VwGH Ra 2020/05/0125

VwGHRa 2020/05/012526.8.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision 1. der Mag. K F und 2. des S F, beide in P, und 3. der Mag. S F in W, alle vertreten durch die KS Kiechl Schaffer Rechtsanwalts GmbH in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 85/5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 27. April 2020, LVwG‑AV‑145/001‑2020, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde P; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020050125.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde P. vom 11. November 2019, mit welchem ihnen der baupolizeiliche Auftrag zum Abbruch eines Nebengebäudes auf einer näher bezeichneten Liegenschaft erteilt und deren Antrag auf Verlängerung der Frist zur Äußerung zu einem näher bezeichneten Gutachten des Amtssachverständigen zurückgewiesen worden war, dahingehend stattgegeben, das der zweite bis sechste Satz des behördlichen Bescheidspruches zu entfallen habe und die Leistungsfrist mit vier Monaten ab Rechtskraft des angefochtenen Erkenntnisses festgesetzt werde; im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Unter einem wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

5 Die revisionswerbenden Parteien führen in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision aus, dass sie in der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hätten. Im gegenständlichen Fall lägen keine der in § 24 Abs. 2 VwGVG genannten Ausnahmen vor, sodass die revisionswerbenden Parteien in ihrem Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verletzt worden seien. Der Ausnahmetatbestand des § 24 Abs. 4 VwGVG liege nicht vor, zumal nicht von vornherein angenommen werden könne, die mündliche Verhandlung werde nicht zur Klärung der Rechtssache beitragen.

6 Zudem weise das angefochtene Erkenntnis weitere Begründungsmängel auf. Die im Rahmen der Vorlage der Verwaltungsakten erstattete „Gegenäußerung“ der belangten Behörde sei den revisionswerbenden Parteien niemals zur Kenntnis gebracht worden, weshalb sie keine Möglichkeit gehabt hätten, sich dazu zu äußern. In dieser „Gegenäußerung“ sei der zeitliche und technische Ablauf unzureichend dargestellt worden. Offen bleibe etwa, wann der Zubau zum Nebengebäude tatsächlich erfolgt sei, was für die Frage der Bewilligungspflicht maßgeblich sei. Im Revisionsfall sei auch § 5 Abs. 3 zweiter Satz NÖ Bauordnung 2014 anzuwenden gewesen, wonach die Baubehörde auf Antrag der revisionswerbenden Parteien die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen habe, wenn die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt seien. Dasselbe gelte sinngemäß ab Vorlage der Beschwerde für das Verwaltungsgericht. Hätten die revisionswerbenden Parteien rechtliches Gehör zur Äußerung der belangten Behörde gehabt, hätten sie neuerlich „einen bezugnehmenden Antrag“ gestellt.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

7 Zunächst ist festzuhalten, dass im Revisionsfall ‑ wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat ‑ die Bewilligungsfähigkeit des Nebengebäudes nicht zu prüfen war (vgl. etwa VwGH 24.1.2017, Ra 2016/05/0066, mwN). Maßgeblich für die Erteilung des gegenständlichen Abbruchauftrages war vielmehr, dass für das betreffende Nebengebäude nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes keine Baubewilligung vorliegt und keine Bauanzeige erstattet wurde. Das Nebengebäude wurde nach den ebenfalls unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes nach dem 29. Mai 1969 errichtet, wobei das Verwaltungsgericht von einer Bewilligungspflicht nach den seither geltenden baurechtlichen Bestimmungen ausgegangen ist. Daran vermag ein von den revisionswerbenden Parteien nunmehr geltend gemachter, allfälliger Zubau zum Nebengebäude nichts zu ändern, weshalb das sich darauf beziehende Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung ins Leere geht.

8 Ausgehend davon ist der Vorwurf der revisionswerbenden Parteien, das Verwaltungsgericht habe in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen, nicht berechtigt. Die revisionswerbenden Parteien haben im Beschwerdeverfahren die von den Baubehörden getroffenen Tatsachenannahmen betreffend die Errichtung des und das Fehlen der erforderlichen Baubewilligung für das Nebengebäude nicht bestritten und insoweit auch keinen neuen Sachverhalt behauptet. Fragen der Beweiswürdigung sind daher für das Verwaltungsgericht nicht aufgetreten und es hat auch keine neuen Sachverhaltsfeststellungen getroffen. Es ist daher nicht zu erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG hätte erwarten lassen. Der EGMR hat im Übrigen mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn ‑ wie hier ‑ keine Fragen der (maßgeblichen) Beweiswürdigung auftreten oder die (maßgeblichen) Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl. wiederum VwGH 24.1.2017, Ra 2016/05/0066, mwN).

9 Zu den weiters geltend gemachten Verfahrensmängeln (Verletzung des Parteiengehörs und der Begründungspflicht) ist auszuführen, dass in den Zulässigkeitsgründen auch die Relevanz des Verfahrensmangels dargetan werden muss. Das heißt, dass der behauptete Verfahrensmangel geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen ‑ für die revisionswerbenden Parteien günstigeren ‑ Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa VwGH 2.8.2018, Ra 2018/05/0183, mwN). Diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Revision nicht.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 26. August 2020

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