VwGH Ra 2022/11/0207

VwGHRa 2022/11/02074.5.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätinnen Dr. Pollak, Mag. Hainz‑Sator und MMag. Ginthör sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der X in F, vertreten durch die Rechtsanwälte Mandl GmbH in 6800 Feldkirch, Churerstraße 3/I, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 28. Oktober 2022, Zl. LVwG‑341‑1/2022‑R20, betreffend Beseitigung von Missständen in einer Krankenanstalt (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Vorarlberg), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art10 Abs1 Z12
B-VG Art102 Abs2
B-VG Art12 Abs1
B-VG Art12 Abs1 Z1
KAKuG 2001 §12
KAKuG 2001 §12 Abs1
KAKuG 2001 §12 Abs2
KAKuG 2001 §12 Abs3
KAKuG 2001 §3 Abs4 lite
KAKuG 2001 §3 Abs7
KAKuG 2001 §60
KAKuG 2001 §60 Abs1
KAKuG 2001 §61
KAKuG 2001 §8 Abs1 Z1
SpitalG Vlbg 2005 §23 Abs3 litg
SpitalG Vlbg 2005 §26
SpitalG Vlbg 2005 §26 Abs1
SpitalG Vlbg 2005 §26 Abs2
SpitalG Vlbg 2005 §26 Abs3
SpitalG Vlbg 2005 §27 Abs1
SpitalG Vlbg 2005 §27 Abs2
SpitalG Vlbg 2005 §27 Abs4
SpitalG Vlbg 2005 §36 Abs1
SpitalG Vlbg 2005 §36 Abs2 lita
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022110207.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Spruchpunkt 1.1. des Bescheides der belangten Behörde vom 14. März 2022 wurde der Revisionswerberin, eine Stiftung kirchlichen Rechts, als Rechtsträgerin einer näher genannten privaten Krankenanstalt mit dem Anstaltszweck einer Pflegeanstalt für chronisch Kranke in B gemäß § 61 des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG) als „spitalsrechtliche Vorschreibung“ aufgetragen, im Sinn des § 36 Abs. 2 lit. a Spitalgesetz ‑ SpG sicherzustellen, dass in der Krankenanstalt ein Arzt oder eine Ärztin für Allgemeinmedizin oder ein fachlich geeigneter Facharzt oder eine fachlich geeignete Fachärztin ständig anwesend sei. Als Erfüllungsfrist wurde der Ablauf des 31. Dezember 2022 festgelegt und ausgesprochen, dass diese Vorschreibung entfalle, wenn eine Anzeige betreffend die Errichtung und Betriebsaufnahme der Einrichtung als Pflegeheim iSd. Pflegeheimgesetzes bis zum Ablauf des 30. September 2022 bei der Landesregierung eingebracht sowie die Betriebsaufnahme nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten untersagt werde. Als „Hinweis“ wurde diesem Spruchpunkt angefügt, dass bei einer Umwandlung der Einrichtung in ein Pflegeheim nach dem Pflegeheimgesetz eine ständige ärztliche Anwesenheit nicht erforderlich sei.

2 1.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg die gegen diesen Spruchpunkt erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

3 Das Verwaltungsgericht stellte ua. fest, mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 28. Dezember 2017 habe die belangte Behörde der Revisionswerberin als Rechtsträgerin gemäß § 23 SpG die Betriebsbewilligung für die genannte private Krankenanstalt in der Art einer Pflegeanstalt für chronisch Kranke erteilt. In Spruchpunkt VI. dieses Bescheides sei gemäß § 32 Abs. 8 SpG die Bestellung eines näher genannten Facharztes für Innere Medizin zum ärztlichen Leiter genehmigt worden. In der Begründung des Bescheides sei unter der Überschrift „Personelle Ausstattung“ eine Personalliste angeführt, aus welcher hervorgehe, dass neben dem ärztlichen Leiter, der im Ausmaß von 20 Wochenstunden anwesend sein solle, eine weitere Ärztin im Ausmaß von vier Stunden und die stellvertretende ärztliche Leiterin im Ausmaß von acht Stunden anwesend sein sollten (Beschäftigungsausmaße von 50 %, 10 % und 20 %). Ausgeführt werde auch, dass in der Hospizstation ein verantwortlicher ärztlicher Dienst eingerichtet sei, der die Aufsichtsfunktion wahrnehme, aber nicht durchgängig rund um die Uhr anwesend sein werde. Es werde aber jedenfalls eine ärztliche Versorgung binnen eines Zeitintervalls von maximal 30 Minuten rund um die Uhr im Haus sichergestellt.

4 Das Verwaltungsgericht stellte weiters fest, es handle sich um eine private und gemeinnützige Krankenanstalt, welche als Hospiz mit zehn Betten betrieben werde. In der Krankenanstalt sei der ärztliche Leiter 20 Stunden pro Woche anwesend, seine Stellvertreterin acht Stunden pro Woche und eine dritte Ärztin vier Stunden pro Woche. Weiteres ärztliches Personal sei nicht beschäftigt. Eine durchgängige Anwesenheit eines Arztes (einer Ärztin) in der Krankenanstalt bestehe nicht. Es sei sichergestellt, dass bei Bedarf innerhalb von 30 Minuten ein(e) Arzt (Ärztin) in der Krankenanstalt zur Verfügung stehe.

5 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, § 36 Abs. 2 lit. a SpG setze die dauernde Anwesenheit eines Arztes in der Krankenanstalt voraus, was für alle Arten von Krankenanstalten gelte (Hinweis auf VwGH 31.7.2020, Ra 2020/11/0086). Dies sei schon deswegen erforderlich, weil gemäß § 36 Abs. 1 SpG die unbedingt notwendige ärztliche Hilfe niemandem verweigert werden dürfe, was nur sichergestellt werden könne, wenn die ärztliche Hilfe in der Krankenanstalt jederzeit und sofort erreichbar sei. Es genüge nicht, wenn ‑ wie in der gegenständlichen Krankenanstalt ‑ die ärztliche Hilfe nur innerhalb eines Zeitintervalls von 30 Minuten sichergestellt sei.

