Normen
AsylG 2005 §3
BFA-VG 2014 §20
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140318.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 20. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, in Mosul Besitzer eines Kleidungsgeschäftes für Frauen gewesen und deswegen vom IS bedroht worden zu sein.
2 Mit Bescheid vom 21. März 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. 3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde. Darin brachte er erstmals vor, ihm drohe im Irak auch deswegen Verfolgung, weil er eine geheime Beziehung mit einer Frau gehabt habe. Die Geschwister dieser Frau hätten von der Beziehung Kenntnis erlangt und der Revisionswerber sei bei einer Rückkehr einer Verfolgung durch die Familie dieser Frau ausgesetzt. Der Revisionswerber habe sich bei der Einvernahme geschämt, diesen privaten Fluchtgrund zu schildern. Er sei auch nicht explizit danach gefragt worden. Er habe das Vorbringen daher erst in der Beschwerde erstatten können, dieses unterliege somit nicht dem Neuerungsverbot.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Begründend führte es - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - aus, das in der Beschwerde erstmalig erstattete Vorbringen des Revisionswerbers sei insgesamt nicht glaubwürdig. Zunächst sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden könne. Der Revisionswerber habe vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht einmal ansatzweise ein derartiges Vorbringen erstattet. Es sei auch kein Grund ersichtlich, weshalb es dem Revisionswerber nicht bereits vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl möglich gewesen sein sollte, dieses Vorbringen zu erstatten. Die Erklärung, der Revisionswerber habe sich geschämt, diese Affäre zu schildern, vermöge ebenfalls nicht zu überzeugen, zumal davon auszugehen sei, dass ein Asylwerber, der sich bemühe in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt sei, alles diesem Ziel dienliche anzugeben, sodass der Behörde erkennbar sei, welchen Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt gewesen sei bzw. sein könnte. Dies sei im gegenständlichen Fall aber nicht gegeben, weil der Revisionswerber diese Affäre erstmalig erst im Rahmen der Beschwerde erwähnt habe. Darüber hinaus stehe einer allfälligen Relevanz dieser Behauptung das im Beschwerdeverfahren geltende Neuerungsverbot entgegen. Weder habe sich der Sachverhalt nach der Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl maßgeblich geändert, noch sei das Verfahren vor dem Bundesamt mangelhaft gewesen. Weiters seien dem Revisionswerber die neu vorgebrachten Tatsachen bereits im Entscheidungszeitpunkt des Bundesamts zugänglich gewesen und es würden keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Revisionswerber nicht in der Lage gewesen wäre, diese vorzubringen. Insofern sei das neue Vorbringen des Revisionswerbers, wobei die Intention der missbräuchlichen Verlängerung des Asylverfahrens offenkundig sei, vom Neuerungsverbot umfasst.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (VwGH 6.2.2019, Ra 2018/14/0210, mwN).
10 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision nahezu wortident in den Revisionsgründen wiederfinden. Enthält eine Revision die Ausführungen zur Begründetheit der Revision (nahezu) wortident auch als Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision, dann wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Erfordernis der gesonderten Darlegung von im § 28 Abs. 3 VwGG geforderten Gründen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird, nicht entsprochen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 28.3.2019, Ra 2019/14/0111, mwN).
11 Darüber hinaus wird mit dem Vorbringen eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt:
12 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit auf das Wesentliche zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung der Anwendbarkeit des Neuerungsverbotes abgewichen. Von einem Missbrauch könne im gegenständlichen Fall keine Rede sein, zumal der Revisionswerber aus nachvollziehbaren Gründen nicht in der Lage gewesen sei, Angaben über höchstpersönliche, die Geschlechtssphäre betreffende Umstände gegenüber der Behörde zu machen.
13 Für die Annahme eines Neuerungsverbotes bedarf es nach der Rechtsprechung der Auseinandersetzung mit der für die Annahme eines Neuerungsverbotes erforderlichen Voraussetzung der missbräuchlichen Verlängerung des Asylverfahrens (vgl. VwGH 29.7.2015, Ra 2015/18/0036, mwN).
14 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit dem erstmals in der Beschwerde erhobenen Vorbringen des außerehelichen Kontakts dahin gehend näher befasst, als es diesem Vorbringen zum einen die Glaubwürdigkeit abgesprochen, indem es dieses als spätes, gesteigertes Vorbringen qualifiziert hat. Zum anderen hat es dieses Vorbringen alternativ auch unter Bezugnahme auf die vorliegende Rechtsprechung wegen der angenommenen Missbrauchsabsicht als gegen das Neuerungsverbot verstoßend gewertet.
15 Die Revision greift nur den vom Verwaltungsgericht alternativ angenommenen Verstoß gegen das Neuerungsverbot auf. Insoweit im Zulassungsvorbringen unter Hinweis auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes lediglich ausgeführt wird, von Missbrauch könne keine Rede sein, weil der Revisionswerber nicht in der Lage gewesen sei, über höchst persönliche, die Geschlechtssphäre betreffende Umstände Angaben zu machen, wird mit diesen unsubstantiiert gebliebenen Ausführungen nicht dargelegt, dass die rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts in unvertretbarer Weise erfolgt wäre. 16 Soweit das Verwaltungsgericht das in der Beschwerde erhobene Vorbringen - neben der Missbrauchsabsicht - auch als unglaubwürdig beurteilt hat, greift dies die Revision nicht auf und zeigt damit auch nicht auf, dass diese Erwägungen unvertretbar wären.
17 Vom Revisionswerber wird somit insgesamt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG dargetan, von deren Lösung die Erledigung der Revision abhängt. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 30. März 2020
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