VwGH Ra 2020/14/0278

VwGHRa 2020/14/027811.8.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B in X, vertreten durch K M R Rechtsanwaltssocietät Dr. Longin Josef Kempf, Dr. Josef Maier in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen Spruchpunkt A.I. des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2020, W169 2141785‑1/30E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140278.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 7. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er auf Grund seiner Tätigkeit für ausländische Sicherheitsfirmen insbesondere von den Taliban verfolgt worden sei.

2 Mit Bescheid vom 31. Oktober 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.)

3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die mit dem gegenständlichen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 und § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unbegründet abgewiesen wurde (Spruchpunkt A.I.). In Erledigung der Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, dem Revisionswerber eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt werde (Spruchpunkt A.II.) und hob den Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos auf (Spruchpunkt A.III.). Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

4 Begründend zur Beschwerdeabweisung erachtete es die vom Revisionswerber vorgebrachte Verfolgung nicht als glaubhaft, sodass er in seine Heimatstadt Herat zurückkehren könnte. Selbst im Fall einer Wahrunterstellung sei ihm eine innerstaatliche Fluchtalterative in Mazar‑e Sharif zumutbar.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich gegen Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Erkenntnisses und bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe sich im Zusammenhang mit der angenommenen innerstaatlichen Fluchtalternative mit Behauptungen und Beweisanträgen des Revisionswerbers ohne Ermittlungen hinweggesetzt. So habe er sein Vorbringen dazu, dass Afghanistan mittlerweile das unsicherste Land der Welt sei, Abgeschobene von einer Reihe von Akteuren bedroht würden, bereits die Tatsache in Europa gewesen zu sein zu einer Verfolgung führen könne, man bei einer Rückkehr in die Obhut der Verwandtschaft diese einer Verfolgung aussetze und bereits ein „fremdländisches Merkmal“ ausreiche, um von Taliban misshandelt zu werden, durch die Vorlage eines Beitrages aus einer Fachzeitschrift belegt. Es sei nicht nachvollziehbar begründet worden, warum das Bundesverwaltungsgericht diesen Ausführungen keinen Glauben geschenkt habe und ihm die vorgelegten Beweise nicht als stichhaltig erschienen seien. Bei entsprechender Berücksichtigung wäre es zum Ergebnis gekommen, dass dem Revisionswerber im Falle der Rückkehr sehr wohl eine Verfolgung drohe und er sich weder in Herat noch Mazar‑e Sharif eine Existenz aufbauen könnte.

9 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht hat, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. etwa VwGH 3.7.2020, Ra 2019/14/0608, mwN).

10 Werden in einer Revision Verfahrensmängel ‑ hier etwa Begründungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 19.5.2020, Ra 2019/14/0328, mwN).

11 Der Revision gelingt es nicht, die Relevanz des aufgezeigten Verfahrensmangels darzulegen. Sie erstattet dieses Vorbringen nämlich zur Entkräftung der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach der Revisionswerber einerseits in anderen Teilen Afghanistans von seinen Feinden nicht gefunden werden würde und es auch nicht glaubhaft sei, dass ihn die Taliban landesweit suchen würden, und er sich andererseits insbesondere in Herat oder Mazar‑e Sharif niederlassen könne, ohne Gefahr zu laufen, seine grundlegenden Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können.

12 Jedoch hat das Bundesverwaltungsgericht primär und tragend schon eine asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers mangels individueller Bedrohungslage aus beweiswürdigenden Erwägungen, denen die Revision nicht entgegen tritt, verneint. Auf die lediglich in einer Alternativbegründung („darüber hinaus“) angestellten Überlegungen, dass er auch in anderen Landesteilen leben könnte, weil er nicht landesweit gesucht bzw. gefunden werden würde, kommt es damit nicht an.

13 Weiters legt das Bundesverwaltungsgericht seiner Beurteilung grundsätzlich die Möglichkeit der Rückkehr des Revisionswerbers in seine Heimatstadt Herat zu Grunde. Auf die ‑ wiederum darüber hinaus gemachten ‑ Ausführungen zur Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar‑e Sharif muss daher nicht eingegangen werden. Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, der Revisionswerber könne sich (auch) in Herat keine Existenz aufbauen, wird jedoch nicht dargetan, dass in Bezug auf seinen Herkunftsort die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen würden.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 11. August 2020

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte