VwGH Ra 2019/16/0070

VwGHRa 2019/16/00705.3.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des RJG in R, Schweiz, vertreten durch die Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in 6800 Feldkirch, Schloßgraben 10, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 7. Dezember 2018, RS/1200014/2018, betreffend Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde i.A. Erstattung von Eingangsabgaben nach Art. 236 ZK (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Feldkirch Wolfurt in Wolfurt), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019160070.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zur Darstellung des Verwaltungsgeschehens wird zunächst in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf die Erkenntnisse vom 15. Mai 2018, Ra 2018/16/0045, sowie vom 28. Februar 2019, Ra 2019/16/0048, verwiesen.

2 In seiner Eingabe vom 2. Juli 2018 brachte der Revisionswerber eine Säumnisbeschwerde gegen das Zollamt Feldkirch Wolfurt ein, weil dieses über seinen Antrag vom 16. Juni 2014 nur hinsichtlich der Erstattung nach Art. 239 ZK abgesprochen habe. Der Revisionswerber habe in diesem Antrag aber auch die Erstattung gemäß § 236 BAO und nach anderen anzuwendenden Gesetzesbestimmungen beantragt. Das Zollamt habe zwar zwischenzeitlich über seinen Antrag auf Erstattung nach § 236 BAO abgesprochen, bei der Prüfung der Voraussetzung für den Erlass bzw. die Erstattung jedoch sämtliche erdenklichen Rechtsgrundlagen berücksichtigen müssen. Sohin sei insbesondere Art. 236 ZK unberücksichtigt und unerledigt geblieben.

3 Nach Einleitung des Verfahrens über diese Säumnisbeschwerde wies das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Beschluss diese als unzulässig zurück und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG nicht zulässig sei.

Nach Darstellung des Verfahrensganges und Zitierung der angewandten verfahrensrechtlichen Bestimmungen erwog das Gericht:

"Mit Bescheid vom 3. Juni 2015, Zahl ..., wies das Zollamt Feldkirch Wolfurt den Antrag auf Erlass nach Art. 239 ZK als unbegründet ab. Eine Zollbefreiung für Rückwaren iSd Art. 185 ZK komme nicht in Betracht, weil der Mitbeteiligte die Ware nicht zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet habe. Gleiches gelte für die Abgabenbefreiung nach Art. 212a ZK, weil der Mitbeteiligte offensichtlich fahrlässig gehandelt habe. Es liege auch keine Unbilligkeit nach Lage der Sache vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der (Revisionswerber) Beschwerde, die das Zollamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 28. September 2015 als unbegründet abwies, worauf er die Vorlage an das Bundesfinanzgericht und die Entscheidung durch den Senat beantragte. Das Bundesfinanzgericht hat in seiner Entscheidung vom 9. Jänner 2018, ..., ausgesprochen, dass das Begehren auf Erstattung nach Art. 239 ZK auch im Grunde des Art. 236 ZK zu überprüfen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof gab mit Erkenntnis vom 15. Mai 2018, Ra 2018/16/0045, der ao. Revision des Zollamtes Feldkirch Wolfurt statt und hob das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes auf.

Unter anderem stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, ‚dass der Revisionswerber sein Begehren auf Erstattung nicht darauf gegründet hat, dass er die Eingangsabgaben gar nicht schulde, sondern - im Einklang mit seinem Antrag nach Art. 239 ZK -

auf sein mangelndes Verschulden und die Unbilligkeit der Abgabenbelastung. Unter Würdigung des gesamten Vorbringens war daher der Antrag auf Erstattung nur als solcher im Grunde des Art. 239 ZK zu verstehen und hat das Zollamt mit seinem Bescheid vom 3. Juni 2015 darüber abgesprochen, wodurch auch die Sache des Beschwerdeverfahrens (§ 279 Abs. 1 BAO) darauf beschränkt ist.'

