VwGH Ra 2020/14/0255

VwGHRa 2020/14/02553.7.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Schindler sowie den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9/1. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2020, W168 2229436‑1/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §68 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140255.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Am 16. Jänner 2019 wurde der Revisionswerber von Beamten der Landespolizeidirektion Oberösterreich in einem Zug während der Fahrt von Wien nach Linz einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen. Er wies sich zunächst mit einem nicht für ihn ausgestellten österreichischen Personalausweis aus. In der Folge stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Er gab an, chinesischer Staatsangehöriger zu sein, aus der Stadt Ruijin in der Provinz Jiang Xi zu stammen, über kein Reisedokument zu verfügen und bereits im November 1995 illegal aus dem Heimatland ausgereist zu sein. Er habe im Jahr 1989 an den Studentenprotesten gegen die chinesische Regierung teilgenommen. Deshalb sei er von der Universität, an der er studiert habe, entlassen worden. Er sei aber nicht verhaftet worden. Auch habe die chinesische Polizei seine Identität nicht aufgenommen. Danach habe er in die USA reisen wollen, weil dort Schulkollegen von ihm lebten. Der Schlepper habe ihn allerdings nach Österreich gebracht. Er sei dann in Österreich geblieben, weil er für die Weiterreise in die USA noch US$ 30.000,- hätte zahlen müssen. Er habe dieses Geld aber nicht gehabt. Hier habe er sich an diversen Adressen in Wien und Graz aufgehalten. Seit dem Jahr 2009 habe er keinen festen Wohnsitz mehr. Er habe seitdem bei Freunden oder „auch direkt beim Casino“ übernachtet. Er sei Berufsspieler und gewinne immer viel Geld in privaten Casinos. Nach China könne er nicht zurück, weil er dort nichts mehr habe. Er könne sich dort nicht mehr anpassen. Außerdem müsse er für die Kosten des Altersheims, in dem seine Mutter in China lebe, aufkommen. Er überweise ‑ weil er kein eigenes Konto besitze, mit Hilfe von chinesischen Studenten in Wien, „die Euros benötigen“ ‑ monatlich € 500,- an eine Pflegeperson. Diese Kosten könne er in China nicht finanzieren. Wegen der Teilnahme an den Studentenprotesten habe er im Fall seiner Rückkehr infolge der mittlerweile langen vergangenen Zeit nichts mehr zu befürchten.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den vom Revisionswerber gestellten Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 15. Februar 2019 ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach China zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Nachdem der Revisionswerber die Betreuungsstelle in Thalham verlassen hatte, war der Behörde sein weiterer Aufenthalt zunächst nicht bekannt. Am 30. November 2019 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein weiteres Verfahren nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein.

4 Mit Bescheid vom 22. Jänner 2020 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen sowie festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach China zulässig sei. Eine Frist für eine freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

5 Am 24. Jänner 2020 stellte der Revisionswerber, der sich zu dieser Zeit im Anhaltezentrum Vordernberg befand, den hier gegenständlichen (Folge‑)Antrag auf internationalen Schutz. Er verwies darauf, dass die bereits geltend gemachten Gründe weiterhin aufrecht seien.

6 Mit Bescheid vom 21. Februar 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Folgeantrag, ohne zuvor das Asylverfahren zugelassen zu haben, wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück. Die Erlassung einer damit verbundenen Rückkehrentscheidung unterblieb (evidentermaßen im Hinblick auf das bereits zuvor ausgesprochene Einreiseverbot und die zu § 59 Abs. 6 FPG ergangene Rechtsprechung).

7 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde ohne Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht hätte eine mündliche Verhandlung durchführen und sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen müssen, weil einem solchen bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme besondere Bedeutung zukomme.

12 Dieses Vorbringen bezieht sich ebenso wie jenes, mit dem der Revisionswerber darzulegen sucht, dass in seinem Fall wegen des langen Aufenthalts in Österreich Art. 8 EMRK einer Aufenthaltsbeendigung entgegen stehe, auf die Voraussetzungen zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung. Eine solche wurde aber mit dem Bescheid vom 21. Februar 2020 nicht erlassen, sodass dies auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens und des hier angefochtenen Erkenntnisses war. Schon deshalb kann damit die Zulässigkeit der Revision nicht begründet werden. Auf dieses Vorbringen war sohin auch nicht weiter einzugehen.

