European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200347.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Sämtliche Mitbeteiligte sind irakische Staatsangehörige, Sunniten und Angehörige der arabischen Volksgruppe. Der Erstmitbeteiligte und die Zweitmitbeteiligte sind verheiratet, der Dritt- und die Viertmitbeteiligte deren gemeinsame minderjährige Kinder. Der Erstmitbeteiligte stellte am 1. Juni 2015, die Zweitmitbeteiligte am 19. November 2015, der Drittmitbeteiligte am 11. Dezember 2017 und die Viertmitbeteiligte am 4. Jänner 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu ihren Fluchtgründen befragt, gaben der Erst- und die Zweitmitbeteiligte zusammengefasst an, als Sunniten sowie aufgrund der früheren Tätigkeit des Erstmitbeteiligten im irakischen Bildungsministerium von der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq bedroht und verfolgt worden zu sein.
2 Mit Bescheiden vom 6. September 2016, vom 7. September 2016, vom 14. Dezember 2017 und vom 29. Jänner 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Anträge der Mitbeteiligten auf internationalen Schutz jeweils zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei und legte eine 14- tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden die Beschwerden der Mitbeteiligten vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als unbegründet abgewiesen, den Beschwerden jeweils hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben, der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt und auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigungen erteilt. Weiters hob das BVwG jeweils die übrigen Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide auf und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Die vorliegende Amtsrevision wendet sich gegen die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten und die darauf aufbauenden Spruchpunkte.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 12.6.2018, Ra 2018/20/0250, mwN).
9 Zunächst bringt die Amtsrevision zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, dass gerade aufgrund der vom BVwG erachteten Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der Mitbeteiligten betreffend die Verfolgung und Bedrohung durch schiitische Kräfte nicht ersichtlich sei, dass die Mitbeteiligten aufgrund von Schikanen und Diskriminierungen durch Schiiten bzw. schiitische Milizen einer erhöhten Gefährdung und einer Gefahr, in eine aussichtslose Lage zu geraten, ausgesetzt sein würden. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Verneinung einer asylrelevanten Verfolgung für sich genommen keineswegs eine Diskriminierung der Mitbeteiligten durch die näher bezeichneten Akteure ausschließt. 10 Darüber hinaus stützte sich das BVwG - entgegen dem Revisionsvorbringen - nicht tragend auf die zu erwartenden Schikanen und Diskriminierungen durch Schiiten bzw. schiitische Milizen, sondern auf die unbestrittene, bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 ausgeübte Tätigkeit des Erstmitbeteiligten als Angestellter im Bildungsministerium im Herkunftsstaat, aufgrund derer er bei der Suche eines Arbeitsplatzes auf gravierende Schwierigkeiten stoßen würde, weiters auf den Umstand, dass es sich bei den Mitbeteiligten um eine Familie mit Kleinkindern handle sowie auf die aktuelle Versorgungslage und die humanitäre Situation in Bagdad. Dagegen bringt die Revision nichts Konkretes vor.
11 Das BVwG kam vor diesem Hintergrund in einer nicht als unvertretbar zu erkennenden Weise zu dem Schluss, dass diese Umstände - kumulativ betrachtet - die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen würden. Demnach würde die Rückkehr der Mitbeteiligten in ihren Herkunftsstaat zu einer Verletzung der nach Art. 3 EMRK geschützten Rechte führen, da sie in eine aussichtslose Lage geraten würden, in welcher sie nicht in der Lage wären, die Grundbedürfnisse ihrer menschlichen Existenz zu decken.
12 Im Übrigen gelingt es der vorliegenden Amtsrevision auch mit dem pauschalen Hinweis, in Bagdad bestehe ein soziales Netz, sodass von einer gewissen Unterstützung vor Ort ausgegangen werden könne, ohne konkret darzulegen, worin diese Unterstützung bestehen würde, nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz vom BVwG in einer unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre.
13 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 14. August 2019
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