6 Die sanitäre Aufsicht gemäß § 60 Abs. 1 KAKuG umfasse auch die Überwachung der Einhaltung der Vorgaben des § 36 Abs. 2 lit. a SpG (§ 8 Abs. 1 Z 1 KAKuG). Gemäß § 61 KAKuG habe der Landeshauptmann, wenn in einer Krankenanstalt sanitäre Vorschriften verletzt würden, dem Rechtsträger die eheste Beseitigung der Missstände mit Bescheid aufzutragen.

7 Da in der gegenständlichen Krankenanstalt eine ständige ärztliche Anwesenheit nicht gewährleistet sei, verletzte die Revisionswerberin die Vorgaben des § 36 Abs. 2 lit. a SpG und sohin sanitäre Vorschriften iSd. § 60 Abs. 1 KAKuG.

8 Die Revisionswerberin habe vorgebracht, die Erlassung des gegenständlichen Auftrages stelle eine nachträgliche Änderung des Betriebsbewilligungsbescheides vom 28. Dezember 2017 dar. In diesem Bescheid sei jedoch die Bestimmung des § 36 Abs. 2 lit. a SpG weder im Spruch angeführt, noch gehe die belangte Behörde in der Begründung auf die Anforderungen nach dieser Bestimmung ein. Sie stütze sich vielmehr auf § 23 Abs. 3 SpG, welcher als eine Voraussetzung für die Betriebsbewilligung in lit. g lediglich vorsehe, dass für die Leitung des ärztlichen Dienstes fachlich geeignete Ärzte (Ärztinnen) namhaft gemacht werden müssten und glaubhaft zu machen sei, dass auch sonst die nach dem Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot erforderliche personelle Ausstattung gewährleistet sei. Gemäß § 32 Abs. 2 SpG sei für jede Krankenanstalt ein(e) fachlich geeigneter Arzt (Ärztin) zur verantwortlichen Leitung des ärztlichen Dienstes und für die mit der ärztlichen Behandlung zusammenhängenden Aufgaben zu bestellen.

9 Über diese Erfordernisse habe die belangte Behörde im rechtskräftigen Betriebsbewilligungsbescheid abgesprochen. Diesem Bescheid sei zu entnehmen, dass ein näher genannter Arzt zum ärztlichen Leiter bestellt und dies behördlich genehmigt werde, sowie dass die nach dem Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot erforderliche personelle Ausstattung gewährleistet sei und die Leitung des ärztlichen Dienstes in Anbetracht der Größe der Krankenanstalt nicht hauptberuflich ausgeübt werden müsse. Die belangte Behörde habe aber nicht ausgeführt, dass die personelle Ausstattung der Krankenanstalt „spitalsrechtlich gegeben sei“.

10 Allein aus dem Umstand, dass in der Begründung des Betriebsbewilligungsbescheides der ärztliche Dienst als aus dem ärztlichen Leiter und zwei weiteren Ärztinnen bestehend beschrieben sei und die jeweiligen Beschäftigungsausmaße angegeben seien, könne nicht abgeleitet werden, dass die Behörde in diesem Bescheid - über den Umfang des § 23 Abs. 3 lit. g iVm. § 32 SpG hinaus und ohne sich auf die entsprechende gesetzliche Grundlage zu stützen - über das Erfordernis der dauernden ärztlichen Anwesenheit iSd. § 36 Abs. 2 lit. a SpG (§ 8 Abs. 1 Z 1 KAKuG) dahin abgesprochen habe, dass sie im Widerspruch zur dort normierten Anforderung an die ärztliche Anwesenheit die Revisionswerberin von der Erfüllung dieser Anforderungen rechtskräftig entbunden habe. Die Anforderung der dauernden ärztlichen Anwesenheit in Krankenanstalten ergebe sich vielmehr unmittelbar aus § 36 Abs. 2 lit. a SpG.

11 Dies lasse sich auch aus dem hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2020, Ra 2020/11/0086, ableiten, in welchem der Verwaltungsgerichtshof zwischen der Betriebsbewilligung und der Einhaltung der sanitären Vorschrift (hier:) des § 36 Abs. 2 lit. a SpG unterschieden habe. Dessen Anforderungen an die Einrichtung des ärztlichen Dienstes seien daher von der Revisionswerberin ungeachtet ihrer rechtskräftigen Betriebsbewilligung einzuhalten.

12 1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, welche das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Verfahrensakten vorlegte. Mit der Vorlage teilte das Verwaltungsgericht mit, die belangte Behörde habe mit Bescheid vom 14. Dezember 2022 zum einen Spruchpunkt 1.1. ihres Bescheides vom 14. März 2022 dahin abgeändert, dass die Erfüllungsfrist frühestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2023 und spätestens bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Zustellung der hg. Entscheidung über die vorliegende Revision betrage. Zum anderen sei dieser Spruchpunkt dahin abgeändert worden, dass die Vorschreibung (ständige ärztliche Anwesenheit) entfalle, wenn eine Anzeige betreffend die Errichtung und Betriebsaufnahme der Einrichtung als Pflegeheim iSd. Pflegeheimgesetzes bis zum Ablauf des 30. September 2023 und spätestens bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Zustellung der hg. Entscheidung bei der Landesregierung eingebracht und die Errichtung sowie Betriebsaufnahme nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten untersagt werde.

13 Die belangte Behörde verzichtete auf eine Revisionsbeantwortung. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes erstatteten der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie die Vorarlberger Landesregierung im Vorverfahren jeweils eine Stellungnahme zum Verhältnis einer krankenanstaltenrechtlichen Betriebsbewilligung zur sanitären Aufsicht gemäß §§ 60 f KAKuG.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des B‑VG in der Fassung BGBl. I Nr. 85/2022, lauten (auszugsweise):

„Artikel 10. (1) Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

...

12.Gesundheitswesen mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens sowie des Gemeindesanitätsdienstes und Rettungswesens, hinsichtlich der Heil- und Pflegeanstalten, des Kurortewesens und der natürlichen Heilvorkommen jedoch nur die sanitäre Aufsicht; ...

...

Artikel 12. (1) Bundessache ist die Gesetzgebung über die Grundsätze, Landessache die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

1.... Heil- und Pflegeanstalten;

...“

15 2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG), BGBl. Nr. 1/1957 in der Fassung BGBl. I Nr. 79/2022, lauten (auszugsweise):

„ERSTER TEIL.

Grundsätzliche Bestimmungen über Krankenanstalten (Art. 12 Abs. 1 Z [1] des Bundes‑Verfassungsgesetzes).

...

Errichtungs- und Betriebsbewilligung für bettenführende Krankenanstalten

§ 3. (1) Bettenführende Krankenanstalten bedürfen, sofern § 42d nicht anderes bestimmt, sowohl zu ihrer Errichtung als auch zu ihrem Betrieb einer Bewilligung der Landesregierung. ...

...

(4) Eine Bewilligung zum Betriebe einer Krankenanstalt darf nur erteilt werden, wenn insbesondere

...

e)ein geeigneter Arzt als verantwortlicher Leiter des ärztlichen Dienstes (§ 7 Abs. 1) namhaft gemacht wurde und für die Leitung der einzelnen Abteilungen und sonstigen Organisationseinheiten fachlich geeignete Personen als verantwortliche Ärzte namhaft gemacht worden sind (§ 7 Abs. 4) sowie glaubhaft gemacht wird, dass auch im übrigen die nach dem Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot erforderliche personelle Ausstattung gesichert sein wird;

...

Ärztlicher Dienst.

(7) Durch die Landesgesetzgebung sind nähere Vorschriften über die Voraussetzungen zur Bewilligung der Errichtung und des Betriebes sowie die Sperre einer Krankenanstalt, die entgegen den Bestimmungen der Abs. 2 bis 4 betrieben wird, zu erlassen.

...

§ 7. (1) Für jede Krankenanstalt ist ein geeigneter Arzt als verantwortlicher Leiter des ärztlichen Dienstes und für die mit der ärztlichen Behandlung der Pfleglinge zusammenhängenden Aufgaben zu bestellen. Für Pflegeanstalten für chronisch Kranke (§ 2 Abs. 1 Z 4) kann die Landesregierung von der Bestellung eines ärztlichen Leiters Abstand nehmen, wenn die Aufsicht durch einen geeigneten Arzt gewährleistet ist. ...

...

(5) Die Bestellung des ärztlichen Leiters und des Leiters der Prosektur einer Krankenanstalt bedarf der Genehmigung der Landesregierung. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die in Betracht kommenden Ärzte den für ihre Bestellung in den Abs. 1 bis 4 vorgesehenen Bedingungen entsprechen. Eine solche Genehmigung ist bei der Errichtung einer Krankenanstalt gleichzeitig mit der Bewilligung zum Betrieb und sonst vor Dienstantritt des Arztes zu erteilen.

...

§ 8. (1) Der ärztliche bzw. zahnärztliche Dienst muss so eingerichtet sein, dass

1.ärztliche Hilfe in der Anstalt jederzeit sofort erreichbar ist;

...

Zurücknahme von Errichtungs- und Betriebsbewilligung

§ 12. (1) Die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt bzw. einzelner Abteilungen oder anderer Organisationseinheiten ist abzuändern oder zurückzunehmen, wenn eine für die Erteilung der Bewilligung zur Errichtung vorgeschriebene Voraussetzung, insbesondere durch eine Änderung des Landeskrankenanstaltenplanes weggefallen ist oder ein ursprünglich bestandener und noch fortdauernder Mangel nachträglich hervorkommt.

(2) Die Bewilligung zum Betrieb einer Krankenanstalt bzw. einzelner Abteilungen oder anderer Organisationseinheiten ist abzuändern oder zurückzunehmen, wenn

a)eine für die Erteilung der Bewilligung zum Betrieb vorgeschriebene Voraussetzung weggefallen ist oder ein ursprünglich bestandener und noch fortdauernder Mangel nachträglich hervorkommt;

b)der Betrieb der Krankenanstalt entgegen der Vorschriften des § 35 unterbrochen oder die Krankenanstalt aufgelassen worden ist.

(3) Die Bewilligung zum Betrieb einer Krankenanstalt bzw. einzelner Abteilungen oder anderer Organisationseinheiten kann zurückgenommen werden, wenn sonstige schwerwiegende Mängel trotz Aufforderung innerhalb einer festgesetzten Frist nicht behoben werden.

(4) Die Landesgesetzgebung kann die Einräumung von Behebungsfristen vorsehen.

...

§ 23. (1) Unbedingt notwendige erste ärztliche Hilfe darf in öffentlichen Krankenanstalten niemandem verweigert werden.

...

ZWEITER TEIL.

Unmittelbar anwendbares Bundesrecht.

...

Hauptstück E.

Sanitäre Aufsicht.

§ 60. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörden haben unter Beiziehung der ihnen als Gesundheitsbehörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden Amtsärzte in den Krankenanstalten und Kuranstalten ihres örtlichen Wirkungsbereiches die Einhaltung der sanitären Vorschriften, die auf Grund des Ersten Teiles dieses Bundesgesetzes erlassen wurden, zu überwachen.

...

