Normen
EURallg
UStG 1994 §12 Abs1 Z1
UStG 1994 §16
UStG 1994 §16 Abs1
UStG 1994 §16 Abs3 Z2
UStG 1994 §19 Abs2 Z1 lita
UStG 1994 §19 Abs2 Z1 litb
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art185
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art186
62005CJ0035 Reemtsma Cigarettenfabriken VORAB
62012CJ0424 Fatorie VORAB
62015CJ0564 Tibor Farkas VORAB
62016CJ0628 Kreuzmayr VORAB
62016CJ0660 Kollroß VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020150102.L00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bauwerkvertrag vom 27. Mai 2009 beauftragte die revisionswerbende Kommanditgesellschaft die R GmbH als Generalunternehmerin mit der Errichtung einer Wohnhausanlage. Optional wurde die Vorauszahlung des gesamten Werklohnes gegen Gewährung eines Sondernachlasses und Sicherstellung des Nettobetrags durch eine von der Werkunternehmerin beizubringende abstrakte Bankgarantie vereinbart. Die Revisionswerberin bezahlte den mit der Anzahlungsrechnung vom 3. Juli 2009 in Rechnung gestellten Werklohn von 4,239.038 € plus 20% Umsatzsteuer, wobei die Zahlung der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer in Höhe von 847.807,60 € vereinbarungsgemäß durch Überrechnung eines Umsatzsteuerguthabens der Revisionswerberin erfolgte. Nach Zahlung und Erhalt der Anzahlungsrechnung hatte die Revisionswerberin Vorsteuern in Höhe der bezahlten Umsatzsteuer geltend gemacht. Die R GmbH begann mit der Auftragsausführung und erbrachte Leistungen im Wert von 423.536,40 € plus 20% Umsatzsteuer.
2 Mit Beschluss vom 2. September 2009 eröffnete das Handelsgericht Wien zu 28 S 124/09b das Konkursverfahren über die R GmbH und bestellte Dr. B zum Masseverwalter.
3 Der Masseverwalter trat mit Schreiben vom 24. Februar 2010 gemäß § 21 Abs. 1 KO vom Bauwerkvertrag zurück. Daraufhin zog die Revisionswerberin die von der R GmbH gestellte Bankgarantie.
4 Aufgrund des durch den Vertragsrücktritt bedingten Unterbleibens der weiteren Werkausführung berichtigte der Masseverwalter die Umsatzsteuer nach § 16 Abs. 1 Z 1 UStG 1994. Daraus ergab sich ein Rückzahlungsanspruch an zu viel geleisteter Umsatzsteuer zugunsten der Konkursmasse, den das Finanzamt durch Verrechnung mit Konkursforderungen beglich. Im Zuge einer bei der Revisionswerberin durchgeführten Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer für den Zeitraum Februar bis März 2010 gelangte die Prüferin zur Auffassung, dass aufgrund des Vertragsrücktritts des Masseverwalters eine Berichtigung der Vorsteuer für Februar 2010 zu erfolgen habe.
5 Den Feststellungen der Prüferin folgend setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 29. Juli 2010 die Umsatzsteuer für Februar 2010 unter Berichtigung der Vorsteuern nach § 16 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 fest und erkannte den geltend gemachten Vorsteuerabzug nur im Ausmaß der bis zum Vertragsrücktritt tatsächlich erbrachten Leistungen an. Dagegen erhob die Revisionswerberin Berufung.
6 Im Zivilrechtsweg klagte die Revisionswerberin den Masseverwalter auf Zahlung von 72.670 € im Wesentlichen mit dem Vorbringen, ihr sei durch die Berichtigung des Vorsteuerabzugs durch das Finanzamt ein Schaden entstanden, dem ein Anspruch der Konkursmasse gegen die Finanzbehörden auf Rückzahlung zu viel geleisteter Umsatzsteuer in gleicher Höhe gegenüber gestanden sei, weswegen die Konkursmasse zu ihren Lasten bereichert sei. Ihr stehe daher gemäß § 46 Abs. 1 Z 6 KO eine Forderung gegenüber der Masse zu.
