Normen
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180067.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 18. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte er im Wesentlichen vor, ihm drohe aufgrund seiner früheren Tätigkeit in einer Bäckerei, welche die afghanische Polizei beliefert habe, Verfolgung durch die Taliban.
2 Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 17. März 2017 zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen können. Er sei gesund und arbeitsfähig; ihm stehe - auch unter Bedachnahme auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 - in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Die Erlassung der Rückkehrentscheidung stelle - aus näher dargestellten Gründen - keine Verletzung des Rechts des Revisionswerbers auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG in Verbindung mit Art. 8 EMRK dar.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit - zusammengefasst - geltend gemacht wird, das BVwG weiche bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens des Revisionswerbers von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 2 BFA-VG ab. Im Übrigen treffe nicht zu, dass der Revisionswerber gesund sei. Die diesbezügliche Beweiswürdigung des BVwG sei unschlüssig. Der Revisionswerber sei vielmehr psychisch krank, wie sich dem gleichzeitig vorgelegten Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen entnehmen lasse. Er gehöre deshalb zu einer Risikogruppe laut den UNHCR-Richtlinien und wäre bei Rückkehr nach Afghanistan gefährdet, weshalb ihm subsidiärer Schutz hätte zuerkannt werden müssen.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
7 Im vorliegenden Fall wendet sich die Revision gegen die Feststellungen des BVwG zum Gesundheitszustand des Revisionswerbers. Soweit sie sich dabei auf das Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 8. Februar 2019 stützt, demzufolge beim Revisionswerber der Verdacht auf eine Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion sowie eine Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten im Sinne einer Lese- und Rechenstörung vorliege, kann dieses Beweismittel im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof keine Beachtung finden. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes gemäß § 41 VwGG nämlich auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu prüfen. Daraus wird in ständiger Rechtsprechung auch abgeleitet, dass neue Tatsachen, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebracht werden, bei der Entscheidung über die Revision keine Berücksichtigung finden können (vgl. etwa VwGH 18.1.2017, Ra 2016/18/0258 bis 0259, mit weiteren Nachweisen). Das vorgelegte Gutachten datiert nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses und fällt deshalb unter das dargestellte Neuerungsverbot im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.
8 Daran ändert auch der von der Revision angesprochene Umstand, dass eine Vertrauensperson des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG angegeben hatte, sie habe den Eindruck, der Revisionswerber sei nicht auf dem Stand eines 22- jährigen, weil er sehr schwer und langsam lerne und Schwierigkeiten in der Feinmotorik habe, nichts. Das BVwG hielt dazu im Folgenden fest, der Revisionswerber habe einen wachen und orientierten Eindruck vermittelt, was auch von seinem Rechtsvertreter ausdrücklich bestätigt wurde. Es kann daher fallbezogen nicht als fehlerhaft erkannt werden, dass sich das BVwG bei dieser Sachlage nicht veranlasst sah, von amtswegen eine Begutachtung des Gesundheits- und Entwicklungszustandes des Revisionswerbers vorzunehmen.
9 Zum Revisionsvorbringen betreffend das Privat- und Familienleben des Revisionswerbers in Österreich verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0370 bis 0372, mwN).
10 Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das BVwG bei seiner Interessenabwägung zum Privat- und Familienleben des Revisionswerbers die Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht beachtet oder sie in unvertretbarer Weise angewandt hätte. Das BVwG hat nämlich entgegen dem Revisionsvorbringen auch die Beziehungen des erwachsenen Revisionswerbers zu seiner in Österreich lebenden Schwester und seine bisher gesetzten Integrationsschritte in die Interessensabwägung einbezogen, gleichzeitig aber den öffentlichen Interessen an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Straffälligkeit des Revisionswerbers im Suchtmittelbereich; geordnetes Fremdenwesen) fallbezogen vertretbar mehr Gewicht beigemessen.
11 Die Revision war daher wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen. Wien, am 6. März 2019
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)