13 Weiters bringt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung vor, die Situation habe sich im Vergleich zu Anfang des Jahres 2019 maßgeblich geändert, weil China „bereits Ende 2019 von der Covid‑19 Pandemie heimgesucht“ worden sei. Dies stelle eine „völlig veränderte Lage in Bezug auf die Rückkehrsituation dar“. Es sei in Anbetracht dessen nicht geklärt worden, „unter welchen Umständen der Revisionswerber in China leben würde“. Das sei auch bereits in der Beschwerde geltend gemacht worden. In den Revisionsgründen ergänzt dies der Revisionswerber dahingehend, dass die Feststellungen zur Situation in China vom Bundesverwaltungsgericht hätten aktualisiert werden müssen. Auch wenn „Covid‑19 in China momentan als eingedämmt“ erscheine, würden Rückkehrer und Einreisende aus anderen Staaten für eine potentielle neuerliche Einschleppung des Virus verantwortlich gemacht.

14 Zunächst ist festzuhalten, dass der in der Revision erhobene Vorwurf, das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit dem auf die behauptete Lageänderung infolge der Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung des „Coronavirus“ nicht auseinandergesetzt, auf dem Boden des Inhalts der angefochtenen Entscheidung nicht zutrifft.

15 Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu (auszugsweise) ausgeführt (Fehler im Original):

„Auch wenn es momentan zu einzelnen Einschränkungen im Sozial- als auch Wirtschaftsleben aufgrund des Coronavirus, insbesondere in einzelnen Provinzen Chinas kommt, bzw. gekommen ist, so kann alleine deshalb noch nicht von einer derart gravierenden Lageänderung im gesamten Staatsgebiet von China gesprochen werden, sodass es diesbezüglich zu einer verfahrensrelevant wesentlich veränderten Situation in Herkunftsstaat des BF, China gekommen wäre, bzw. der BF nunmehr alleine deshalb bei einer Rückkehr einer verfahrensrelevanten Gefährdung im Sinne insbesondere des § 8 AsylG ausgesetzt wäre, oder alleine deshalb nunmehr eines subsidiären Schutzes bedürfen würde. Vielmehr ist auch auf die Corona Pandemie in China bezogen festzuhalten, dass aufgrund der aktuellen Länderfeststellungen eine grundsätzliche auch medizinische Versorgung in China vorhanden ist und ein Zugang des BF zu dieser für den BF als chinesischen Staatsbürger bei einer Rückkehr auch zugänglich ist. Konkret auf das Coronavirus in China bezogen ist auszuführen, dass es in China aktuell zu einem erheblichen Rückgang der Neuinfektionen auf nur mehr wenige neue Fälle im gesamten Staatsgebiet von China gekommen ist. Die gegenwärtige Lage hat sich in China insbesondere bezogen auf die Corona Pandemie in China gegenwärtig derart entspannt, sodass die mit Ende Jänner 2020 verhängten Ausgangsbeschränkungen mittlerweile weitgehend aufgehoben worden konnten, bzw. es wieder zu einer Aufnahme des gesellschaftlichen Lebens, der Reisefreiheit, bzw. auch der Produktion, dies selbst in den am meisten betroffenen Provinzen Chinas wie Hubei und der Stadt Wuhan, gekommen ist. Auch ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer als ein gesunder Mann mit 52 Jahren nicht einer der bezogen auf das Coronavirus besonders vulnerablen Gruppe, wie etwa alte oder kranke Personen angehört. Dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der gegenwärtigen weltweiten Corona Pandemie einer relevanten Gefährdung gem. Art. 3 EMRK im gesamten Staatsgebiet von China mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre, kann aufgrund sämtlicher vorliegenden Informationen betreffend der Lage das Corona‑Virus in China betreffend nicht angenommen werden, bzw. wurde ein diesen Ergebnis substantiell wiedersprechendes Vorbringen ausreichend belegt und begründet auch in der Beschwerdeschrift nicht vorgebracht, bzw. im gesamten Beschwerdeverfahren belegt dargelegt.“

16 Das Bundesverwaltungsgericht kam im Weiteren letztlich auch zum Ergebnis, dass mit Blick auf die zu prüfenden Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiären Schutz keine solche Veränderung der Situation stattgefunden habe, die die Behörde verpflichtet hätte, eine neue inhaltliche Entscheidung über den vom Revisionswerber gestellten Antrag zu treffen.