7 Das Handelsgericht Wien wies die Klage mit näherer Begründung ab, einer dagegen erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Wien nicht Folge. Die Revision wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 25. Juli 2014 zu 5 Ob 216/13w zurückgewiesen. Begründend führte er dazu aus, dass die durch den Vertragsrücktritt bedingte Steuerrückvergütung an die Gemeinschuldnerin und die Rückforderung des von der Klägerin in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs lediglich die Begleichung der Umsatzsteuer durch Überrechnung rückgängig gemacht hätten. Dadurch sei die Revisionswerberin nicht anders gestellt, als hätte sie die Vorauszahlung des gesamten Bruttowerklohns direkt an die Gemeinschuldnerin vorgenommen. Die steuerlichen Folgen des Vertragsrücktritts durch den Masseverwalter hätten damit lediglich die von den Vertragsparteien gewählte Zahlungsmodalität hinsichtlich der Umsatzsteuer als Teil des vorschussweise beglichenen Werklohns beeinflusst, ohne dessen Rechtsnatur zu ändern. Eine Forderung zu Gunsten der Klägerin gemäß § 46 Abs. 1 Z 6 KO sei durch diese steuerlichen Vorgänge nicht begründet worden. Den ihr durch den Rücktritt des Masseverwalters vom Vertrag wegen der unterbliebenen Erfüllung verursachten Schaden, könne sie nur als Konkursforderung geltend machen. Auf die Qualifikation des Steuerguthabens der Gemeinschuldnerin sowie die Frage, ob das Finanzamt berechtigt mit Abgabenverbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin aufrechnete, bzw. ob sich der beklagte Masseverwalter gegen eine solche Aufrechnung erfolgreich zur Wehr hätte setzen können, komme es nicht an.
8 Das Finanzamt erließ nach Vorliegen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes am 12. Oktober 2015 eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, zu der die Revisionswerberin einen Vorlageantrag stellte, sowie am 15. Oktober 2015 einen vorläufigen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2010, mit dem der Revisionswerberin der strittige Vorsteuerabzug verwehrt wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde legte das Finanzamt gemäß § 262 Abs. 2 lit a BAO dem Bundesfinanzgericht direkt ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vor.
9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht ‑ nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens und einer mündlichen Verhandlung ‑ der Beschwerde teilweise Folge und änderte den Umsatzsteuerbescheid 2010 dahin ab, dass es die Höhe der strittigen Vorsteuer auf einen in der Verhandlung der Höhe nach außer Streit gestellten Gesamtbetrag korrigierte. Dem Grunde nach bestätigte es aber die im Revisionsfall strittige Vorsteuerberichtigung. Darüber hinaus erklärte es den angefochtenen Bescheid gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig.
10 Zur Begründung führte es aus, dass bei Unterbleiben von vertraglich vereinbarten Leistungen, gemäß § 16 Abs. 3 Z 2 iVm Abs. 1 UStG 1994 der aufgrund der Anzahlung in Anspruch genommene Vorsteuerbetrag zu korrigieren sei. Es stünde der Revisionswerberin kein Vorsteuerabzug für die bereits verrechneten und bezahlten, jedoch in der Folge nicht mehr geleisteten Bauausführungen zu. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität stehe dem nicht entgegen, da sich hinsichtlich der Mehrwertsteuer, die aufgrund des Nichtvorliegens eines steuerpflichtigen Umsatzes zu Unrecht in Rechnung gestellt worden sei, aus der MwSt‑RL 2006/112/EG ergebe, dass die beiden beteiligten Wirtschaftsteilnehmer nicht notwendigerweise gleichbehandelt würden. Nach der Rechtsprechung des EuGH könne die Bemessungsgrundlage für die aufgrund der Anzahlung geschuldete Steuer erst vermindert werden, wenn die Anzahlung zurückgezahlt worden sei. Die Korrektur des Vorsteuerabzuges habe allerdings auch dann zu erfolgen habe, wenn die vom leistenden Unternehmer geschuldete Steuer nicht berichtigt werde (Hinweis auf EuGH 13.3.2014, C‑107/13 , FIRIN). Der Umstand des Konkurseintrittes des ausführenden Unternehmers, die Umsatzsteuerberichtigung durch den Masseverwalter sowie die Verrechnung des sich daraus ergebenden Rückforderungsanspruchs mit Abgabenforderungen sei für die streitgegenständliche Frage nicht von Belang, da die Bestimmung des § 16 Abs. 3 Z 2 UStG 1994 unabhängig davon zur Anwendung komme, aus welchen Gründen eine vereinbarte Leistung nicht (gänzlich) erbracht werde. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Erlassung eines vorläufigen Umsatzsteuerbescheides gemäß § 200 Abs. 1 BAO nicht vor, weshalb der Beschwerde diesbezüglich Folge zu geben sei und der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für endgültig zu erklären sei.
