Normen
FSG 1997 §25 Abs3
FSG 1997 §26 Abs1
FSG 1997 §26 Abs2
FSG 1997 §26 Abs2 Z4
StVO 1960 §99 Abs1a
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022110107.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit (Vorstellungs‑)Bescheid vom 14. September 2021 entzog die nunmehrige Revisionswerberin dem Mitbeteiligten gemäß § 7 Abs. 3 und 4, § 24 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3, § 25 Abs. 1, § 26 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 Z 4 FSG die Lenkberechtigung für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab Abnahme des Führerscheins am 20. Juni 2021, ordnete eine Nachschulung für alkoholauffällige Lenker an und schloss die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid aus.
2 Die Revisionswerberin legte dem Bescheid zu Grunde, der Mitbeteiligte habe einen PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft von 0,6 mg/l) gelenkt und dadurch § 99 Abs. 1a StVO 1960 übertreten. Dabei habe er einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und „Fahrerflucht“ begangen, was durch eine rechtskräftige Verwaltungsstrafe erwiesen sei. Die Mindestentziehungsdauer von vier Monaten (gemeint: des § 26 Abs. 2 Z 4 FSG) sei auf Grund des verursachten Verkehrsunfalls „in analoger Anwendung des § 26 Abs. 1 Z 2 FSG“ um zwei Monate erhöht worden, was auch unter Berücksichtigung der „Fahrerflucht“ ausreichend sei.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Burgenland der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung dahingehend statt, dass die Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab Führerscheinabnahme, somit von 20. Juni bis 20. Oktober 2021, „gegolten hat“, und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Das Verwaltungsgericht stellte die Begehung des Alkoholdelikts fest, weswegen der Mitbeteiligte mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 27. April 2022 rechtskräftig gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 bestraft worden sei. Die Voraussetzungen für eine längere als die viermonatige Mindestentziehungsdauer gemäß § 26 Abs. 2 Z 4 FSG seien im vorliegenden Fall „nicht gegeben“, sodass die Entziehungsdauer auf das Mindestmaß zu reduzieren gewesen sei. Die Anordnung der Nachschulung sei bei einer Übertretung des § 99 Abs. 1a StVO 1960 iVm. § 24 Abs. 3 FSG zwingend vorgesehen und daher zu bestätigen gewesen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision allein maßgebenden Zulässigkeitsbegründung wird vorgebracht, bei der Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 werde die (fixe) Entziehungsdauer von einem Monat (§ 26 Abs. 1 erster Satz FSG) bei Verschulden eines Verkehrsunfalls gesetzlich auf eine Mindestentziehungsdauer von drei Monaten verlängert (§ 26 Abs. 1 Z 2 FSG). Wenn der Gesetzgeber schon bei der Entziehung wegen einer geringeren Alkoholisierung die Entziehungsdauer bei Verschulden eines Verkehrsunfalls um zwei Monate verlängere, sei diese Wertung „auf Grund eines Größenschlusses“ auch bei „höhergradigen Alkoholdelikten“ anzuwenden. § 26 Abs. 1 Z 2 FSG sei daher „analog auch auf § 26 Abs. 2 FSG“ anzuwenden. Dies entspreche auch der gängigen Vollzugspraxis der erstinstanzlichen Führerscheinbehörden. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage einer solchen „analogen Anwendung“.
10 Damit wird eine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht aufgezeigt:
11 Das Revisionsvorbringen läuft darauf hinaus, dass bei Verschulden eines Verkehrsunfalls bei erstmaliger Begehung eines Deliktes gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 die gemäß § 26 Abs. 2 Z 4 FSG festzusetzende Entziehungsdauer infolge der für geboten erachteten Analogie in jedem Fall um zwei Monate zu verlängern wäre, also mindestens sechs Monate betragen müsste.
12 Eine solche Auffassung steht allerdings in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach welcher die in § 26 Abs. 1 und 2 FSG normierten Mindestentziehungszeiten dem Ausspruch einer Entziehung für einen längeren Zeitraum dann nicht entgegenstehen, wenn Umstände vorliegen, die auf Grund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über die Mindestentziehungszeit hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen. Die Festsetzung einer über die jeweilige Mindestzeit nach § 26 FSG hinausreichenden Entziehungsdauer hat nach der allgemeinen Regel des § 25 Abs. 3 FSG zu erfolgen, d.h. die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht darf über eine solche Mindestentziehungszeit nur insoweit hinausgehen, als der Betreffende für einen die Mindestentziehungsdauer überschreitenden Zeitraum verkehrsunzuverlässig ist (vgl. VwGH 17.3.2022, Ra 2021/11/0059, mwN).
13 Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es bei der Verkehrsunzuverlässigkeitsprognose zu Lasten des Betreffenden berücksichtigt werden und das Überschreiten der Mindestentziehungsdauer rechtfertigen kann, wenn dieser zusätzlich zur Begehung eines Alkoholdeliktes auch einen Verkehrsunfall verschuldet hat (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/11/0203, mwN, ebenfalls zu einem Alkoholdelikt gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960). Dass es in einem solchen Fall zwingend ‑ dh. unabhängig von einer Wertung des konkreten Falles ‑ zu einer Verlängerung der Mindestentziehungsdauer um zwei Monate kommen müsse, ergibt sich aus dieser Rechtsprechung aber nicht.
14 Es besteht demnach bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Festsetzung der Entziehungsdauer in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Lenker bei Begehung eines Deliktes nach § 99 Abs. 1a StVO 1960 einen Verkehrsunfall verschuldet. Von dieser Rechtsprechung abzugehen sieht der Verwaltungsgerichtshof auf Grund des Revisionsvorbringens keinen Anlass.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 11. Juli 2022
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