§ 61. Werden in einer Krankenanstalt oder Kuranstalt sanitäre Vorschriften im Sinne des § 60 Abs. 1 verletzt, so hat der Landeshauptmann dem Rechtsträger die eheste Beseitigung der Missstände mit Bescheid aufzutragen. Im Wiederholungsfall sowie dann, wenn derartige anders nicht zu behebende gesundheitliche Missstände vorliegen, dass die Krankenanstalt oder Kuranstalt den Anforderungen der Gesundheitspflege nicht mehr entspricht, kann der Landeshauptmann die teilweise oder gänzliche Weiterführung des Betriebes einer Krankenanstalt oder Kuranstalt untersagen.“

16 2.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des (Vorarlberger) Gesetzes über Krankenanstalten (Spitalgesetz ‑ SpG), LGBl. Nr. 54/2005 in der Fassung LGBl. Nr. 42/2022, lauten (auszugsweise):

„§ 3

Arten von Krankenanstalten

Krankenanstalten können in folgende Arten untergliedert werden:

...

c)Pflegeanstalten für chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege bedürfen;

...

§ 23

Betriebsbewilligung

(1) Krankenanstalten dürfen nur mit Bewilligung der Landesregierung betrieben werden (Betriebsbewilligung).

...

(3) Die Betriebsbewilligung ist ‑ erforderlichenfalls unter Vorschreibung von Befristungen, Bedingungen und Auflagen ‑ zu erteilen, wenn

...

g)für die Leitung des ärztlichen (zahnärztlichen) Dienstes und die Leitung der fachrichtungsbezogenen und sonst im § 32 Abs. 3 genannten Organisationseinheiten fachlich geeignete Ärzte oder Ärztinnen (Zahnärzte oder Zahnärztinnen) namhaft gemacht wurden sowie glaubhaft gemacht wird, dass auch sonst die nach dem Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot erforderliche personelle Ausstattung gewährleistet sein wird und

...

§ 26

Abänderung und Zurücknahme der Errichtungs‑ und Betriebsbewilligung

(1) Die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt ist von der Landesregierung zur Gänze oder hinsichtlich einzelner fachrichtungsbezogener und sonstiger Organisationseinheiten abzuändern oder zurückzunehmen, wenn

...

(2) Die Bewilligung zum Betrieb einer Krankenanstalt ist von der Landesregierung zur Gänze oder hinsichtlich einzelner fachrichtungsbezogener und sonstiger Organisationseinheiten abzuändern oder zurückzunehmen, wenn

a)eine für die Erteilung der Betriebsbewilligung vorgeschriebene Voraussetzung weggefallen ist oder ein ursprünglich bestandener und noch fortdauernder Mangel, der die Verweigerung der Betriebsbewilligung gerechtfertigt hätte, nachträglich hervorkommt;

...

(3) Die Landesregierung kann die Bewilligung zum Betrieb einer Krankenanstalt zur Gänze oder hinsichtlich einzelner fachrichtungsbezogener und sonstiger Organisationseinheiten abändern oder zurücknehmen, wenn andere als im Abs. 2 genannte schwerwiegende Mängel, die die Verweigerung der Betriebsbewilligung rechtfertigen würden, trotz Aufforderung innerhalb einer angemessenen Frist nicht behoben werden.

...

§ 27

Sperre der Krankenanstalt

(1) Krankenanstalten oder einzelne Betriebsbereiche derselben, die ohne die vorgeschriebene behördliche Bewilligung betrieben werden, sind von der Landesregierung erforderlichenfalls ohne vorausgegangenes Verfahren unter Anwendung von Zwangsmitteln zu sperren.

(2) Die Landesregierung hat die Sperre einer Krankenanstalt oder einzelner Betriebsbereiche derselben durch Bescheid anzuordnen, wenn schwerwiegende Mängel bestehen, die einen ordnungsgemäßen Anstaltsbetrieb nicht gesichert erscheinen lassen. Die Sperre ist unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Behebung der festgestellten Mängel vorher anzudrohen.

(3) Mit dem Zeitpunkt der Sperre ist jede weitere Aufnahme von Kranken untersagt. Die in Anstaltsbehandlung befindlichen Patienten und Patientinnen sind bei gleichzeitiger Sicherstellung einer allenfalls notwendigen Unterbringung in einer anderen Krankenanstalt zu verhalten, die gesperrte Krankenanstalt sofort zu verlassen. Für die weitere Behandlung und Pflege der transportunfähigen Patienten und Patientinnen ist durch geeignete Maßnahmen auf Kosten des Rechtsträgers der gesperrten Krankenanstalt vorzusorgen.

(4) Maßnahmen nach Abs. 3 sind auch zu treffen, wenn die sanitäre Aufsichtsbehörde (§ 104) aus dem Grunde der sanitären Aufsicht die Weiterführung des Anstaltsbetriebes wegen wiederholter Verletzungen sanitärer Vorschriften oder wegen anders nicht zu behebender gesundheitlicher Missstände untersagt.

...

§ 32

Ärztlicher Dienst

(1) Der ärztliche Dienst darf in Krankenanstalten nur von Personen versehen werden, die nach den bundesrechtlichen Vorschriften über den ärztlichen Beruf zur Ausübung der in Betracht kommenden Tätigkeit berechtigt sind.

(2) Für jede Krankenanstalt ist ein fachlich geeigneter Arzt oder eine fachlich geeignete Ärztin zur verantwortlichen Leitung des ärztlichen Dienstes und für die mit der ärztlichen Behandlung zusammenhängenden Aufgaben zu bestellen. ... In Krankenanstalten, deren Größe dies erfordert, ist die Leitung des ärztlichen Dienstes hauptberuflich auszuüben. Der Leitung des ärztlichen Dienstes obliegt die Erteilung allgemeiner Weisungen über die Durchführung des ärztlichen Dienstes und ihre Überwachung, die Koordinierung der Tätigkeit des fachärztlichen Personals, die Sorge für die Einhaltung der Anstaltsordnung in ärztlichen Belangen und die Beratung des Rechtsträgers der Krankenanstalt in medizinischen Fragen der Krankenanstalt. ...

