European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020070115.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 12. Mai 2020 stellte die belangte Behörde über Antrag der Revisionswerberin vom 31. März 2020 gemäß § 38 Abs. 2 Tiroler Wald- und Weideservitutengesetz (WWSG) fest, dass es sich bei der im Lastenblatt der Liegenschaft in EZ 51 GB 87107 G. unter C‑LNR 55 einverleibten Dienstbarkeit, einen „Brechelscherm“ auf Grst. Nr. 415/5 zu errichten und zu erhalten, nicht um ein Nutzungsrecht nach § 1 Abs. 1 WWSG handle.
2 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Verwaltungsgericht mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass festgestellt werde, es handle sich bei dem in Rede stehenden Recht um ein solches nach § 1 Abs. 1 WWSG.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG als nicht zulässig.
4 In seinen Entscheidungsgründen hielt das Verwaltungsgericht fest, dass es sich bei einem „Brechelscherm“ („Brechelstube“) um eine Hütte zur Trocknung und Weiterverarbeitung von Flachs handle.
5 Eine öffentlich‑rechtliche Regulierungsurkunde betreffend das in Rede stehende Recht liege weder bei der belangten Behörde noch in der Abteilung Tiroler Landesarchiv, beim Verband der Einforstungsgenossenschaften oder der Revisionswerberin auf. Das in Rede stehende Recht sei nicht von der Regulierungslandeskommission auf der Grundlage des Kaiserlichen Patentes 1853 reguliert worden.
6 In beweiswürdigender Hinsicht hielt das Verwaltungsgericht fest, dass keine Urkunde vorhanden sei, die eine solche Regulierung beweisen würde. Es gebe somit keinen Anhaltspunkt, der für eine Regulierung sprechen würde. Dabei seien sämtliche zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Erlangung von Urkunden ausgeschöpft worden.
7 Im Ergebnis liege daher kein Nutzungsrecht im Sinne des § 1 Abs. 1 lit. a, b oder c WWSG vor.
8 Der Vollständigkeit halber werde festgehalten, dass das in Rede stehende Recht ‑ wie sich aus der Klagsanmerkung im Grundbuch ergebe ‑ strittig sei. Das Recht sei nicht von einem ordentlichen Gericht festgestellt worden. Abgesehen davon, dass kein diesbezüglicher Antrag vorliege, scheide ein Vorgehen nach § 37 Abs. 1 WWSG daher aus.
9 Nach den getroffenen Feststellungen habe der „Brechelscherm“ im Jahre 1855 noch nicht existiert. Das in Rede stehende Recht sei sohin nicht bereits vor dem 14. Juli 1853 ersessen worden. Wenn im Grundbuchsanlegungsakt Protokoll r. 204 davon die Rede sei, das verfahrensgegenständliche Recht sei durch Ersitzung erworben worden, liege der Schluss nahe, dass es sich nicht um ein Recht nach § 1 Abs. 1 lit. a, b oder c WWSG handle. Eine Ersitzung von Rechten nach § 1 Abs. 1 lit. a, b oder c WWSG nach dem 14. Juli 1853 sei nämlich nicht möglich gewesen (vgl. § 2 Abs. 2 WWSG). Darüber hinaus werde beim in Rede stehenden Recht im Grundbuch der Stand 1932 und nicht wie bei anderen Rechten der Stand 1853 und eine Servitutenregulierungsurkunde angeführt. Auch diese Tatsache spreche gegen die Annahme, das betreffende Recht sei durch eine Servitutenregulierungsurkunde eingeräumt worden.
10 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. Jänner 2000 sei nicht festgestellt worden, dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Recht um ein solches nach § 1 Abs. 1 WWSG handle. Der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung habe in seinem Erkenntnis vom 26. Mai 2000 sogar dahinstehen lassen, ob es sich in allen Fällen um Nutzungsrechte im Sinne des WWSG gehandelt habe. Dieser Bescheid entfalte daher keine Bindungswirkung hinsichtlich der Qualifikation des verfahrensgegenständlichen Rechts.
11 Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht wie folgt:
„Die getroffenen Feststellungen sind im Wesentlichen unstrittig. Fragen der Beweiswürdigung sind in der Regel nicht revisibel. Im Übrigen orientiert sich das Erkenntnis an der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB VwGH 27.6.1995, 94/07/0128). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt daher nicht vor.“
12 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß § 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Eine Revision, die Ausführungen zu ihrer Begründetheit auch als Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit wortident enthält, wird dem Erfordernis des § 28 Abs. 3 VwGG der gesonderten Darstellung der Gründe aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, nicht gerecht (VwGH 28.3.2019, Ra 2019/07/0009, mwN).
17 Ein solcher Fall liegt hier vor.
18 Die Zulässigkeitsausführungen „a) Abgehen von ständiger Rechtsprechung“ finden sich wortident in den Revisionsgründen zu „A) Zum Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit des Inhaltes: 1.“.
19 Zudem wird in der Zulässigkeitsbegründung weiter geltend gemacht, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob es sich bei dem Recht der Errichtung und Erhaltung eines „Brechelscherms“ um ein Nutzungsrecht im Sinne des WWSG handle. Dabei liege eine Rechtsfrage vor, die über die Bedeutung für den Einzelfall hinausgehe.
20 Mit diesem Zulässigkeitsvorbringen wendet sich die Revision erkennbar gegen die Auslegung der Bescheide der belangten Behörde vom 24. Jänner 2000 sowie des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 26. Mai 2000 durch das Verwaltungsgericht.
21 Die Auslegung eines Bescheides stellt die Lösung eines Einzelfalls dar, dem regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (VwGH 26.1.2017, Ra 2016/07/0110, mwN).
22 Allerdings würde das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes auch in einer solchen Frage von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichen, wenn es in seine Einzelfallbeurteilung Aspekte einbezöge, welche nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutungslos sind, oder wenn es die zu der in Rede stehenden Rechtsfrage entwickelten Grundsätze verkennen würde (VwGH 25.10.2018, Ra 2017/07/0029, mwN).
23 Davon ist im Revisionsfall nicht auszugehen.
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. Februar 2021
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
