Normen
ABGB §1332
BFA-VG 2014 §52 Abs1
BFA-VG 2014 §52 Abs2
VwGG §26 Abs1
VwGG §46 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180317.L00
Spruch:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Erkenntnis vom 26. Mai 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Antragstellers, eines Staatsangehörigen Afghanistans, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22. Mai 2018, mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt worden war, dass die Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan zulässig sei, und eine Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt wurde, als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
2 Dieses Erkenntnis wurde der den Antragsteller vertretenden Rechtsberatungseinrichtung nachweislich am 30. Juni 2020 zugestellt. Die sechswöchige Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 1 VwGG endete daher mit Ablauf des 11. August 2020.
3 Der Antragsteller brachte am 13. August 2020 einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof ein.
4 Mit verfahrensleitender Anordnung vom 18. August 2020 hielt der Verwaltungsgerichtshof dem Antragsteller die Verspätung seines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe vor.
5 Darauf beantragte der Antragsteller mit Eingabe vom 11. September 2020 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision.
6 Diesen Antrag begründete der Antragsteller damit, dass ihm das antragsgegenständliche Erkenntnis von einer näher bezeichneten Rechtsberatungseinrichtung mit einem falschen Eingangsstempel zugestellt worden sei, wobei es sich um einen Fehler handeln müsse. Da der Antragsteller die Rechtsberatungseinrichtung nicht mit der Vertretung im Beschwerdeverfahren beauftragt habe, sondern diese ihm „gesetzlich zugeteilt“ worden sei, treffe den Antragsteller kein ‑ beziehungsweise nur ein geringfügiges ‑ Verschulden daran, dass er von der bereits früher erfolgten Zustellung keine Kenntnis gehabt habe.
7 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
8 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Immer dann, wenn ein Fremder das als Vollmachtserteilung zu verstehende Ersuchen um Vertretung im Sinn des BFA‑VG an die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person richtet oder der juristischen Person schriftlich ausdrücklich Vollmacht erteilt, ist dem Fremden das Handeln des sodann von der juristischen Person konkret mit der Durchführung seiner Vertretung betrauten Rechtsberaters wie bei jedem anderen Vertreter zuzurechnen (vgl. VwGH 22.4.2020, Ra 2020/14/0139, mwN).
9 Da der Antragsteller entgegen seinem Vorbringen der Rechtsberatungseinrichtung mit Schreiben vom 11. Oktober 2019 schriftlich ausdrücklich Vollmacht für die Vertretung im Beschwerdeverfahren erteilt hat, ist ihm der Fehler der Rechtsberatungseinrichtung zuzurechnen.
10 Dass bloß ein den minderen Grad des Versehens nicht übersteigendes Verschulden zur falschen Information des Antragstellers über den Zustellzeitpunkt des Erkenntnisses und damit zur Versäumnis der Frist geführt habe, wird im gegenständlichen Antrag nicht behauptet (vgl. zur Frage des minderen Grades des Versehens etwa VwGH 30.4.2019, Ra 2019/15/0042; VwGH 10.7.2019, Ra 2019/14/0140; VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0406, jeweils mwN).
11 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am 1. Oktober 2020
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