...

(8) Die Bestellung der Leitung des ärztlichen Dienstes oder der Leitung von Einrichtungen nach Abs. 3 bedarf zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung der Landesregierung. Die Genehmigung muss erteilt werden, wenn die zu bestellende Person die in Betracht kommenden Erfordernisse der Abs. 1 bis 3 und 7 erfüllt und die Bestellung einen ordnungsgemäßen Anstaltsbetrieb gewährleistet. Die Genehmigung ist bei Errichtung einer Krankenanstalt gleichzeitig mit der Bewilligung zum Betrieb und sonst vor Dienstantritt zu erteilen. Bei Pflegeanstalten für chronisch Kranke kann die Landesregierung vom Erfordernis der Bestellung der Leitung des ärztlichen Dienstes Nachsicht erteilen, wenn die Aufsicht durch einen Arzt oder eine Ärztin mit entsprechender Eignung gesichert ist. ...

...

§ 36

Ärztliche Behandlung

(1) Die unbedingt notwendige ärztliche (zahnärztliche) erste Hilfe darf in einer Krankenanstalt niemandem verweigert werden.

(2) Der ärztliche (zahnärztliche) Dienst muss so eingerichtet sein, dass folgende Anforderungen erfüllt werden:

a)In der Krankenanstalt muss ärztliche Hilfe jederzeit sofort erreichbar sein.

...

§ 104

Mitteilungen an die sanitäre Aufsichtsbehörde und die Bundesgesundheitsagentur

Alle aufgrund dieses Gesetzes erteilten Bewilligungen und Genehmigungen sowie deren Zurücknahme bzw. Widerruf sind der sanitären Aufsichtsbehörde und der Bundesgesundheitsagentur unverzüglich bekannt zu geben.

...“

17 3. Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage hinsichtlich des Verhältnisses einer krankenanstaltenrechtlichen Betriebsbewilligung zur sanitären Aufsicht zulässig.

18 4. Sie ist jedoch nicht begründet:

19 4.1. Vorauszuschicken ist, dass es sich bei der gegenständlichen Einrichtung unstrittig um eine Krankenanstalt, und zwar um eine Pflegeanstalt für chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besondere Pflege bedürfen, iSd. § 3 lit. c SpG (§ 2 Abs. 1 Z 3 KAKuG) handelt.

20 4.2.1. Das Verwaltungsgericht gründete, in Bestätigung des Bescheides der belangten Behörde, den Auftrag zur Beseitigung eines Missstandes auf eine Verletzung des Gebotes, dass ärztliche Hilfe in der Krankenanstalt jederzeit sofort erreichbar sein muss.

21 Gemäß § 61 KAKuG hat der Landeshauptmann, falls in einer Krankenanstalt sanitäre Vorschriften iSd. § 60 Abs. 1 KAKuG verletzt werden, dem Rechtsträger die eheste Beseitigung der Missstände mit Bescheid aufzutragen.

22 Gemäß § 60 Abs. 1 KAKuG haben die Bezirksverwaltungsbehörden die Einhaltung der sanitären Vorschriften, die aufgrund des Ersten Teils des KAKuG erlassen wurden, zu überwachen. Die sanitäre Aufsicht umfasst jedenfalls die Aufsicht der Einhaltung jener (grundsatzgesetzlichen) Bestimmungen des Ersten Teils des KAKuG sowie der dazu ergangenen Ausführungsgesetze der Länder, die der Verhütung von Gesundheitsbeschädigungen dienen sollen (vgl. VwGH 26.3.2015, Ro 2014/11/0011, unter Hinweis auf Stöger, Krankenanstaltenrecht (2008) 461).

23 4.2.2. Als derartige sanitäre Vorschrift ist jedenfalls § 36 Abs. 1 und 2 lit. a SpG anzusehen (siehe zu einer mit § 36 Abs. 1 SpG vergleichbaren Ausführungsbestimmung im Wiener Krankenanstaltengesetz 1987 abermals VwGH 26.3.2015, Ro 2014/11/0011).

24 Gemäß § 36 Abs. 1 SpG darf ‑ § 23 Abs. 1 KAKuG ausführend ‑ die unbedingt notwendige ärztliche erste Hilfe in einer Krankenanstalt niemandem verwehrt werden. Gemäß § 36 Abs. 2 lit. a SpG muss ‑ § 8 Abs. 1 Z 1 KAKuG ausführend ‑ der ärztliche Dienst so eingerichtet sein, dass in der Krankenanstalt ärztliche Hilfe jederzeit erreichbar ist.

25 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 31. Juli 2020, Ra 2020/11/0086, zu dem in Ausführung des § 8 Abs. 1 Z 1 KAKuG ergangenen § 31 Abs. 2 lit. a Kärntner Krankenanstaltenordnung 1999 ‑ K‑KAO hinsichtlich der erforderlichen ärztlichen Anwesenheit in einer Krankenanstalt mit dem Anstaltszweck eines selbständigen Ambulatoriums (dort: entwicklungsdiagnostisches/therapeutisches Ambulatorium) Folgendes ausgeführt:

„21§ 31 Abs. 2 K‑KAO (§ 8 Abs. 1 KAKuG) enthält Regelungen über den ärztlichen und zahnärztlichen Dienst in Krankenanstalten. Diese Regelungen betreffen die innere Organisation der Krankenanstalt und ihren laufenden Betrieb, während der von der Revision herangezogene § 15 Abs. 2 lit. d K‑KAO (§ 3b Abs. 1 Z 4 KAKuG), wonach neben der Namhaftmachung eines geeigneten Arztes als verantwortlicher Leiter des ärztlichen Dienstes glaubhaft gemacht werden muss, dass auch im übrigen die nach dem Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot erforderliche personelle Ausstattung gesichert sein wird, eine Voraussetzung für die Bewilligung zum Betrieb eines selbstständigen Ambulatoriums normiert.