11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, entgegen dem Ausspruch des Bundesfinanzgerichts fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der nachträglichen Berichtigung von Umsatzsteuer und Vorsteuer bei Anzahlungsgeschäften, deren Ausführung aufgrund des Konkurses des ausführenden Unternehmers ganz oder zum Teil unterbleibe.
12 Aus der EuGH Entscheidung FIRIN ergäbe sich, dass die an einem Umsatz beteiligten Wirtschaftsteilnehmer grundsätzlich gleich zu behandeln seien und nur in einem Ausnahmefall ‑ wie er in der Rechtssache FIRIN vorgelegen sei ‑ eine Ungleichbehandlung zulässig sei. Im vorliegenden Fall würde insbesondere keine Steuerhinterziehung vorliegen, die ein Abgehen vom Grundsatz der Gleichbehandlung rechtfertigen könnte. Die Neutralität der Umsatzsteuer innerhalb der Unternehmerkette müsse auch dann gelten, wenn sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz ändere. Darüber hinaus sei mit der Vorsteuerberichtigung das ‑ ausschließlich von der Republik Österreich zu tragende ‑ Steuerausfallrisiko auf die Revisionswerberin überwälzt worden. Im Ergebnis zahle die Revisionswerberin die Umsatzsteuer doppelt, weil sie die Umsatzsteuerschuld der späteren Gemeinschuldnerin durch Überrechnung zur Gänze bezahlt habe und nunmehr im Wege der Vorsteuerberichtigung abermals Zahlung gefordert werde.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.
15 § 12 Abs. 1 UStG 1994 in der für das Streitjahr 2010 geltenden Fassung, BGBl. I Nr. 34/2010, lautet:
„(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. [...]“
16 § 16 Abs. 1 und 3 UStG 1994 lauten:
„(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so haben
1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und
2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist. [...]
(3) Abs. 1 gilt sinngemäß, wenn
1. das Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, so sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2. für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3. eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung rückgängig gemacht worden ist.“
17 Unionsrechtlich beruht die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 16 UStG 1994 auf Art. 185 Abs. 1 MwSt‑RL 2006/112/EG . Danach erfolgt die Berichtigung des Vorsteuerabzugs insbesondere, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten. Gemäß Art. 186 der Richtlinie legen die Mitgliedstaaten die Einzelheiten für die Anwendung dieser Bestimmung fest.
18 Die Bestimmung des § 16 Abs. 3 Z 2 UStG 1994 stellt ‑ neben der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 19 Abs. 2 Z 1 lit b UStG 1994 ‑ auf die Anzahlungsbesteuerung gemäß § 19 Abs. 2 Z 1 lit a UStG 1994 ab, bei welcher die Umsatzsteuerschuld bereits dann entsteht, wenn die Anzahlung vereinnahmt, die Lieferung oder sonstige Leistung aber noch nicht ausgeführt wurde. Der die Anzahlung Leistende hat gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn eine Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet wurde. Unterbleibt in weiterer Folge die Leistung, so sind der vom Anzahlungsempfänger aufgrund der Anzahlung geschuldete Umsatzsteuerbetrag und der vom Anzahlenden in Anspruch genommene Vorsteuerbetrag gemäß § 16 Abs. 3 Z 2 UStG 1994 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 UStG 1994 zu berichtigen (vgl. Kanduth‑Kristen in Berger/Bürgler/Kandutz‑Kristen/Wakounig, UStG‑ON3 § 16 Rz. 83).
19 Aufgrund der auf den Vertrag betreffend die Errichtung eines Bauwerks bezogenen Anzahlungsrechnung vom 3. Juli 2009 hat die Revisionswerberin im Juli 2009 den Betrag von 4,239.038 € plus 20% Umsatzsteuer an die Baufirma R GmbH bezahlt (gegen Sicherstellung in Form einer Bankgarantie über diesen Betrag ohne Umsatzsteuer). Aufgrund dieser Rechnung hat die Revisionswerberin Vorsteuer in Höhe von 847.807,60 € geltend gemacht, weil sie die gewerbliche Vermietung des zu errichtenden Bauwerks geplant hatte. Die R GmbH hat der Revisionswerberin sodann Bauleistungen im Wert von 423.536,40 € plus 20% Umsatzsteuer erbracht. Im September 2009 ist über das Vermögen der R GmbH Konkurs eröffnet worden, im Februar 2010 ist der Masseverwalter gemäß § 21 KO vom Vertrag über die Errichtung des Bauwerks zurückgetreten. Weil die R GmbH für die erhaltene Anzahlung eine Bankgarantie erlegt hatte, bekam die Revisionswerberin im März 2010 den Betrag der Anzahlung abzüglich des Wertes der tatsächlich erhaltenen Bauleistungen und abzüglich der Umsatzsteuer zurück.
20 Die R GmbH hat die auf die Vorauszahlung entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt entrichtet (im Wege der Überrechnung des Vorsteuerguthabens der Revisionswerberin, § 215 Abs. 4 BAO). Nach Konkurseröffnung und dem Rücktritt vom Werkvertrag nach § 21 KO erwuchs der Gemeinschuldnerin eine Forderung gegenüber dem Finanzamt auf den Teil der in der Anzahlung enthaltenen Umsatzsteuer, der die tatsächlich erbrachten Bauleistungen überstieg. Diese Forderung führte zu einer „Steuerrückvergütung“ zugunsten der Masse (vgl. OGH 25.7.2014, 5 Ob 216/13w). Die Revisionswerberin machte im Konkurs über das Vermögen der R GmbH ihre Forderung auf Rückzahlung der in der Anzahlung (abzüglich des Wertes der tatsächlich erhaltenen Bauleistungen) enthaltenen Umsatzsteuer geltend, die Konkursquote betrug ca. 10%.
21 Strittig ist das Schicksal des Vorsteuerabzugs aus der Anzahlungsrechnung, soweit er nicht auf tatsächlich erbrachte Bauleistungen entfällt.
22 Der EuGH befasste sich im Urteil vom 13. März 2014, C‑107/13 , FIRIN, mit der Auslegung der MwSt‑RL 2006/112/EG in Zusammenhang mit der Frage, ob der Abzug der Mehrwertsteuer, den der Empfänger für eine Anzahlung auf eine Lieferung von Gegenständen ausgestellte Rechnung vorgenommen hat, berichtigt werden muss, wenn diese Lieferung letztlich nicht bewirkt wird, und zwar auch unter dem besonderen Aspekt, dass die Anzahlung gar nicht zurückgezahlt wird. Er führte dazu aus:
„51 Was die Entstehung einer etwaigen Verpflichtung zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs betrifft, stellt Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 den Grundsatz auf, dass eine solche Berichtigung insbesondere dann zu erfolgen hat, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben (Urteil TETS Haskovo, Rn. 32).
