European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021150008.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Kaufvertrag vom 24. März 2015 erwarb der Revisionswerber ‑ nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) ‑ eine Wohnung, die er ab November 2015 auf die Dauer von 10 Jahren vermietete. Mit Dienstbarkeitsvertrag vom 9. März 2016 räumte er seiner Ehefrau unentgeltlich ein zehnjähriges Wohnrecht in Form eines Fruchtgenussrechts ein. Die Ehefrau unterbreitete daraufhin am 27. April 2016 dem bisherigen Mieter ein Mietanbot. Mit Mail vom 28. April 2016 wurde der Mieter angewiesen, die Miete ab sofort nur mehr auf das Konto der Ehefrau des Revisionswerbers zu überweisen. Das Mietanbot wurde durch die Zahlung der Miete an die Ehefrau angenommen.
2 In den am 30. Jänner 2019 erlassenen Umsatz- und Einkommensteuerbescheiden für 2016 und 2017 setzte das Finanzamt die Abgaben ohne Berücksichtigung des Fruchtgenusses fest. Begründend verwies es darauf, dass keine Grundbuchseintragung erfolgt sei, um das Wohnrecht der Ehefrau zu verbüchern, und kein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot zu ihren Gunsten bestehe. Zudem sei der am 24. Jänner 2019 erstmals vorgelegte Mietvertrag mit dem Revisionswerber abgeschlossen worden, und die Ehefrau habe keine Möglichkeit gehabt, auf die Einkünfte aus Vermietung Einfluss zu nehmen (Kündigung Mietvertrag, Veräußerung, etc.). Die Einkünfte aus Vermietung seien daher weiterhin dem Revisionswerber zuzurechnen sowie Mieteinnahmen und Betriebskosten der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision nicht zugelassen wurde, wies das BFG die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Begründend führte es aus, im Revisionsfall sei die Fruchtgenussvereinbarung mit einem notariell beglaubigten Dienstbarkeitsvertrag festgehalten worden, sodass das ‑ gerade für Verträge zwischen nahen Angehörigen beachtliche ‑ Publizitätserfordernis erfüllt sei. Die Vereinbarung habe auch einen klaren und eindeutigen Inhalt, und es könne dem Revisionswerber nicht entgegengetreten werden, wenn er vorbringe, dass es nach Judikatur und Verwaltungspraxis weder einer Eintragung im Grundbuch noch einer Vereinbarung eines Veräußerungs‑ und Belastungsverbotes für die Anerkennung eines Fruchtgenussrechtes bedürfe.
4 Einkünfte seien demjenigen zuzurechnen, dem die Einkunftsquelle zuzurechnen sei. Werde der Fruchtgenuss wie im Revisionsfall ohne Übereignung der Sache eingeräumt, bleibe also das zivilrechtliche Eigentum unverändert, handle es sich um einen Zuwendungsfruchtgenuss. In Bezug auf einen Zuwendungsfruchtgenuss habe der Verwaltungsgerichtshof wiederholt judiziert, dass Voraussetzung für die Beurteilung der Einkünfte eines Fruchtnießers als (originäre) Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1988 die Übertragung der Einkunftsquelle sei. Unmaßgeblich sei, ob die Einkunftsquelle in Erfüllung einer Unterhaltspflicht, freiwillig, entgeltlich oder unentgeltlich übertragen werde. Werde eine Einkunftsquelle nicht übertragen, dann blieben die aus dieser Quelle fließenden Einkünfte grundsätzlich solche des Inhabers der Einkunftsquelle, auch wenn er die „Einkünfte“ im Voraus einer anderen Person abtrete. Die Verfügung des Steuerpflichtigen über die ihm zuzurechnenden Einkünfte bedeute in einem solchen Fall lediglich eine steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung.
5 Eine Einkunftsquelle gelte dann als der fruchtgenussberechtigten Person überlassen, wenn diese das Unternehmerwagnis, also die Verlustgefahr, trage. Sie müsse einen gestalterischen Einfluss auf die Einkünfteerzielung haben, also die Möglichkeit besitzen, die Marktchancen auszunützen und Leistungen zu erbringen oder zu verweigern, am Wirtschaftsleben teilzunehmen und die Nutzungsmöglichkeiten nach eigenen Intentionen zu gestalten. Dazu gehöre, dass sie die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Fruchtgenusses (insbesondere Erhaltungsaufwand) trage. Auch müsse die fruchtgenussberechtigte Person bei einer Fruchtnießung an einem Gebäude, aus dem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung flössen, den Bestandnehmenden gegenüber als Bestandgeberin auftreten (bei Übernahme bestehender Verträge sei die Vertragsübernahme den Bestandnehmenden zumindest anzuzeigen). Die fruchtgenussberechtigte Person müsse (neue) Bestandzinsvereinbarungen mit den Bestandnehmenden treffen, müsse Anspruchspartnerin für die Rechte und Pflichten aus dem Bestandverhältnis sein, und die Mieten müssten auf ihr Konto überwiesen werden.