22 Gemäß § 31 Abs. 2 lit. a K‑KAO (§ 8 Abs. 1 Z 1 KAKuG) muss der ärztliche Dienst so eingerichtet sein, dass ärztliche Hilfe in der Krankenanstalt jederzeit sofort erreichbar sein muss. Dies setzt die dauernde Anwesenheit eines nach den Vorschriften des Ärztegesetzes 1998 zur Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigten Arztes in der Krankenanstalt voraus (vgl. ‑ zum KAKuG [KAG‑Novelle 1996] ‑ RV 379 BlgNR 20. GP  22: „permanente Anwesenheit“; OGH 4.8.2009; 9 ObA 53/08x; VwGH 25.4.1988, 88/18/0035, zum Tiroler Krankenanstaltengesetz 1957, wonach ärztliche Hilfe, die erst durch Funk in die Anstalt herbeigerufen werden muss, nicht ausreicht; Kopetzki, Krankenanstaltenrecht, in Holoubek/Potacs, Öffentliches Wirtschaftsrecht I4 520 f; Stöger in GmundKomm § 8 KAKuG, Rn 1). Dieser Grundsatz gilt ‑ lege non distinguente ‑ für alle Krankenanstalten und daher auch für Krankenanstalten in der Betriebsform eines selbständigen Ambulatoriums (vgl. OGH 18.5.1999, 4 Ob 128/99y, zum Wiener Krankenanstaltengesetz 1987).

23 § 31 Abs. 2 lit. b bis e und h bis k K‑KAO (§ 8 Abs. 1 Z 2 bis 8 KAKuG) sieht nach der Versorgungsstufe der dort genannten Krankenanstalten differenzierende Sonderregelungen hinsichtlich der Einrichtung des ärztlichen Dienstes vor, die Ausnahmen vom Grundsatz der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt begründen. So kann nach § 31 Abs. 2 lit. e K‑KAO (§ 8 Abs. 1 Z 8 KAKuG) in Krankenanstalten in der Betriebsform selbständiger Ambulatorien für physikalische Therapie, in denen keine Turnusärzte ausgebildet werden, an Stelle einer dauernden ärztlichen Anwesenheit der ärztliche Dienst so organisiert sein, dass ärztliche Hilfe jederzeit erreichbar ist und durch regelmäßige tägliche Anwesenheit die erforderlichen ärztlichen Anordnungen für bzw. die erforderliche Aufsicht über das Personal nach näher genannten Gesundheitsberufegesetzen gewährleistet sind. Eine Ausnahme vom Grundsatz der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt für andere selbständige Ambulatorien als solche für physikalische Therapie enthält § 31 Abs. 2 K‑KAO (§ 8 Abs. 1 KAKuG) nicht.

24 Die Revision weist selbst darauf hin, dass der (Grundsatz‑)Gesetzgeber in Reaktion auf Kritik am Grundsatz der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt (vgl. RV 379 BlgNR 20. GP  22) mehrfach Ausnahmen von diesem Grundsatz erlassen und diese Ausnahmen in der Folge weiter adaptiert hat, wobei auch die Bestimmung betreffend die Einrichtung des ärztlichen Dienstes in Krankenanstalten in der Betriebsform selbständiger Ambulatorien für physikalische Therapie mehrfach geändert wurde (vgl. ‑ das Grundsatzgesetz betreffend ‑ die Novellen BGBl. Nr. 801/1993, BGBl. Nr. 751/1996, BGBl. I Nr. 80/2000, BGBl. I Nr. 35/2004, BGBl. I Nr. 3/2016). Weitere Arten selbständiger Ambulatorien wurden aus diesen Anlässen vom Grundsatz des § 8 Abs. 1 Z 1 KAKuG bzw. § 31 Abs. 2 lit. a K‑KAO allerdings nicht ausgenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass es dem Willen des (Grundsatz‑)Gesetzgebers entspricht, dass ‑ übereinstimmend mit dem Wortlaut des Gesetzes ‑ vom Grundsatz der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt abweichende Regelungen nur für selbständige Ambulatorien für physikalische Therapie, nicht aber auch für andere Arten selbständiger Ambulatorien bestehen.

25 Angesichts des klaren Wortlautes, der Systematik und der Entwicklung des § 31 Abs. 2 K‑KAO (§ 8 Abs. 1 KAKuG) liegen fallbezogen die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion (vgl. zu dieser etwa VwGH 28.2.2017, Ra 2017/11/0002; 27.7.2017, Ro 2017/07/0003; jeweils mwN) des Grundsatzes der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt um selbständige Ambulatorien der Art, wie sie von der Revisionswerberin betrieben werden, nicht vor.“

26 4.2.3. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass § 36 Abs. 2 lit. a SpG die dauernde ärztliche Anwesenheit ‑ lege non distinguente ‑ auch in einer Krankenanstalt mit dem Anstaltszweck einer Pflegeanstalt für chronisch Kranke, die ärztlicher Betreuung und besonderer Pflege bedürfen, wie sie von der Revisionswerberin betrieben wird, erfordert. Dies wird von der Revision auch gar nicht in Zweifel gezogen. Das Verwaltungsgericht ist daher auch zu Recht davon ausgegangen, dass ein sanitärer Missstand iSd. § 61 KAKuG vorliegt.

27 4.3. Die Revision macht jedoch geltend, eine ärztliche Anwesenheit im Umfang von lediglich 32 Wochenstunden sei von der Rechtskraft des Betriebsbewilligungsbescheides umfasst, selbst wenn dies mit der objektiven Rechtslage in Widerspruch stehe. Da seit der Betriebsbewilligung keine Rechtsänderung erfolgt sei, dürfe in deren Rechtskraft ohne entsprechende gesetzliche Grundlage nicht eingegriffen werden.