52 In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem die Lieferung der Gegenstände, für die FIRIN eine Anzahlung geleistet hat, den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge nicht bewirkt werden wird, ist mit der Generalanwältin in Nr. 35 ihrer Schlussanträge festzustellen, dass sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben. Somit kann die Steuerverwaltung in einem solchen Fall verlangen, dass der Steuerpflichtige die abgezogene Mehrwertsteuer berichtigt.
[...]
58 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Art. 65, 90 Abs. 1, 168 Buchst. a, 185 Abs. 1 und 193 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen sind, dass sie verlangen, dass der Abzug der Mehrwertsteuer, den der Empfänger einer für eine Anzahlung auf eine Lieferung von Gegenständen ausgestellten Rechnung vorgenommen hat, berichtigt wird, wenn diese Lieferung unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens letztlich nicht bewirkt wird, auch wenn der Lieferer zur Entrichtung dieser Steuer verpflichtet bleiben sollte und die Anzahlung nicht zurückgezahlt haben sollte.“
23 Im Urteil vom 31. Mai 2018, C‑660/16 und C‑661/16 , Kollroß und Wirtl, befasste sich der EuGH mit der vom deutschen Bundesfinanzhof vorgelegten Frage, ob die Art. 185 und 186 der MwSt‑RL 2006/112/EG deutschen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten in Deutschland entgegenstehen, nach denen die Berichtigung des Vorsteuerabzugs hinsichtlich einer für die Lieferung eines Gegenstands geleisteten Anzahlung voraussetzt, dass diese Anzahlung vom Lieferer zurückgezahlt wird. Der EuGH schreibt (Hervorhebungen nicht im Original):
„62 Die vorliegenden Rechtssachen betreffen somit anders als die Rechtssache, in der das Urteil vom 13. März 2014, FIRIN (C‑107/13 , EU:C:2014:151), ergangen ist, keine Fälle von Hinterziehung der Mehrwertsteuer. Insoweit sieht es das vorlegende Gericht als erwiesen an, dass die Lieferer die Mehrwertsteuer auf die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anzahlungen an den Fiskus entrichtet haben. Außerdem wird die von den Lieferern für die Vereinnahmung dieser Anzahlungen an den Fiskus zu entrichtende Mehrwertsteuer, soweit die Lieferer diese Anzahlungen angesichts ihrer Insolvenz nicht zurückzahlen werden, nicht gemäß den Art. 65, 90 und 123 der Richtlinie 2006/112 zu berichtigen sein. Daraus folgt, dass dem Fiskus unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren dadurch, dass die Erwerber ihr Vorsteuerabzugsrecht aus diesen Anzahlungen ausüben, kein Steuerausfallrisiko entsteht.
63 Zwar hat der Gerichtshof in Rn. 57 des Urteils vom 13. März 2014, FIRIN (C‑107/13 , EU:C:2014:151), auch entschieden, dass der Umstand, dass die von dem Lieferer geschuldete Mehrwertsteuer selbst nicht berichtigt werden wird, grundsätzlich nichts am Recht der Steuerverwaltung ändert, die Rückerstattung der Mehrwertsteuer zu verlangen, die von dem Erwerber von Gegenständen aufgrund der für diese Lieferung geleisteten Anzahlung in Abzug gebracht wurde.
64 Bei einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs in einem Fall, in dem die Anzahlung nicht zurückgezahlt wurde, wird der Grundsatz der steuerlichen Neutralität aber dadurch gewahrt, dass der Erwerber die von den Mitgliedstaaten vorzusehende Möglichkeit hat, die für die letztlich nicht erfolgte Lieferung der Gegenstände geleistete Anzahlung von seinem Lieferer zurückzuerhalten (vgl. entsprechend Urteile vom 31. Januar 2013, LVK, C‑643/11 , EU:C:2013:55, Rn. 48, und vom 13. März 2014, FIRIN, C‑107/13 , EU:C:2014:151, Rn. 55).
