VwGH Ra 2019/22/0185

VwGHRa 2019/22/01858.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des E S, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Neulerchenfelder Straße 14/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 7. Februar 2019, VGW- 151/081/11642/2018-26, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

MRK Art8
NAG 2005 §30 Abs1
NAG 2005 §47 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220185.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Behörde) vom 27. Juli 2018, mit dem - unter amtswegiger Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 AVG wegen des Vorliegens einer Aufenthaltsehe - der Erstantrag vom 23. Dezember 2014 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) sowie der Verlängerungsantrag vom 12. April 2016 und der Zweckänderungsantrag vom 23. Februar 2017 auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte Plus" abgewiesen worden waren, ab.

Begründend führte das VwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ausführlicher Beweiswürdigung - aus, der Revisionswerber sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine Aufenthaltsehe eingegangen und habe sich bei Erteilung der Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" auf diese Ehe berufen. Dadurch sei der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG erfüllt. Die ihm erteilten Aufenthaltstitel seien somit mangels Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzung abzuweisen gewesen. Der nach der Scheidung eingebrachte Antrag auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" sei abzuweisen gewesen, weil dem Revisionswerber mangels Aufenthaltstitel ein eigenständiges Niederlassungsrecht gemäß § 27 Abs. 1 NAG nicht zustehe.

5 In der Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der hg. Rechtsprechung ab, weil das Fehlen eines gemeinsamen Haushaltes bzw. eines gemeinsamen Wohnsitzes nicht per se zu der Annahme führe, es fehle ein gemeinsames Familienleben im Sinn des § 30 Abs. 1 NAG (Hinweis auf VwGH 19.9.2012, 2008/22/0243). Weiter werden in der Zulässigkeitsbegründung die vom VwG durchgeführte Beweiswürdigung und eine unvollständige Ermittlung des Sachverhaltes gerügt, hinsichtlich der näheren Ausführungen dazu aber auf "unten" (gemeint wohl: die Revisionsgründe) verwiesen.

6 Wenn sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung des VwG betreffend das Fehlen eines gemeinsamen Familienlebens wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn das VwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vornahm. Die Beweiswürdigung des VwG unterliegt nur in beschränktem Maße, nämlich nur hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit, nicht aber hinsichtlich ihrer Richtigkeit, einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwGH 28.5.2019, Ra 2019/22/0080, Rn. 6, mwN).

7 Der Revision ist zwar insoweit zuzustimmen, als das Fehlen eines gemeinsamen Haushaltes bzw. eines gemeinsamen Wohnsitzes nicht per se zu der Annahme führt, dass eine Aufenthaltsehe vorliegt. Das VwG stützte seine Beurteilung betreffend das Vorliegen einer Aufenthaltsehe jedoch auch auf die als glaubwürdig angesehenen Aussagen der geschiedenen Ehefrau als Zeugin (etwa, dass sie die Ehe mit dem Revisionswerber als Freundschaftsdienst an ihre damalige Freundin - der Schwester des Revisionswerbers - eingegangen sei), während die Angaben des Revisionswerbers etwa zum Tagesablauf oder zur Freizeitgestaltung einer Familie mit zwei schulpflichtigen Kindern nach allgemeiner Lebenserfahrung als nicht nachvollziehbar bzw. widersprüchlich zu jenen seiner geschiedenen Ehefrau beurteilt wurden. Zusätzlich führte das VwG aus, dass der Revisionswerber auffällige Wissenslücken etwa über den Namen eines Familienhundes habe, und die Angaben der geschiedenen Ehefrau und jene der Schwester des Revisionswerbers über die Anbahnung der Ehe, die Hochzeit und Geburtstage sowie die Betreuung der Stiefkinder voneinander abwichen. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich somit wesentlich von jenem, der dem hg. Erkenntnis 2008/22/0243 zugrunde lag. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass die auch auf den in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck gestützte Beweiswürdigung des VwG unvertretbar sei.

8 Hinsichtlich Begründungsmängeln ist in der Zulassungsbegründung selbst die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang darzulegen; ein Verweis auf die weitere Revisionsbegründung reicht für die Begründung der Zulässigkeit der Revision nicht aus (vgl. VwGH 25.10.2017, Ra 2017/12/0097, Rz 8, mwN).

9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

10 Damit erübrigte sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der außerordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 8. Oktober 2019

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