VwGH Ra 2019/20/0584

VwGHRa 2019/20/058413.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Rechtssache der Revision des M A in W, vertreten durch Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juli 2019,  W238 2178303-1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019200584.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 6. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass sein Vater sowie zwei seiner Brüder von den Taliban aufgrund von Grundstückstreitigkeiten innerhalb der Familie und einer unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung getötet worden seien. Während seines Asylverfahrens habe der Revisionswerber im November 2018 ein Taliban-kritisches Video im Internet veröffentlicht, aufgrund dessen er bei einer Rückkehr eine Verfolgung fürchte.

2 Mit Bescheid vom 19. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine 14-tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 23. September 2019, E 3004/2019-7, die Behandlung dieser Beschwerde ablehnte und diese Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

5 In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

 

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 In der vorliegenden Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das vom Revisionswerber veröffentlichte Video werde vom BVwG weitgehend verharmlost. Aufgrund der eindeutigen Adressierung des Videos an die Taliban bestehe eine Verfolgungsgefahr für den Revisionswerber. Zudem habe das BVwG unterlassen, aktuelle Länderberichte betreffend der Sicherheits-, Gefährdungs- und Versorgungslage in den Städten Mazar-e Sharif und Herat einzuholen und die Integrationsbemühungen des Revisionswerbers völlig außer Acht gelassen.

10 Der Revision gelingt es nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung des BVwG, der Revisionswerber sei bei einer Rückkehr keiner Verfolgungsgefahr ausgesetzt, die mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes drohe (vgl. dazu VwGH 24.6.2019, Ra 2019/20/0101, mwN), grob fehlerhaft wäre. Das BVwG legte fallbezogen in nicht unvertretbarer Weise dar, warum es ausgehend von den getroffenen Feststellungen zum Inhalt des ins Treffen geführten Videos, das der Revisionswerber auf seinem Facebookprofil veröffentlicht habe, und den persönlichen Umständen des Revisionswerbers die Gefahr einer Verfolgung für unwahrscheinlich erachtete. Die Revision zeigt nicht auf, dass die beweiswürdigenden Ausführungen BVwG unvertretbar wären, weshalb ein relevanter Begründungsmangel nicht ersichtlich ist (vgl. zur eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung etwa VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712 bis 0715, mwN).

11 Soweit die Revision Verfahrensmängel - insbesondere die Heranziehung veralteter Länderberichte - geltend macht, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 8.7.2019, Ra 2019/20/0163, mwN). Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss (bei Feststellungsmängeln) auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. wiederum VwGH 8.7.2019, Ra 2019/20/0163, mwN). Eine solche Relevanzdarlegung ist der Zulässigkeitsbegründung nicht zu entnehmen.

12 Soweit die Revision schließlich die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0457, mwN).

13 Das BVwG hat entgegen dem Vorbringen in der Revision die Integrationsbemühungen des Revisionswerbers, insbesondere dessen Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Sprachniveau B1 und den Besuch einer näher bezeichneten HTL seit September 2018 nach Absolvierung eines Vorbereitungslehrganges, in seiner Abwägung berücksichtigt. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass die Interessenabwägung des BVwG fallbezogen unvertretbar wäre oder nicht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage gründen würde.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 13. Jänner 2020

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