VwGH Ra 2019/21/0217

VwGHRa 2019/21/021719.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision 1. des S M,

2. der M A, 3. des J M, und 4. des J M, alle in K und alle vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes je vom 25. Februar 2019, W147 1414754- 4/10E (ad 1.), W147 1414755-4/10E (ad 2.), W147 1414756-4/10E (ad 3.) und W147 2118213-2/7E (ad 4.), jeweils betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §55
BFA-VG 2014 §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs3
FrPolG 2005 §52 Abs9
MRK Art8
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210217.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und gehören der tschetschenischen Volksgruppe an. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern des Dritt- sowie des Viertrevisionswerbers.

2 Der Viertrevisionswerber wurde bereits in Österreich (am 14. Mai 2015) geboren, seine Eltern und sein Bruder, der im Juni 2000 geborene Drittrevisionswerber, waren schon im September 2008 (Erstrevisionswerber) bzw. im Oktober 2008 (Zweitrevisionswerberin und Drittrevisionswerber) in das Bundesgebiet eingereist und hatten hier Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Diese Anträge wurden schließlich mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes je vom 30. August 2012 - in Verbindung mit Ausweisungen in die Russische Föderation - vollinhaltlich abgewiesen.

3 Die erst- bis drittrevisionswerbenden Parteien reisten in der Folge nach Deutschland, von wo sie im August 2013 nach Österreich rücküberstellt wurden. Hierauf stellten sie neuerlich Anträge auf internationalen Schutz, die rechtskräftig gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen wurden (zuletzt mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 20. Mai 2014). 4 Auch dritte Anträge auf internationalen Schutz aus dem September 2014 blieben erfolglos; sie wurden mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) - ebenso wie der erste diesbezügliche Antrag des mittlerweile geborenen Viertrevisionswerbers - vollinhaltlich abgewiesen. Damit verbunden waren jeweils (insbesondere) Rückkehrentscheidungen und die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG, dass die Abschiebung der Revisionswerber in die Russische Föderation zulässig sei. Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wies das BVwG mit Erkenntnissen je vom 25. Oktober 2017 als unbegründet ab. 5 Bereits im Jänner 2018 stellten alle vier Revisionswerber hierauf einen gemeinsamen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 Abs. 1 AsylG 2005, den sie in der Folge dahingehend abänderten, es mögen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 erteilt werden.

6 Das BFA wies diese Anträge mit Bescheiden je vom 28. März 2018 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück, verband das gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG - unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise - mit Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Revisionswerber in die Russische Föderation zulässig sei. Auch die dagegen erhobenen Beschwerden wies das BVwG, nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, mit den nunmehr angefochtenen Erkenntnissen vom 25. Februar 2019 als unbegründet ab, wobei es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG jeweils aussprach, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 In dieser Hinsicht machen die Revisionswerber - nach Ablehnung der Behandlung der zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und ihrer Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 1159- 1162/2019-8 - in der dann fristgerecht ausgeführten außerordentlichen Revision geltend, es bedürfe einer Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof, wann von einer derart außergewöhnlichen Integration gesprochen werden könne, dass die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 gerechtfertigt sei. In diesem Zusammenhang wird dann auf einzelne Aspekte verwiesen, die nach Ansicht der Revisionswerber in ihrem Fall zu einer Erteilung der begehrten Aufenthaltstitel hätte führen müssen.

10 Dabei handelt es sich aber naturgemäß um fallspezifische Aspekte, die somit schon von daher für sich betrachtet nicht den angesprochenen Klärungsbedarf zu begründen vermögen. Vor allem ist aber darauf hinzuweisen, dass es im vorliegenden Fall in erster Linie um die Frage geht, ob es gegenüber den rechtskräftigen Rückkehrentscheidungen vom 25. Oktober 2017 (siehe oben Rn. 4) zu Sachverhaltsänderungen gekommen ist, die zu einer Neubeurteilung der Situation der Revisionswerber führen könnten. Derartige Sachverhaltsänderungen zeigt die Revision aber nicht auf. Sie weist insoweit der Sache nach lediglich auf einen nunmehr längeren Inlandsaufenthalt der Revisionswerber hin, wozu allerdings anzumerken ist, dass dieser Inlandsaufenthalt in Anbetracht des Aufenthalts der Revisionswerber in Deutschland im Jahr 2013 auch im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Erkenntnisse noch nicht insgesamt zehn Jahre betragen hat. Unabhängig davon ist zu betonen, dass die gleichwohl lange Dauer des Inlandsaufenthaltes der erst- bis drittrevisionswerbenden Parteien maßgeblich darauf zurückzuführen ist, dass sie nach der Abweisung ihrer ersten Anträge auf internationalen Schutz mit rechtskräftigen Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 30. August 2012 zwei erfolglose Folgeanträge gestellt haben, was die Bedeutung der Länge ihres Inlandsaufenthaltes nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Regelfall nicht unwesentlich schmälert (siehe nur das grundsätzliche Erkenntnis VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, Rn. 13 und 19). Der in der Revision in diesem Zusammenhang noch erhobene Vorwurf, die Behörden hätten es über Jahre hindurch verabsäumt, aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu setzen, ist schon wegen des den Revisionswerbern in den (weiteren) Verfahren auf internationalen Schutz zukommenden faktischen Abschiebeschutzes verfehlt.

11 Dem Drittrevisionswerber ist die mehrfache Asylantragstellung zwar nicht im gleichen Maße zurechenbar wie seinen Eltern. In Bezug auf seine Person ist aber anzumerken, dass er - anders als noch bei Erlassung der Rückkehrentscheidung vom 25. Oktober 2017 - nicht mehr die Schule (eine HTL) besucht; er habe - so der Drittrevisionswerber in der Beschwerdeverhandlung - die zweite Klasse nicht abgeschlossen. Insoweit ist dann aber auch hinsichtlich seiner Person die Ansicht, die gegenüber der vorangegangenen rechtskräftigen Rückkehrentscheidung aus dem Oktober 2017 längere Aufenthaltsdauer habe keine maßgebliche Sachverhaltsänderung bewirkt, jedenfalls vertretbar (siehe in Bezug auf die wiederholte Rückkehrentscheidung ähnlich VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0057 und 0058, insbesondere Rn. 10). 12 Vor dem dargestellten Hintergrund gelingt es der Revision nicht, eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2019

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