28 Dazu ist die Rechtslage hinsichtlich sanitärer Missstände in Krankenanstalten umfassend in den Blick zu nehmen:

29 4.3.1. Gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 1 B‑VG ist Bundessache die Gesetzgebung über die Grundsätze, Landessache die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung in den Angelegenheiten der „Heil‑ und Pflegeanstalten“. Zu diesem Kompetenztatbestand zählen ‑ im hier maßgeblichen Zusammenhang ‑ die Genehmigung der Errichtung und des Betriebes von Krankenanstalten (vgl. VfSlg. 1990/1950) und die Einschränkung und Zurücknahme solcher Genehmigungen (vgl. VfSlg. 5833/1968 hinsichtlich des Kurortewesens).

30 Auf diese Kompetenzgrundlage gestützt sieht § 12 Abs. 1 und 2 KAKuG (bzw. ‑ diesen ausführend ‑ § 26 Abs. 1 und 2 SpG) die Abänderung oder Zurücknahme der Errichtungs‑ und Betriebsbewilligung einer Krankenanstalt ua. dann vor, wenn eine für die Erteilung der jeweiligen Bewilligung vorgeschriebene Voraussetzung weggefallen ist oder ein ursprünglich bestandener und noch fortdauernder Mangel (nach § 26 Abs. 1 und 2 SpG: der die Verweigerung der Bewilligung gerechtfertigt hätte) nachträglich hervorkommt. Die Betriebsbewilligung kann überdies gemäß § 12 Abs. 3 KAKuG (bzw. ‑ diesen ausführend ‑ § 26 Abs. 3 SpG) zur Gänze oder hinsichtlich einzelner Organisationseinheiten abgeändert oder zurückgenommen werden, wenn andere schwerwiegende Mängel (nach § 26 Abs. 3 SpG: die die Verweigerung der Betriebsbewilligung gerechtfertigt hätten) trotz Aufforderung innerhalb einer angemessenen Frist nicht behoben werden.

31 Darüber hinaus sind ‑ als ultima ratio ‑ gemäß Art. 3 Abs. 7 KAKuG durch die Landesgesetzgebung nähere Vorschriften über die Sperre einer Krankenanstalt, die entgegen den grundsatzgesetzlichen Bestimmungen über die Errichtungs‑ und Betriebsbewilligung betrieben wird, zu erlassen. Ausführend sieht § 27 Abs. 1 und 2 SpG die Sperre einer Krankenanstalt oder einzelner Betriebsbereiche vor, die ohne die vorgeschriebene behördliche Bewilligung betrieben werden, oder wenn schwerwiegende Mängel bestehen, die einen ordnungsgemäßen Anstaltsbetrieb nicht gesichert erscheinen lassen.

32 Die Vollziehung dieser Bestimmungen ist Landessache (Art. 12 Abs. 1 B‑VG). Zuständig zur Abänderung und Zurücknahme der Bewilligungen bzw. Sperre der Krankenanstalten ist gemäß §§ 26 f SpG die Landesregierung. Gemäß § 104 SpG sind die Zurücknahme bzw. der Widerruf der auf Grund des SpG erteilten Bewilligungen und Genehmigungen der sanitären Aufsichtsbehörde unverzüglich bekanntzugeben.

33 4.3.2. Die sanitäre Aufsicht hinsichtlich der Heil‑ und Pflegeanstalten ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 12 B‑VG Bundesssache in Gesetzgebung und Vollziehung. Auf diese Kompetenzgrundlage stützen sich die ‑ unmittelbar anwendbares Bundesrecht darstellenden ‑ §§ 60 f KAKuG (vgl. VwGH 26.3.2015, Ro 2014/11/0011). Werden in einer Krankenanstalt sanitäre Vorschriften im Sinne des § 60 Abs. 1 ‑ das sind jedenfalls die zum Ersten Teil des KAKuG ergangenen Ausführungsgesetze der Länder, die der Verhütung von Gesundheitsbeschädigungen dienen sollen (siehe oben Rn. 22 unter Hinweis auf VwGH Ro 2014/11/0011) ‑ verletzt, so ist gemäß § 61 KAKuG dem Rechtsträger die eheste Beseitigung der Missstände mit Bescheid aufzutragen. Im Wiederholungsfall sowie dann, wenn derartige anders nicht zu behebende gesundheitliche Missstände vorliegen, dass die Krankenanstalt den Anforderungen der Gesundheitspflege nicht mehr entspricht, kann die teilweise oder gänzliche Weiterführung des Betriebes einer Krankenanstalt untersagt werden (sog. sanitätsbehördliche Sperre).

34 An eine solche (sanitätsbehördliche) Sperre anknüpfend sieht § 27 Abs. 4 SpG spitalsrechtliche Regelungen hinsichtlich der betroffenen Patienten vor.

35 Die in Ausübung des sanitären Aufsichtsrechts gesetzten Akten stellen „echte Akte der Vollziehung“ dar (vgl. VfSlg. 1990/1950). Die Vollziehung ist Bundessache. Mangels Nennung der sanitären Aufsicht in Art. 102 Abs. 2 B‑VG üben die Vollziehung des Bundes im Bereich der Länder der Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden aus (mittelbare Bundesverwaltung). Zuständig zur Erlassung aufsichtsbehördlicher Maßnahmen gemäß § 61 KAKuG ist der Landeshauptmann.