17 Der Revisionswerber zeigt aus den nachstehenden Gründen nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.

Rechtsprechung zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache

18 Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen. Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt. Auf dem Boden der Rechtsprechung hat auch das Verwaltungsgericht dann, wenn der bei ihm in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid nach den vorstehenden Grundsätzen zu Unrecht eine Sachentscheidung beinhaltete, im Rahmen seiner Prüf- und Entscheidungsbefugnis einen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

19 Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung ‑ nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen ‑ berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt.

20 In jenem Fall, in dem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den verfahrenseinleitenden Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat, ist „Sache des Beschwerdeverfahrens“ vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgt ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesfalls zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen früheren Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat ‑ von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen ‑ im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. die ausführliche Zusammenfassung der zu § 68 Abs. 1 AVG ergangenen Rechtsprechung in VwGH 18.12.2019, Ro 2019/14/0006, mwN; wobei der Vollständigkeit halber anzumerken ist, dass der gegenständliche Fall vom dort an den EuGH gerichteten Ersuchen um Vorabentscheidung schon wegen der anders gelagerten Ausgangssituation nicht berührt wird).

Rechtsprechung zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005

21 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK ‑ nur eine solche wird vom Revisionswerber der Sache nach ins Treffen geführt ‑ eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

22 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein ‑ im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen ‑ höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen.

23 Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen.

24 Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. zum Ganzen VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053, mwN).

Fallbezogene Beurteilung

25 Zunächst ist festzuhalten, dass der Revisionswerber nicht vorgebracht hat, an Covid‑19 erkrankt zu sein. Er wendet sich auch nicht gegen die ‑ vor dem Hintergrund der Feststellungen unbedenkliche ‑ Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, es gebe keine Hinweise dafür, dass davon auszugehen wäre, es bestünde ein reales Risiko, dass der Revisionswerber im Fall der Rückkehr in sein Heimatland dort sogleich mit dem SARS‑CoV‑2‑Virus infiziert, an Covid‑19 erkranken und unter qualvollen Umständen sterben oder wegen des Fehlens angemessener Behandlung in China oder wegen fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führe, ausgesetzt sein würde.

26 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zudem mit den in China getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des SARS‑CoV‑2‑Virus und deren Auswirkungen auf die allgemeine Situation ‑ im Besonderen in Bezug auf die Frage der Sicherung der Grundbedürfnisse der Existenz des Revisionswerbers ‑ auseinandergesetzt. Es ist dabei anhand der Feststellungen zum Ergebnis gekommen, dass es ‑ ungeachtet der vorhandenen Einschränkungen im Sozial- und Wirtschaftsleben ‑ zu keiner wesentlichen Änderung in jenen Belangen gekommen ist, die die Sicherung der Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz betreffen.

27 Den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Revision nur unsubstantiierte Behauptungen entgegen, die nicht geeignet sind, dessen Erwägungen als rechtswidrig darzustellen. Soweit der Revisionswerber geltend macht, es fehlten Feststellungen zur Lage in China, legt er nicht einmal ansatzweise dar, zu welchen ergänzenden Feststellungen das Bundesverwaltungsgericht im Fall weiterer (im Übrigen auch nicht näher konkretisierter) Erhebungen hätte kommen und weshalb diese zu einem anderen Verfahrensergebnis hätten führen können.

28 Sollte der Revisionswerber mit seinem Vorbringen vor Augen haben, dass sich für ihn infolge der seitens chinesischer Behörden zur Verhinderung der Verbreitung des SARS‑CoV‑2‑Virus gesetzten Maßnahmen die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstelle, ist dem entgegenzuhalten, dass es darauf bei der Frage, ob im Fall seiner Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, nicht ankommt (vgl. in diesem Sinn auch VwGH 23.6.2020, Ra 2020/20/0188). Dass diese Maßnahmen dazu geführt hätten, dass die Sicherung seiner existenziellen Grundbedürfnisse als nicht mehr gegeben anzunehmen wäre, wird auch vom Revisionswerber nicht (und dementsprechend auch nicht durch ein konkretes auf seine Situation abstellendes Vorbringen untermauert) behauptet.

29 Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis gekommen ist, es liege im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen früheren Asylverfahren keine wesentliche Änderung in den für die Entscheidung maßgeblichen Umständen vor und eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages sei von vornherein ausgeschlossen.

30 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ‑ in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat ‑ zurückzuweisen.

Wien, am 3. Juli 2020

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