European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090056.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen angefochtenen Erkenntnis wurden über den Revisionswerber wegen zweier Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) zwei Geldstrafen von je 2.000 Euro verhängt, weil er es als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ einer namentlich genannten Kommanditgesellschaft zu verantworten habe, dass diese als Arbeitgeberin zwei näher bezeichnete Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina von 1. bzw. 2. bis zur Kontrolle der Finanzpolizei am 4. Oktober 2019 um 10:30 Uhr beim Anbringen von Vollwärmeschutz samt Verspachteln und Verputzen beschäftigt habe, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.
Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Landesverwaltungsgericht Kärnten für nicht zulässig.
2 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 28. Februar 2022, E 1554‑1555/2021‑6, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag nach § 87 Abs. 3 VfGG mit Beschluss vom 31. März 2022 gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
3 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Unter diesem Gesichtspunkt sieht der Revisionswerber die grundsätzliche Rechtsfrage seiner ‑ in der nach § 26 Abs. 4 VwGG eröffneten Frist erhobenen ‑ außerordentlichen Revision zusammengefasst darin gelegen, dass es sich bei den beiden Ausländern um Inhaber selbständiger slowenischer Einzelunternehmen handle, die auch eine Dienstleistungsanzeige erstattet hätten, sodass in der Beurteilung der Ausländer als Arbeitnehmer ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV erblickt wird.
6 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, ist doch der bloß formale Umstand, dass ein Ausländer im Besitz einer Gewerbeberechtigung ist, oder eine Dienstleistungsanzeige nach § 373a GewO erstattet hat, für die Beurteilung einer sachverhaltsmäßig festgestellten Tätigkeit dahingehend, ob eine Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorliegt oder nicht, nicht maßgeblich (vgl. etwa bereits VwGH 20.11.2008, 2008/09/0174; 24.3.2009, 2009/09/0039; 15.5.2009, 2009/09/0094; je mwN). Auf die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV können sich die Ausländer jedoch nur bei einer selbständigen Tätigkeit berufen; Arbeitnehmerfreizügigkeit bestand für sie im vorliegenden Fall nicht.
7 Wenn nun das Landesverwaltungsgericht unter ausführlicher Darlegung seiner Beweiswürdigung ausgehend von den wesentlichen Feststellungen, dass Gegenstand der Tätigkeit nach bearbeiteten Quadratmetern abgerechnete Fassaden- und Malerarbeiten waren, wobei das Entgelt auf die beiden Ausländer, die seit Jahren ausschließlich für den Revisionswerber tätig sind, keine anderen Auftraggeber haben und auch nicht werbend am Markt auftreten, je zur Hälfte aufgeteilt wurde, Material und Gerüst vom Revisionswerber gestellt wurden und die Ausländer gemeinsam mit (weiteren) Dienstnehmern des Revisionswerbers, mit welchen sie gemeinsam Arbeiten verrichteten, im Fahrzeug seines Unternehmens auf die Baustelle fuhren und nach seinen Anweisungen persönlich tätig zu werden hatten sowie auch bei der Arbeitszeit an dessen Vorgaben gebunden waren, von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG ausging, stellt dies eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, die im Regelfall nicht revisibel ist (vgl. VwGH 28.12.2008, Ra 2018/11/0030, zur Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft im Hinblick auf eine Übertretung des Arbeitsvertragsrechts‑Anpassungsgesetzes). Weder werden in der Revision die Feststellungen wirksam bekämpft, noch eine Unvertretbarkeit der Beurteilung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht in diesem Punkt aufgezeigt.
8 Wesentlich ist jedoch auch unter dem europarechtlichen Aspekt die Unterscheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit im konkreten Fall. Die vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten Merkmale selbständiger Tätigkeit entsprechen dabei im Wesentlichen der Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit im Sinn des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, wie dies auch der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach betont hat. Die Frage der Abgrenzung selbständiger von unselbständiger Tätigkeit erweist sich damit als ausreichend geklärt, sodass weder für das Landesverwaltungsgericht noch nun im Revisionsverfahren ein Anlass gegeben war, diesbezüglich ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu stellen (siehe zum Ganzen auch VwGH 25.1.2013, 2010/09/0168, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie des Verwaltungsgerichtshofes; vgl. zur fehlenden Vorlagepflicht eines Landesverwaltungsgerichts überdies VwGH 29.7.2021, Ra 2020/12/0002, mwN; ebenso OGH 25.1.2022, 1 Ob 194/21t).
9 Die Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 17. August 2022
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