6 Die bloß rechtliche Begründung einer Fruchtnießung genüge in Anbetracht der im Einkommensteuerrecht maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht. Vielmehr müssten auch die tatsächlichen den rechtlichen Verhältnissen entsprechend gestaltet werden. So müsse die fruchtgenussberechtigte Person nicht nur in der Lage sein, die Dispositionen zur Erzielung der Einkünfte selbst zu treffen, der Fruchtgenuss müsse auch für eine gewisse Dauer bei rechtlich abgesicherter Position eingeräumt werden. Im Revisionsfall sei der Fruchtgenussberechtigten ein Wohnrecht für 10 Jahre eingeräumt worden, womit das Erfordernis einer rechtlich abgesicherten Position für eine gewisse Dauer erfüllt sei.
7 Zu prüfen bleibe, ob die Fruchtgenussberechtigte Dispositionen zur Erzielung der Einkünfte selbst treffen habe können bzw. solche auch tatsächlich getroffen habe. In den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichthofes zum Fruchtgenussrecht im Immobilienbereich werde nicht strikt die Meinung vertreten, dass im Fall einer unentgeltlichen Fruchtgenussrechteinräumung die Einkunftsquelle stets beim Fruchtgenussbesteller verbleibe. Allerdings komme nach der höchstgerichtlichen Judikatur eine Mieteinkünftezurechnung an eine fruchtgenussberechtigte Person dann nicht in Betracht, wenn keine hinreichende unternehmerische Initiative entfaltet werde bzw. werden könne, wenn beispielsweise ein bestehender Mietvertrag bloß aufrechterhalten werde (Hinweis auf VwGH 20.3.2014, 2011/15/0174; VwGH 15.09.2016, Ra 2014/15/0012).
8 Im Revisionsfall sei die Ehefrau des Revisionswerbers mit einem Mietanbot in den bestehenden Mietvertrag des Revisionswerbers mit dem bestehenden Mieter eingetreten. Die Mietverträge des Fruchtgenussgebers und der Fruchtnießerin ‑ beide abgeschlossen mit dem gleichen Mieter ‑ seien ident. Bei der Mietdauer sei im Mietanbot auf den durch den Revisionswerber abgeschlossenen Mietvertrag verwiesen worden.
9 Nach den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes bzw. des ABGB gelte ein Mietvertrag auch nach einem Eigentümerwechsel weiter. Alle Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Vertrag gingen auf den Käufer ‑ und damit auf den neuen Vermieter ‑ über. Dieser habe nicht das Recht, einen neuen Mietvertrag oder Änderungen im bestehenden Vertrag zu verlangen. Durch die Änderung der Eigentumsverhältnisse ändere sich am Mietverhältnis gar nichts. Der neue Vermieter trete in den alten Mietvertrag ein und müsse sich an alle Vorgaben laut Mietvertrag halten. Der Mietvertrag gehe mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Vermieter über. Es müsse auch nicht zwingend ein neuer Mietvertrag geschlossen werden. Diese Bestimmungen seien auch zwingend anzuwenden, wenn ein Fruchtnießer eine vom Fruchtgenussgeber zum Gebrauch überlassene Wohnung weitervermiete. Das bedeute, dass im Revisionsfall im gegenständlichen Mietanbot keine unternehmerische Initiative der Fruchtgenussberechtigten erblickt werden könne. Es sei kein neues Mietverhältnis begründet worden, das auf eine Teilnahme am Marktgeschehen (zB Mietersuche) schließen ließe, zumal die wesentlichen Parameter wie die Mietdauer, der Mietzins, die Betriebskosten und die Wertsicherung bereits vorgegeben gewesen seien. Daran vermöge auch der Umstand, dass die Fruchtnießerin künftig das wirtschaftliche Risiko (Mietausfall, Investitionen, ..) trage, nichts zu ändern.