Da das Zollamt über den Antrag des (Revisionswerbers), der - nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes - in Würdigung des gesamten Vorbringens ausschließlich als Antrag auf Erstattung nach Art. 239 ZK anzusehen ist, mit Bescheid vom 3. Juni 2015 bereits abgesprochen hat, liegt keine Säumnis vor.

Eine Säumnisbeschwerde iSd § 284 BAO ist u. a. dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn überhaupt keine Entscheidungspflicht besteht bzw. wenn sie erloschen ist (vgl. Ritz, BAO6, § 284 Tz 12; VwGH 22. 6. 2001, 2000/13/0178).

Wie oben (unter Hinweis auf die Feststellungen im Erkenntnis des VwGH vom 15. Mai 2018) ausführlich dargestellt, wurde die eingemahnte Entscheidung seitens des Zollamtes bereits mit Bescheid vom 3. Juni 2015, Zahl ..., erlassen und zugestellt.

Gemäß § 274 Abs. 3 BAO kann der Senat ungeachtet eines diesbezüglichen Antrages von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist.

..."

Seinen Ausspruch über Unzulässigkeit einer Revision begründete das Gericht damit, die mit der angefochtenen Entscheidung zu lösenden Rechtsfragen seien durch die dort zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erklärt oder ergäben sich aus dem Wortlaut der anzuwendenden einschlägigen Gesetzesbestimmungen.

4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision, die u.a. eine Verletzung im Recht auf Erstattung bzw. Erlass nach Art. 236 ZK sowie im Recht auf Entscheidung innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Erledigungsfrist und Erledigung seiner Säumnisbeschwerde geltend macht.

Die Zulässigkeit seiner Revision sieht die Revision zusammengefasst darin begründet, der Revisionswerber habe in seiner Eingabe vom 16. Juni 2014 beantragt, die festgesetzte Eingangsabgabenschuld "gemäß § 236 BAO bzw. anderen anzuwendenden Gesetzesbestimmungen" zur Gänze zu erlassen sowie die Zahlungsverpflichtung auszusetzen. Zusätzlich zu diesem Antrag sei mit einer Urkundenvorlage vom 16. Juli 2014 ein Antrag nach Art. 239 ZK angekündigt und mit Antragsergänzung vom 4. August 2014 auch zusätzlich zu den bisher explizit gestellten Anträgen eingebracht worden. Die Auffassung, wonach der Revisionswerber seinen Antrag lediglich auf die Voraussetzungen des Art. 239 ZK gegründet habe, sei nicht haltbar. Selbst bei gegenteiliger Rechtsauffassung zum Umfang seiner Anträge sei spätestens mit Einlegung der Beschwerde klargestellt gewesen, dass auch ein Vorgehen nach Art. 236 ZK beantragt sei. Dies sei auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht am 23. November 2017 hervorgehoben worden. Sohin hätten die Behörden noch immer nicht über seinen Antrag nach Art. 236 ZK entschieden und dieser Antrag sei nach wie vor unerledigt. Es finde sich überdies auch keine Rechtsprechung dazu, inwieweit Konkretisierungen bzw. Ergänzungen der Anträge im Beschwerdeverfahren zulässig seien, was im Hinblick auf den Grundsatz, dass kein Neuerungsverbot bestehe, jedenfalls möglich sein müsste. Es mangle an einer konkreten Rechtsprechung zur Frage, inwieweit eine konkludente Antragstellung nach Art. 236 ZK möglich sei bzw. ob Ergänzungen bzw. Konkretisierungen zur ursprünglichen Antragstellung auch im Rechtsmittelverfahren möglich seien.

5 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß Art. 133 Abs. 9 erster Satz B-VG sind auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen sinngemäß anzuwenden.

Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

6 Wie bereits eingangs dargelegt, hatte der Verwaltungsgerichtshof mit seinem zitierten Erkenntnis vom 15. Mai 2018 das damals angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 9. Jänner 2018, mit dem dieses dem Erstattungsbegehren im Grunde des Art. 236 ZK stattgegeben hatte, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes mit folgender tragenden Begründung aufgehoben:

"Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. Jänner 2001, 99/16/0530, ausgesprochen hat, normieren die Art. 236 und 239 ZK unterschiedliche Tatbestandselemente als Voraussetzungen für eine Erstattung oder einen Erlass von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben. Es liegen unterschiedliche Fälle von Erstattungsverfahren vor, was sich insbesondere daraus ergibt, dass nach Art. 239 Abs. 1 ZK eine Erstattung oder ein Erlass nur dann in Frage kommt, wenn die Voraussetzungen des Art. 236 ZK nicht vorliegen und die besonderen Vorschriften der Art. 899 ff ZK-DVO erfüllt sind. Wurde über eine beantragte Erstattung nach dem Inhalt des Spruchs der Behörde erster Instanz abgesprochen, dann ist diese Angelegenheit Gegenstand des Verfahrens und dieser Gegenstand des Verfahrens darf im Rechtsbehelfsverfahren nicht ausgetauscht werden, weil damit - was nach Art. 245 ZK nach den nationalen Bestimmungen zu beurteilen ist - ein unzulässiger Eingriff in die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz gegeben wäre.

Soweit von einer Verpflichtung der Zollbehörden (bzw. der Gerichte) zu einer umfassenden Prüfung der Erlassgründe gesprochen wird (vgl. Alexander in Witte, Kommentar zum Zollkodex6, Rz 43 zu Art. 239 ZK mwN), ist auch eine solche Prüfung auf das Vorbringens des Antragstellers (und auf die ‚Sache' des Beschwerdeverfahrens) zu beziehen. Der Mitbeteiligte hatte sein Begehren auf Erstattung nicht darauf gegründet, dass er die Eingangsabgaben gar nicht schulde, sondern - im Einklang mit seinem Antrag nach Art. 239 ZK - auf sein mangelndes Verschulden und die Unbilligkeit der Abgabenbelastung. Unter Würdigung des gesamten Vorbringens war daher der Antrag auf Erstattung nur als solcher im Grunde des Art. 239 ZK zu verstehen und hat das Zollamt mit seinem Bescheid vom 3. Juni 2015 darüber abgesprochen, wodurch auch die Sache des Beschwerdeverfahrens (§ 279 Abs. 1 BAO) darauf beschränkt ist."

7 Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG waren im fortgesetzten Verfahren die Zollbehörde und das Verwaltungsgericht an diese Rechtsansicht gebunden; dies gelangte im ebenfalls eingangs zitierten Erkenntnis vom 28. Februar 2019, Ra 2019/16/0048, zum Ausdruck.

8 Auch wenn das zitierte Erkenntnis vom 15. Mai 2018 lediglich im fortgesetzten Verfahren über ein Erstattungsbegehren nach Art. 239 ZK Bindungswirkung entfaltete, nicht jedoch in Verfahren über behauptete andere Erstattungs- oder Erlassbegehren, wirft das im angefochtenen Beschluss zugrunde gelegte Verständnis, dass die vor dem Zollamt erhobenen Anträge ausschließlich als Begehren auf Erstattung nach Art. 239 ZK anzusehen seien - und damit auch die Sache des Beschwerdeverfahrens (§ 279 Abs. 1 BAO) darauf beschränkt war -, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur dann zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Der Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalles auch eine andere Auslegung eine Erklärung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im besagten Sinne zu; die vertretbare Auslegung etwa eines Schriftstückes wirft keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (VwGH 29.6.2017, Ra 2017/16/0088).

9 Vor diesem Hintergrund entbehrt die Frage der Auslegung der vom Revisionswerber im Erstattungsverfahren eingebrachten Anträge der grundsätzlichen Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG, zumal diese Auslegung - in vertretbarer Weise - im Einklang mit dem bereits zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Mai 2018 steht.

10 Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 5. März 2019

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