Normen
GSpG 1989 §53 Abs3
GSpG 1989 §54 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §29 Abs1
VwGVG 2014 §31 Abs3
VwGVG 2014 §34 Abs3
VwGVG 2014 §34 Abs3 Z1
VwGVG 2014 §34 Abs3 Z2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022120110.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 17. März 2020 verfügte die Landespolizeidirektion Wien gegen die erstmitbeteiligte Partei als Inhaberin gemäß § 53 Abs. 3 Glücksspielgesetz (GSpG) und Berechtigte gemäß § 54 Abs. 2 GSpG sowie gegen die zweitmitbeteiligte Partei als Eigentümerin und Veranstalterin gemäß § 53 Abs. 3 GSpG und Berechtigte gemäß § 54 Abs. 2 GSpG die Beschlagnahme und Einziehung von vier näher bezeichneten Glücksspielgeräten. Gegen diesen Bescheid erhoben die erst- und zweitmitbeteiligte Partei Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.
2 Mit Bescheid vom 9. Juni 2020 verhängte die Landespolizeidirektion Wien gegen die drittmitbeteiligte Partei mehrere Verwaltungsstrafen wegen Übertretungen des Glücksspielgesetzes (GSpG). Sie habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der erstmitbeteiligten Partei zu verantworten, dass diese mit näher bezeichneten Glücksspielgeräten verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG zur Teilnahme vom Inland aus unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Die erstmitbeteiligte Partei hafte für die verhängte Geldstrafe, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand. Gegen diesen Bescheid erhoben die erst- und drittmitbeteiligte Partei Beschwerden an das Verwaltungsgericht Wien.
3 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 3. Mai 2022 setzte das Verwaltungsgericht Wien die Verfahren unter Berufung auf § 34 Abs. 3 Z 1 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in einem durch Angabe einer Geschäftszahl des Verwaltungsgerichtes Wien näher bezeichneten Revisionsverfahren aus.
4 Begründend wurde ausgeführt, das Verwaltungsgericht Wien habe am 3. Oktober 2019 zu zwei durch Angabe ihrer Geschäftszahl näher bezeichneten Verfahren entschieden, dass „ein Verwaltungsstrafverfahren auf Basis des Gutachtens des Herrn Dipl. Ing. M [Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof] eingestellt werde“. Weiters wurde darauf verwiesen, der Gutachter habe in seinem schriftlichen Gutachten und im Rahmen der mündlichen Erörterung vor dem Verwaltungsgericht Wien „die Geschicklichkeitsvariante als überwiegend dargestellt“. Dieses Erkenntnis sei durch Amtsrevision vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft worden. Diese Entscheidung sei ausständig und es werde „aufgrund der gleichgelagerten verwendeten Kajot‑Geräte“ auch das gegenständliche Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ausgesetzt. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.
5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit dem Antrag, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, hilfsweise wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
6 Die mitbeteiligten Parteien haben eine Revisionsbeantwortung erstattet. Die belangte Behörde hat von einer Revisionsbeantwortung abgesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 § 34 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:
„Entscheidungspflicht
§ 34
...
(3) Das Verwaltungsgericht kann ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B‑VG mit Beschluss aussetzen, wenn
1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und
2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 ‑ VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.“
8 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird unter anderem ausgeführt, der angefochtene Beschluss weiche von der ‑ näher zitierten ‑ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Beschlüsse eines Verwaltungsgerichts zu begründen seien, ab. Auch wird geltend gemacht, das Verwaltungsgericht hätte keine Rechtsfrage im Sinne des § 34 Abs. 3 Z 1 VwGVG benannt.
9 Bereits damit erweist sich die Revision als zulässig; sie ist auch berechtigt.
10 Nach § 31 Abs. 3 iVm § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG haben die Verwaltungsgerichte ihre Beschlüsse zu begründen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festhält, führt ein Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Richtigkeit hindert (vgl. VwGH 26.5.2021, Ra 2019/04/0071).
11 Wie die vorliegende Revision zutreffend hervorhebt, fehlt es dem angefochtenen Beschluss an jeglichen Ausführungen zu den in § 34 Abs. 3 Z 1 und 2 VwGVG genannten Voraussetzungen einer Aussetzung nach dieser Bestimmung (vgl. zu einer solchen Konstellation VwGH 14.4.2021, Ra 2020/19/0379). Dem angefochtenen Beschluss ist nicht zu entnehmen, welche Rechtsfrage im Sinn des § 34 Abs. 3 Z 1 VwGVG in dem beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Revisionsverfahren und den vor dem Verwaltungsgericht selbst anhängigen Verfahren zu klären ist (die Tatsache der Verwendung bestimmter Geräte ist keine Rechtsfrage), und dass im Sinn des § 34 Abs. 3 Z 2 VwGVG zu dieser Frage Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, oder eine bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich ist. Ebenso wenig hat das Verwaltungsgericht dargetan, dass und weshalb es davon ausgegangen ist, dass die in Rede stehende Rechtsfrage in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren zu lösen sein wird. Diesem Begründungsmangel kommt auch Relevanz zu, weil ohne entsprechende Darlegungen nicht beurteilt werden kann, ob die Aussetzung zu Recht erfolgt ist.
12 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Wien, am 9. November 2022
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