Normen
ParkabgabeG OÖ §6
ParkgebührenV Linz 1989 §5 Abs1
ParkgebührenV Linz 1989 §5 Abs2
VStG §22
VStG §22 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021160061.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 29. Juni 2020 erkannte der revisionswerbende Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz den Mitbeteiligten der Verwaltungsübertretung nach § 6 Abs. 1 lit. a des Oö. Parkgebührengesetzes schuldig, verhängte über ihn eine Geldstrafe von 55 € (Ersatzfreiheitsstrafe 44 Stunden) und verpflichtete ihn zur Zahlung eines Beitrages von 10 € zu den Kosten des Strafverfahrens.
2 Der Mitbeteiligte habe am 16. November 2019 von 10:01 bis 10:15 Uhr in Linz, F.straße vor dem Haus Nr. xx ein näher beschriebenes Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein abgestellt und sei damit der Verpflichtung zur Entrichtung der Parkgebühr nicht nachgekommen. Bei der Strafbemessung berücksichtigte der Bürgermeister u.a., dass bereits zehn „verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen in Bezug auf Übertretungen nach dem Oö. Parkgebührengesetz“ vorlägen.
3 Dagegen brachte der Mitbeteiligte eine Beschwerde ein, worin er vorbrachte, er habe an einem Samstag in einem Bereich geparkt, welcher durch eine „Verkehrstafel mit Halte und Parkverbot montags bis Freitag von 8 bis 18 Uhr 30“ begrenzt und nicht als Kurzparkzone „(nur am Samstagvormittag)“ erkennbar sei.
4 Mit dem Erkenntnis vom 24. September 2020 hob das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) das bekämpfte Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz auf, stellte das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Mitbeteiligten gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 3 VStG ein und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
5 Mit hg. Erkenntnis VwGH 25.3.2021, Ra 2020/16/0165‑5, wurde dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ‑ nach Erhebung einer Amtsrevision ‑ wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
6 Hierbei begründete der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen:
„Die im Revisionsfall in Rede stehende Übertretung des § 6 des Oö. Parkgebührengesetzes war jedenfalls bereits beendet und der Erfolg der Verkürzung war bereits eingetreten. Es mag zwar eine Entrichtung der geschuldeten Parkgebühr auch nach Deliktsbeendigung noch möglich sein, den Zustand einer fristgerechten Gebührenentrichtung könnten die in § 33a VStG vorgesehenen Maßnahmen nicht mehr erreichen. Solcherart kommt die Anwendung des § 33a VStG für die Übertretung nach § 6 Abs. 1 lit. a des Oö. Parkgebührengesetzes nicht in Betracht, weshalb das Landesverwaltungsgericht die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG nicht auf ein sich aus § 33a Abs. 2 VStG ergebendes Verfolgungshindernis stützen durfte. Im Übrigen erweist sich die vom Landesverwaltungsgericht vorgenommene Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nach § 45 Abs. 1 Z 3 VStG auch deshalb als unzutreffend, weil das vom Landesverwaltungsgericht gesehene Verfolgungshindernis so lange nicht vorläge, als die in § 33a Abs. 1 VStG vorgesehene Maßnahme einer schriftlichen Aufforderung, innerhalb einer bestimmten Frist den den Verwaltungsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen, nicht gesetzt wird (vgl. auch Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11, Rz 1150/3).“
7 Mit dem gegenständlich angefochtenen Erkenntnis vom 15. April 2021 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde im fortgesetzten Verfahren insoweit statt, als es die verhängte Geldstrafe auf 30 € sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 20 Stunden herabsetzte und aussprach, dass der Mitbeteiligte keinen Verfahrenskostenbeitrag zu leisten habe. Zudem erklärte es eine ordentliche Revision für unzulässig.
8 Das Verwaltungsgericht begründete, dass es im fortzusetzenden Verfahren an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes gebunden sei, selbst wenn eine solche ‑ keineswegs zwingende ‑ Auslegung zu dem (dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufenden) Ergebnis führe, dass ein von der Behörde rechtswidrig unterlassenes Vorgehen nach § 33a VStG im Beschwerdeverfahren ‑ entgegen dem sonst tragenden Grundsatz, dass behördliche Verfahrensfehler stets durch eine mängelfreie Prozessführung des Verwaltungsgerichtes zu sanieren seien (Verweis auf nähere hg. Judikatur) ‑ seitens des Verwaltungsgerichtes nicht mehr substituiert werden könne. Vielmehr lasse sich ein solcher Rechtsmangel lediglich im Zuge der Strafbemessung und auch insoweit nur berücksichtigen, wenn ein über einen längeren Zeitraum währendes rechtswidriges Verhalten, wie z.B. ein Dauerdelikt oder ein fortgesetztes Delikt vorliege.