65 Unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren wäre es allerdings für die Erwerber angesichts der Zahlungsunfähigkeit der Lieferer unverhältnismäßig schwierig oder sogar unmöglich, die Rückzahlung der von ihnen für die Lieferung der bestellten Gegenstände gutgläubig geleisteten Anzahlung zu erwirken.
66 Im Übrigen hat der Gerichtshof zu Fällen, in denen mangels eines steuerpflichtigen Umsatzes unberechtigt Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt wurde, entschieden, dass die Grundsätze der Neutralität und der Effektivität zwar grundsätzlich nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen nur der Lieferer einen Anspruch auf Erstattung von zu Unrecht als Mehrwertsteuer gezahlten Beträgen gegen die zuständigen Steuerbehörden hat und der Erwerber von Gegenständen eine Klage gegen diesen Lieferer erheben muss, um seinerseits von diesem eine Erstattung zu erlangen. Wird jedoch eine solche Klage unmöglich oder übermäßig erschwert, insbesondere im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Lieferers, können die genannten Grundsätze gebieten, dass der Erwerber seinen Antrag auf Erstattung unmittelbar an die Steuerbehörden richten kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2007, Reemtsma Cigarettenfabriken, C‑35/05 , EU:C:2007:167, Rn. 39, 41 und 42).
67 Diese Erwägungen lassen sich auf Umstände wie die der Ausgangsverfahren entsprechend übertragen. Wären die Erwerber gezwungen, die hinsichtlich der auf die von ihnen geleisteten Anzahlungen gezahlten Mehrwertsteuer vorgenommenen Abzüge zu berichtigen, und erhielten sie keine Erstattung von den Lieferern, hätten sie nach den in der vorstehenden Randnummer dargelegten Erwägungen gegen die Steuerbehörden eine Forderung in Höhe des gleichen Betrags, den diese im Rahmen dieser Berichtigung erlangt haben.
68 Es wäre aber offenkundig unangemessen, die Erwerber zu verpflichten, diese Abzüge zu berichtigen und anschließend von den Steuerbehörden die Erstattung der auf die fraglichen Anzahlungen entrichteten Mehrwertsteuer einzuklagen.
69 Nach alledem ist auf die zweite Frage in der Rechtssache C‑660/16 sowie auf die zweite und die dritte Frage in der Rechtssache C‑661/16 zu antworten, dass die Art. 185 und 186 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen sind, dass sie unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegenstehen, nach denen die Berichtigung des Vorsteuerabzugs hinsichtlich einer für die Lieferung eines Gegenstands geleisteten Anzahlung voraussetzt, dass diese Anzahlung vom Lieferer zurückgezahlt wird.“
24 Die Regelung des deutschen Rechts, wonach bei ausbleibender Rückzahlung der Anzahlung das Vorsteuerabzugsrecht des Anzahlenden bestehen bleibt, ist somit nicht unionsrechtswidrig (vgl. Art. 185 MwSt‑RL), aus der MwSt‑RL ergibt sich aber eine solche Regelung nicht (vgl. Meyer in Weymüller, UStG § 17 Rn. 83; Wäger in Sölch/Ringleb, UStG, § 17 Rn. 151f; Korn in Bunjes, UStG20 § 17 Rn. 76). Solcherart wird zu den im Urteil des EuGH Kollroß und Wirtl angesprochenen deutschen „Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten“ im Urteil des Bundesfinanzhofes vom 17. Juli 2019, V R 9/19 (vgl. auch das Urteil des BFH vom 5.12.2018, XI R 44/14) ausgeführt:
„31 Dabei handelt es sich zum einen bei § 17 Abs. 1 Sätze 1, 2 und 7 UStG um nationale Rechtsvorschriften, die anordnen, dass Steuer‑ und Vorsteuerberichtigung bedingungs‑ und zeitgleich vorzunehmen sind. Ergibt sich daher aus der EuGH‑Rechtsprechung, dass die Steuerberichtigung erst mit der Rückzahlung vorzunehmen ist (EuGH‑Urteil Freemans vom 29.05.2001 ‑ C‑86/99 , EU:C:2001:291, und hierauf bezugnehmend BFH‑Urteile in BFHE 231, 321, BStBl II 2011, 991, und in BFHE 231, 321, BStBl II 2011, 991), folgt aus diesen Rechtsvorschriften, dass dies ebenso für die Vorsteuerberichtigung gilt. Dies ist dann auch im Rahmen der Steuer‑ und Vorsteuerberichtigung bei Anzahlungen nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG zu beachten. Soweit sich Reiß (MwStR 2019, 392 ff., 395 ff.) gegen eine Vorsteuerberichtigung erst mit Rückzahlung wendet und dabei das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage beanstandet, übersieht er seinerseits den vorstehend beschriebenen Gesetzeszusammenhang.
