kontakt mit christlichen Gemeinschaften zu treten; sein oberflächliches Wissen zu christlichen Glaubensinhalten sowie seine insgesamt mangelnde Darlegung einer tiefgreifenden Hinwendung zum christlichen Glauben.

10 Auch mit dem pauschalen Revisionsvorbringen, das BVwG habe den Bildungshintergrund bzw. die Sozialisierung des Revisionswerbers nicht ausreichend berücksichtigt ‑ laut unbestrittenen Feststellungen des BVwG besuchte dieser acht Jahre die Schule im Iran, verfügt über unterschiedliche Berufserfahrungen sowie grundlegende Deutschkenntnisse und freundschaftliche und soziale Kontakte ‑ vermag die Revision kein Abweichen von der hg. Rechtsprechung bei der Beurteilung der aktuellen Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers darzutun.

11 Insgesamt zeigt die Revision damit nicht auf, dass sich das BVwG mangelhaft mit den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorgegebenen maßgeblichen Indizien zur Beurteilung einer möglichen Scheinkonversion (vgl. dazu insbesondere VwGH 12.6.2020, Ra 2019/18/0440, mwN) auseinandergesetzt hätte und unvertretbar zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass der Revisionswerber bloß zum Schein konvertiert sei und ihm deshalb auf der Grundlage der getroffenen Länderfeststellungen über die Lage im Iran keine Verfolgung drohe.

12 Soweit die Revision darüber hinaus die unterlassene amtswegige Einvernahme von Zeugen zur aktuellen Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers geltend macht, ist ihr zu erwidern, dass die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein „ausreichend ermittelter Sachverhalt“ vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. VwGH 17.2.2022, Ra 2022/18/0023, mwN).

13 Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass dem BVwG bei dieser Beurteilung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen wäre und dem BVwG unter Berücksichtigung der ihm vorliegenden Beweisergebnisse die amtswegige Beischaffung weiterer Beweismittel als „erforderlich“ im Sinne des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 erscheinen musste.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. September 2022

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