36 4.3.3. Es zeigt sich, dass als Reaktion auf bestimmte sanitäre Mängel und Missstände in Krankenanstalten das krankenanstaltenrechtliche Bewilligungsrecht einerseits und das sanitätsbehördliche Aufsichtsrecht andererseits ‑ bei Anwendung desselben Beurteilungsmaßstabes (die in § 61 KAKuG verwiesenen sanitären Vorschriften der landesgesetzlichen Ausführungsgesetze) ‑ unterschiedliche Rechtsfolgen vorsehen. Diese haben einmal ‑ unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung der Bewilligungsvoraussetzungen ‑ die Einschränkung bzw. Zurücknahme der Errichtungs‑ und Betriebsbewilligung zum Gegenstand, das andere Mal ‑ unter dem Gesichtspunkt der sanitären Aufsicht, also der Verhütung von Gesundheitsbeschädigungen ‑ die Beseitigung eines sanitären Missstandes im Anstaltsbetrieb. Bewilligungsrechtliche und aufsichtsrechtliche Maßnahmen können der Sache nach ergänzend, oder aber (wie bei der Einstellung des Betriebes der Krankenanstalt) überschneidend sein (vgl. auf die unterschiedlichen Zielsetzungen der beiden Regelungskomplexe abstellend Stöger/Szüsz, Rechtliche Aspekte der Qualitätssicherung in Krankenanstalten, in Fischer/Tragl (Hrsg), Qualitätssicherung in der Medizin (2000) 127, 136).

37 4.3.4. Eine solche Überschneidung bewilligungsrechtlicher und aufsichtsbehördlicher Tatbestände liegt auch im vorliegenden Fall vor. Einerseits stellt die Anforderung der jederzeitigen und sofortigen Erreichbarkeit ärztlicher Hilfe gemäß § 36 Abs. 2 lit. a SpG (§ 8 Abs. 1 Z 1 KAKuG), wie ausgeführt (Rn. 26), eine sanitäre Vorschrift iSd. § 60 Abs. 1 KAKuG dar, deren Verletzung die Ergreifung der aufsichtsbehördlichen Maßnahmen des § 61 KAKuG ermöglicht. Andererseits zählt der zeitliche Umfang der ärztlichen Anwesenheit in der Krankenanstalt zur erforderlichen personellen (ärztlichen) Ausstattung, welche gemäß § 23 Abs. 3 lit. g SpG (§ 3 Abs. 4 lit. e KAKuG) eine Voraussetzung für die Erteilung der Betriebsbewilligung darstellt (vgl. Füszl, Behördliche Krankenhauseinschau und sanitäre Aufsicht. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, in Mitteilungen der Sanitätsverwaltung 3/2001, 21, 23; allgemein bei „unzureichender Ausstattung“ Stöger, aaO 555).

38 4.4. Im Revisionsverfahren geht es im Verhältnis dieser beiden Regelungskomplexe um die Frage, ob auf Grundlage des § 61 KAKuG ein Auftrag zur Beseitigung eines festgestellten sanitären Missstandes als aufsichtsrechtliche Maßnahme jedenfalls ‑ unabhängig vom Inhalt einer Bewilligung ‑ erteilt werden kann.

39 Eine solche Möglichkeit ist in der sanitären Aufsicht, wie sie auf der Grundlage des Art. 10 Abs. 1 Z 12 B‑VG in den §§ 60 f. KAKuG ausgestaltet ist, dem Grunde nach angelegt. Sie ergibt sich zwangsläufig daraus, dass Gegenstand der Aufsicht die Einhaltung von landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen des Ersten Teils des KAKuG ist, welche auch Rechtsgrundlage der Erteilung der Errichtungs‑ und Betriebsbewilligung sind (vgl. VfSlg. 1990/1950 und 5833/1968, wonach die sanitäre Aufsicht gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 12 B‑VG den Bestand eines ‑ bewilligten ‑ Beziehungsobjektes voraussetzt, dessen Tätigkeit oder Zustand den Gegenstand der Beaufsichtigung bildet). Die „sanitäre Aufsicht“ iSd. Art. 10 Abs. 1 Z 12 B‑VG ist aber keine Aufsicht des Bundes über die Vollziehung der landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen des Ersten Teiles des KAKuG durch die Landesbehörden, sondern eine Aufsicht über die Rechtsträger der Krankenanstalten (vgl. RV 164 BlgNR 8. GP  19; vgl. auch VfSlg. 5833/1968, wonach unter sanitärer Aufsicht eine behördliche Überwachungstätigkeit zu verstehen ist, deren Ziel darin liegt, die Einhaltung der sanitären Vorschriften „durch die Normadressaten“ zu sichern).

40 Vor diesem Hintergrund steht die Rechtskraft einer Errichtungs‑ oder Betriebsbewilligung, welche auf Grundlage der landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen des Ersten Teils des KAKuG erteilt wird, einer aufsichtsbehördlichen Maßnahme zur Beseitigung eines sanitären Missstandes nicht entgegen. Schon bei Bewilligungserteilung steht nämlich fest, dass nachträglich aus Gründen der sanitären Aufsicht „Zusätzliches“ oder „Abweichendes“ aufgetragen werden kann, ohne dass dadurch in die Bewilligung eingegriffen würde.

41 4.5. Im Revisionsverfahren ist die Verletzung des sich aus § 36 Abs. 2 lit. a SpG ergebenden Erfordernisses der dauernden ärztlichen Anwesenheit in der gegenständlichen Krankenanstalt unstrittig geblieben. Angesichts dessen hat das Verwaltungsgericht den sanitätsbehördlichen Auftrag zur Beseitigung dieses Missstandes zu Recht bestätigt.

42 Bei diesem Ergebnis kann die Frage, ob die ärztliche Anwesenheit im Ausmaß von nur 32 Wochenstunden von der Rechtskraft des Betriebsbewilligungsbescheides der gegenständlichen Krankenanstalt überhaupt erfasst ist, was das Verwaltungsgericht verneinte, dahinstehen.

43 5. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 4. Mai 2023

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