32 Zum anderen liegt auf der vorstehend beschriebenen Grundlage eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung (BFH‑Urteile in BFHE 231, 321, BStBl II 2011, 991; in BFHE 235, 501, BStBl II 2014, 203, und in BFHE 235, 507, BStBl II 2012, 365, Leitsatz und Rz 23) vor, der sich die Finanzverwaltung angeschlossen hatte (Abschn. 17.1. Abs. 7 des Umsatzsteuer‑Anwendungserlasses), so dass auch eine Gepflogenheit i.S. der EuGH‑Rechtsprechung zu bejahen ist.“
25 Der BFH zitiert in diesem Urteil vom 17. Juli 2019, V R 9/19 (V R 29/15), sein Urteil vom 2. September 2010, V R 34/09 (BFHE 231, 321, BStBl II 2011, 991), in welchem er für den Fall der Vereinnahmung einer Anzahlung durch einen Unternehmer ohne Erbringung der hierfür geschuldeten Leistung ‑ in ausdrücklicher Abkehr von seiner früheren gegenteiligen Rechtsprechung (BFH, 24.8.1995, V R 55/94, BFHE 178, 485, BStBl II 1995, 808) ‑ ausgesprochen hat, nach deutschem Recht komme es erst mit der Rückgewähr der Anzahlung zur Minderung der Bemessungsgrundlage (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 dUStG).
26 Zur Rechtslage in Österreich besteht eine solche, die Rückzahlung der Anzahlung als Tatbestandsmerkmal der Vorsteuerberichtigung wertende Rechtsprechung nicht (vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 16 Tz. 20 und 88); gemäß Art. 186 MwSt‑RL 2006/112/EG legen die Mitgliedstaaten die Einzelheiten für die Anwendung der Art. 184 und 185 (Berichtigung des Vorsteuerabzugs) fest.
27 Das Bundesfinanzgericht ist daher im angefochtenen Erkenntnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen der Vorsteuerberichtigung nach § 16 Abs. 3 Z 2 UStG 1994 erfüllt sind. Für den gegenständlichen Fall ist überdies darauf hinzuweisen, dass die Revisionswerberin ohnedies den Nettobetrag ihrer Anzahlung zurückerhalten hat (im Wege der Geltendmachung einer von der R GmbH gelegten Bankgarantie).
