VwGH Ra 2022/11/0019

VwGHRa 2022/11/001926.3.2024

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Janitsch, über die Revision des T A, vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 23. November 2021, Zl. LVwG‑652208/17/MS, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und begleitende Maßnahmen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Perg), den Beschluss gefasst:

Normen

FSG 1997 §26 Abs1
StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §99 Abs1b

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022110019.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Mandatsbescheid vom 2. Juni 2021 entzog die belangte Behörde dem Revisionswerber wegen einer Übertretung des § 99 Abs. 1b iVm. § 5 Abs. 1 StVO 1960 gemäß § 26 Abs. 1 FSG die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat (gerechnet ab dem Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheins) unter gleichzeitiger Anordnung näher bezeichneter begleitender Maßnahmen.

2 In Erledigung der dagegen erhobenen Vorstellung bestätigte die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. Juli 2021 den Mandatsbescheid und erkannte einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.

3 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a VwGG aus, dass eine ordentliche Revision unzulässig sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe am 24. Mai 2021 während einer Kontrolle wegen auffälligen Fahrverhaltens fehlende bzw. träge Pupillenreaktionen gezeigt. Nach einem positiven THC‑Drogentest habe er angegeben, ein- oder zweimal an einem Joint gezogen zu haben. Bei der anschließenden ärztlichen Untersuchung samt Blutabnahme habe er vorgebracht, zwei Tage zuvor THC konsumiert zu haben; über die Häufigkeit und seit wann er konsumiere, habe er keine Angaben machen wollen. Die Polizeiärztin habe bei diversen Untersuchungen folgende Abweichungen festgestellt:

„- Feines Zittern bei geschlossenen Augen

- Skleren gerötet, wässrig glänzend

- Pupillengröße ‑ stark erweitert

- paradoxe Lichtreaktion (Auslenknystagmus)

- mehrmaliges Nachfragen beim Geh- und Drehtest

- unsicher, zittrig beim Finger‑Finger‑Test (trifft zweimal nicht)

- einmal die Nase nicht getroffen beim Finger‑Nase‑Test

- um drei Sekunden kürzer beim Romberg‑Test

- präpotentes Verhalten“

Vor diesem Hintergrund habe sie den Revisionswerber wegen Suchtgiftbeeinträchtigung für fahrunfähig befunden. Das chemisch‑toxikologische Gutachten vom 7. Juni 2021 habe eine sehr niedrige THC‑Konzentration im Blut des Revisionswerbers ergeben. Bei dieser Konzentration sei das Vorliegen von straßenverkehrsrelevanten Beeinträchtigungen als nicht „regelhaft erwartbar, aber auch nicht ausschließbar“ zu beurteilen, wobei dies u.a. vom individuellen Ausmaß an Substanztoleranz mitbestimmt werde. Aufgrund der Blutanalyse und der Ergebnisse der klinischen Untersuchung sei eine Beeinträchtigung des Revisionswerbers durch Cannabis im Zeitpunkt des Lenkens eines Fahrzeuges jedoch vorgelegen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattete, die Revision kostenpflichtig zurück- bzw. abzuweisen.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision macht in ihrer Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den Beweisantrag auf Einholung eines chemisch-toxikologischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der Revisionswerber sein Fahrzeug nicht in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, abgelehnt. Ein toxikologisches Gutachten hätte gezeigt, dass die THC‑Konzentration im Blut des Revisionswerbers gemäß der unbestrittenen Blutanalyse keine straßenverkehrsrelevante Beeinträchtigung verursacht habe.

10 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

11 Nach § 5 Abs. 1 erster Satz StVO 1960 darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet.

12 Nach der hg. Rechtsprechung liegt die Bedeutung der klinischen Untersuchung in der Feststellung, ob der Lenker fahrtüchtig ist. Durch die klinische Untersuchung kann die Beeinträchtigung, die auf eine Suchtgifteinnahme schließen lässt, festgestellt werden. Ob die Beeinträchtigung des Lenkers auf Alkohol oder Suchtgift zurückzuführen ist oder eine sonstige Fahruntüchtigkeit gemäß § 58 Abs. 1 StVO 1960 vorliegt (etwa wegen Übermüdung), ist ‑ abgesehen von den Fällen der Verweigerung ‑ anhand der Blutuntersuchung festzustellen (vgl. etwa VwGH 11.11.2019, Ra 2019/02/0167, mwN).