9 Letzteres liege gegenständlich insofern vor, als der Mitbeteiligte einerseits am 19. Oktober 2019 und andererseits (wie im vorliegenden Fall) am 16. November 2019 ‑ und damit innerhalb eines kurzen Zeitraumes von vier Wochen(enden) ‑ sein mehrspuriges Kraftfahrzeug am selben Ort in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone jeweils deshalb ohne Entrichtung einer Parkgebühr abgestellt habe, weil er irrigerweise davon ausgegangen sei, dass an Samstagvormittagen in einem Halteverbot die Gebührenpflicht schon von vornherein nicht zum Tragen komme (mit Verweis auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zum fortgesetzten Delikt). Vor diesem Hintergrund sowie unter der Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer und des Umstandes, dass die bisherige Unbescholtenheit des Mitbeteiligten als mildernd zu berücksichtigten gewesen sei, finde das Verwaltungsgericht als in gleicher Weise tat- und schuldangemessen, die verhängte Geldstrafe auf 30 € und davon ausgehend die Ersatzfreiheitsstrafe auf 20 Stunden herabzusetzen.
10 Die dagegen vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz erhobene Amtsrevision legte das Verwaltungsgericht unter Anschluss von Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
11 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); eine Revisionsbeantwortung langte nicht ein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, dass das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindungswirkung von höchstgerichtlichen Entscheidungen abweiche, weil es der Meinung gewesen sei, im Wege der Strafbemessung durch massive Herabsetzung der Geldstrafe auf 30 € ‑ und damit sogar unter den Strafbetrag einer Organstrafverfügung bzw. mehr als Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe ‑ eine seiner Ansicht nach rechtlich mangelhaften Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes entgegentreten zu müssen. Gegenständlich sei weder ein Dauerdelikt noch ein fortgesetztes Delikt vorgelegen, weil die Gebührenpflicht jeden gebührenpflichtigen Tag auf das Neue beginne.
13 Auch liege iZm der Strafbemessung eine Ermessensüberschreitung vor, weil das Verwaltungsgericht in unvertretbarer Weise eine überlange Verfahrensdauer ‑ sohin entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ einen Milderungsgrund annehme. Zudem gehe das Verwaltungsgericht ‑ in aktenwidriger Weise ‑ von der Unbescholtenheit des Mitbeteiligten aus und weiche daher von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es die vorliegenden Vorstrafen nicht als Erschwerungsgrund ansehe.
14 Die Revision ist zulässig und begründet.
15 Zunächst geht das Verwaltungsgericht im gegenständlich fortgesetzten Verfahren davon aus, dass die Übertretung des § 6 Oö. Parkgebührengesetz ein fortgesetztes Delikt darstelle und daher bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sei.
16 Ein fortgesetztes Delikt liegt vor, wenn eine Reihe von rechtswidrigen Einzelhandlungen aufgrund der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit zusammentreten (vgl. VwGH 14.9.2020, Ra 2020/02/0103).
17 Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seiner aufhebenden Entscheidung zu Ra 2020/16/0165 ‑ wie bereits oben wiedergegeben ‑ fest, dass die Übertretung nach § 6 Oö. Parkgebührengesetz ‑ nämlich die Verkürzung der Parkgebühr ‑ beendet ist, wenn die nach der Parkgebührenverordnung zu entrichtende Gebühr nicht zum Fälligkeitszeitpunkt und nach den Vorschriften des § 5 Abs. 2 der Parkgebührenverordnung entrichtet wird.
18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei Übertretungen von Gesetzen der Parkraumbewirtschaftung ein fortgesetztes Delikt nicht in Frage (VwGH 26.4.1996, 95/17/0765 bis 0786, und VwGH 28.11.2001, 2001/17/0160). Es genügt daher insofern auf diese Erkenntnisse gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hinzuweisen.
19 Ein vom Verwaltungsgericht aus der Annahme eines fortgesetzten Delikts abgeleiteter Milderungsgrund für die Strafbemessung nach § 19 VStG liegt nicht vor. Wären alle Voraussetzungen eines fortgesetzten Deliktes vorgelegen, hätte dies übrigens zur Folge gehabt, dass an Stelle mehrerer Strafen nur eine Strafe hätte verhängt werden dürfen (vgl. etwa VwGH 24.4.2018, Ra 2017/10/0203) und nicht zwei Strafen herabzusetzen gewesen wären.
20 Die vom Verwaltungsgericht als Milderungsgrund angenommene überlange Verfahrensdauer blieb begründungslos und ist auch angesichts des im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Verfahrensganges nicht ersichtlich (vgl. etwa VwGH 22.7.2014, Ra 2014/11/0011).
21 Schließlich liegt auch eine Aktenwidrigkeit vor, wenn das Verwaltungsgericht dem angefochtenen Erkenntnis die Unbescholtenheit des Mitbeteiligten zu Grunde legte. Die revisionswerbende Behörde ging im Straferkenntnis vom 29. Juni 2020 ausdrücklich davon aus, dass der Mitbeteiligte bereits zehn verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen in Bezug auf Übertretungen nach dem Oö. Parkgebührengesetz aufgewiesen habe, und der Mitbeteiligte selbst spricht in seiner Rechtfertigung vom 15. Juni 2020 von fünf Strafverfügungen.
22 Das Verwaltungsgericht nahm in seiner Begründung auf diesen Umstand nicht Bezug, stellte dazu keine weiteren Ermittlungen an und ging trotz der oben dargestellten Hinweise ohne jegliche nähere Begründung von der Unbescholtenheit des Mitbeteiligten aus.
23 Das angefochtene Erkenntnis beruht im Ergebnis daher auf einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht und war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen (vorrangig wahrzunehmender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 26. Mai 2023
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