28 Zu Fällen, in denen mangels eines steuerpflichtigen Umsatzes unberechtigt Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt wurde, hat der EuGH entschieden, dass die Grundsätze der Neutralität und Effektivität grundsätzlich nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen nur dem Unternehmer, der sich zur Erbringung der Lieferung oder Dienstleistung verpflichtet hat, ein Anspruch auf Erstattung von zu Unrecht als Mehrwertsteuer gezahlten Beträgen gegen die zuständigen Steuerbehörden zukommt und der Leistungsbezieher eine Klage gegen diesen Unternehmer erheben muss, um seinerseits von diesem eine Erstattung zu erlangen. Werde jedoch eine solche Klage unmöglich oder übermäßig erschwert, insbesondere im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers, können die genannten Grundsätze gebieten, dass der Leistungsbezieher seinen Antrag auf Erstattung unmittelbar an die Steuerbehörden richten könne (EuGH 31.5.2018, C‑660/16 und C‑661/16 , Kollroß und Wirtl, Rn. 66, mit Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 15. März 2007, C‑35/5, Reemtsma Cigarettenfabriken, Rn. 39, 41 und 42; vgl. auch BFH 5.12.2018, XI R 44/14, Rn. 75). Ob im Falle des Vorliegens eines derartigen Anspruchs des Leistungbeziehers dieser Anspruch bereits im Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren oder in einem Nachsichtsverfahren geltend zu machen wäre, war eine der vom Bundesfinanzhof im Vorabentscheidungsverfahren C‑66/16 an den EuGH gestellten Fragen (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts vom 30. Jänner 2018, C‑660/16 und C‑661/16 , Kollroß und Wirtl, Rn. 79); vom EuGH wurde diese Frage im Urteil vom 31. Mai 2018, C‑660/16 und C‑661/16 , Kollroß und Wirtl, Rn. 70, nicht beantwortet. Im Beschluss vom 13. September 2018, Ra 2017/15/0102, hat der Verwaltungsgerichtshof diese Frage ebenfalls offen gelassen.
29 Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschluss vom 13. September 2018, Ra 2017/15/0102, ausgesprochen hat, wird ein derartiger unmittelbarer Anspruch des Leistungsempfängers gegenüber den Abgabenbehörden auf Erstattung der Mehrwertsteuer vom EuGH nicht in Fällen angenommen, in denen die Mehrwertsteuer an die Abgabenbehörde nicht abgeführt worden ist (vgl. EuGH 15.3.2007, C‑35/05 , Reemtsma, Rn. 13; insbesondere EuGH 26.4.2017, C‑564/15 , Tibor Farkas, Rn. 15 und 55; EuGH 31.5.2018, C‑660/16 und C‑661/16 , Kollroß und Wirtl, Rn. 62, mit Betonung des Umstandes, dass dem Fiskus unter den dort gegebenen Umständen kein Steuerausfallrisiko entsteht). Der Steuerverwaltung darf kein Schaden entstehen (vgl. EuGH Tibor Farkas, Rn. 55). In Fällen, in denen die Mehrwertsteuer nicht an die Abgabenbehörde abgeführt wurde (vgl. EuGH 6.2.2014, C‑424/12 , SC Fatorie, Rn. 16; vgl. auch EuGH 21.2.2018, C‑628/16 , Kreuzmayr, Rn. 14), ist ein Rückzahlungsanspruch somit ausgeschlossen (vgl. auch deutscher BFH 30.6.2015, VII R 30/14, Rn. 25, mwN). Dies gilt auch für Fälle der Rückvergütung infolge Berichtigung der Umsatzsteuer.
30 Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus der Aktenlage, dass der Masseverwalter eine Berichtigung der Umsatzsteuer nach § 16 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 vorgenommen hat und sohin eine entsprechende Forderung auf Steuerrückvergütung gegenüber der Abgabenbehörde zugunsten der Masse erwachsen ist. Das Finanzamt hat sodann eine Rückgewähr der Umsatzsteuer (im Weg der insolvenzrechtlichen Aufrechnung) vorgenommen. Das Unterbleiben der Vorsteuerberichtigung würde vor diesem Hintergrund einen Steuerausfall der Abgabenbehörde begründen. Im Ergebnis erweist sich die Anzahlung im Ausmaß des die erbrachten Leistungen übersteigenden Teils daher letztlich als nicht der Umsatzsteuer unterzogen, sodass auch der aufgrund der Anzahlung von der Revisionswerberin geltend gemachte Vorsteuerbetrag zu berichtigen ist.
31 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das angefochtene Erkenntnis die Revisionswerberin nicht in subjektiven Rechten verletzt.
32 Da somit der Inhalt der Revision bereits erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 8. September 2022
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