10 In einer Zusammenschau aller Umstände komme das BFG daher zum Ergebnis, dass die tatsächliche unternehmerische Initiative der Fruchtgenussberechtigten in Summe nicht ausreiche, um eine Zurechnung der Einkünfte an sie zu bewirken. Die Einräumung des Fruchtgenussrechtes stelle somit eine steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung dar. Die Umsätze und Einkünfte aus der Vermietung seien weiterhin dem Revisionswerber zuzurechnen.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob in einem angenommenen Mietanbot unternehmerische Initiative der fruchtgenussberechtigten Person im Sinne der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erblickt werden könne. In der vom BFG angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 20.3.2014, 2011/15/0174; VwGH 15.9.2016, Ra 2014/15/0012) sei entschieden worden, dass in der Aufrechterhaltung eines bestehenden Mietvertrages keine solche unternehmerische Initiative erblickt werden könne. Im Revisionsfall sei jedoch nicht ein bestehender Mietvertrag aufrechterhalten, sondern durch Mietanbot und Annahme desselben ein gänzlich neues Mietverhältnis zwischen dem bisherigen Mieter und der nunmehrigen Fruchtgenussberechtigten begründet worden. Die Begründung des BFG sei zudem widersprüchlich. Da nach Ansicht des BFG die Fruchtnießerin mit dem Mieter einen Mietvertrag abgeschlossen habe, könne sie unmöglich in den bereits bestehenden Mietvertrag eingetreten sein, geschweige denn diesen aufrechterhalten haben.
12 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Einkünfte werden einer Person zugerechnet, wenn sie die Einkunftserzielung nach eigenem Dafürhalten gestaltet und die anfallenden Aufwendungen trägt. Zurechnungssubjekt ist derjenige, der aus der entsprechenden Tätigkeit das „Unternehmerrisiko“ trägt. Eine fruchtgenussberechtigte Person muss ‑ sollen ihr die Einkünfte zugerechnet werden ‑ neben der Tragung der Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Fruchtgenusses auf die Einkünfteerzielung Einfluss nehmen können, indem sie am Wirtschaftsleben teilnimmt und die Nutzungsmöglichkeiten nach eigenen Intentionen gestaltet (vgl. VwGH 22.10.2015, 2012/15/0146; und 20.3.2014, 2011/15/0174; siehe auch VwGH 26.11.2015, 2012/15/0152; 4.9.2014, 2011/15/0135; 25.7.2013, 2011/15/0151, 0152).
17 In der bloßen Aufrechterhaltung eines bestehenden (nach den unwidersprochenen Feststellungen des BFG zudem mietrechtlich grundsätzlich unkündbaren) langfristigen Mietvertrages liegt keine unternehmerische Initiative der Fruchtgenussberechtigten, die für eine relevante Änderung der bisherigen steuerlichen Verhältnisse und damit eine veränderte Einkünftezurechnung spricht (vgl. nochmals VwGH 20.3.2014, 2011/15/0174).
18 Dabei ist es ‑ entgegen der Ansicht der Revision ‑ unerheblich, in welcher Form eine solche Aufrechterhaltung des bestehenden Mietvertrags (Vertragseintritt in den bestehenden Vertrag oder formaler Neuabschluss zu den gleichen Konditionen) erfolgt, denn für die steuerliche Beurteilung der tatsächlichen Übertragung einer Einkunftsquelle ist nicht die äußere rechtliche Form, sondern allein die tatsächliche, nach außen in Erscheinung tretende Gestaltung der Dinge maßgeblich (vgl. VwGH 25.7.2013, 2011/15/0151).
19 In der Revision wird auch nicht aufgezeigt, dass die Fruchtgenussberechtigte im Zusammenhang mit der gegenständlichen Vermietung in anderer Weise eine aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben entfaltet hätte, die für eine Zurechnung der aus dieser Vermietung resultierenden Einkünfte an sie sprechen würde.
20 Bei dieser festgestellten Sachlage kann dem BFG nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn es fallbezogen davon ausgegangen ist, dass sich die gegenständliche unentgeltliche Einräumung des Fruchtgenussrechtes durch den Revisionswerber an seine Ehefrau in steuerlicher Hinsicht lediglich als eine unbeachtliche Einkommensverwendung darstellt, bei der der Revisionswerber als Inhaber der Einkunftsquelle die aus dieser Quelle fließenden, ihm zuzurechnenden Einkünfte im Voraus seiner Ehefrau abgetreten hat.
21 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Oktober 2021
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