13 Ein Grenzwert, bei dem jedenfalls eine zur Fahruntauglichkeit führende Beeinträchtigung durch Suchtgift anzunehmen ist (wie dies bei der Frage der Beeinträchtigung durch Alkohol der Fall ist), oder eine Ausnahme für Suchtgifte, bei denen keine Beeinträchtigung iSd § 5 Abs. 1 StVO 1960 anzunehmen ist, wurde vom Gesetzgeber nicht festgelegt (vgl. VwGH 4.7.2022, Ra 2021/02/0247, Rn. 19, mwN).

14 Werden neben dem sich aus einer Blutuntersuchung ergebenden Konsum von potentiell beeinträchtigenden Substanzen im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 weitere mögliche Ursachen für die im Rahmen der klinischen Untersuchung festgestellte Fahruntüchtigkeit ausgeschlossen, so ist zu klären, ob der Konsum für sich genommen zu einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit zum Zeitpunkt des Lenkens geführt hat. Dies gilt auch dann, wenn die festgestellte Suchtgiftkonzentration im Blut des Probanden im niedrigen Bereich gelegen ist, zumal für eine unterschiedliche Behandlung einer Beeinträchtigung durch Suchtgift und einer Beeinträchtigung durch Alkohol ‑ welche unabhängig von der Höhe des Alkoholgehaltes des Blutes bzw. der Atemluft vorliegen kann ‑ kein Anlass besteht (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 24.10.2022, Ra 2022/02/0164, mwN).

15 Im Revisionsfall wurde im chemisch-toxikologischen Gutachten vom 7. Juni 2021 nicht abschließend beantwortet, ob die Fahrtüchtigkeit des Revisionswerbers zum Zeitpunkt des Lenkens durch die festgestellte THC‑Konzentration in seinem Blut beeinträchtigt war. Das Verwaltungsgericht stützte sich aber beweiswürdigend darauf, dass das amtsärztliche Gutachten auf einer ausführlichen Untersuchung und Anamnese basiere, in der die Amtsärztin typische suchtgiftbedingte Symptome festgestellt habe. Diese seien ‑ anders als eine vom Revisionswerber beantragte neuerliche toxikologische Blutanalyse ‑ auch geeignet, Aufschluss über das Ausmaß an individueller Substanztoleranz zu geben. Andere mögliche Ursachen für die Fahruntauglichkeit seien von der in der mündlichen Verhandlung befragten Amtsärztin ausgeschlossen worden. Eine korrekte Einschätzung sei einer bei der Polizei eingesetzten Amtsärztin aufgrund ihrer Expertise und Berufserfahrung auch zuzutrauen. Diese Feststellungen stünden auch im Einklang mit den Eindrücken des in der mündlichen Verhandlung befragten Polizeibeamten, der bei der damaligen Amtshandlung anwesend gewesen sei.

16 Angesichts dieser ‑ vom Revisionswerber nicht weiter bestrittenen ‑ Ausführungen und der bereits im behördlichen Verfahren eingeholten ergänzenden amtsärztlichen Stellungnahme sowie der Einvernahme der Amtsärztin in der mündlichen Verhandlung ist nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Beurteilung, der Revisionswerber habe den Tatbestand des § 99 Abs. 1b StVO 1960 verwirklicht, von der hg. Judikatur (vgl. abermals VwGH 24.10.2022, Ra 2022/02/0164, mwN) abgewichen wäre.

17 Auch mit seiner Abstandnahme von der Einholung eines (weiteren) toxikologischen Gutachtens (zur Ablehnung von Beweisanträgen vgl. anstatt vieler VwGH 16.2.2023, Ra 2020/11/0081, mwN) und dem Hinweis darauf, dass der Revisionswerber dem chemisch-toxikologischen Gutachten vom 7. Juni 2021 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei (vgl. zu dieser Notwendigkeit etwa VwGH 17.5.2022, Ra 2022/11/0068, mwN), ist das Verwaltungsgericht nicht von der hg. Rechtsprechung abgewichen.

18 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

19 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG iVm. der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. März 2024

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