Normen
BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1 Z1
BauRallg
ROG Slbg 1977 §12 Abs2 litd
VwGG §42 Abs2 Z1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019060106.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Gemeinde Bad Vigaun hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 20. Juni 2017 versagte der Bürgermeister der Gemeinde B. der Revisionsweberin die beantragte baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Seniorenheimes (Seniorenresidenz/Betreutes Wohnen) auf einem näher bezeichneten Grundstück in der Gemeinde B. und begründete dies damit, dass das beantragte Bauvorhaben dem geltenden Flächenwidmungsplan widerspreche.
2 Mit Bescheid vom 7. September 2017 gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung der Revisionsweberin keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die gegenständliche Grundstücksfläche im Flächenwidmungsplan der Gemeinde B. als „Sonderfläche Kurzentrum/Gesundheits‑, Sozial‑, Freizeit‑ und Fremdenverkehrseinrichtungen“ gewidmet sei. Das beantragte Bauvorhaben sei keine Sozialeinrichtung, zumal es sich nicht um einen Betrieb der öffentlichen Hand handle. Selbst wenn es sich um eine Sozialeinrichtung handeln würde, wäre der nach den Planungsunterlagen zum maßgeblichen Flächenwidmungsplan verlangte Konnex zum in der Gemeinde B. liegenden Kurzentrum nicht gegeben. Dem Verordnungsgeber sei es besonders wichtig gewesen, dass eine Wohnnutzung nur im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb des Kurzentrums zulässig sein soll. Die beantragte Baubewilligung sei demnach gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Baupolizeigesetz 1997 (BauPolG) zu versagen gewesen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Begründend stellte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen fest, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück im Flächenwidmungsplan mit Rechtswirksamkeit 4. April 2001 als „Sonderfläche für Gesundheits-, Sozial-, Freizeit- und Fremdenverkehrseinrichtungen“ gekennzeichnet sei. Auf der gegenständlichen Fläche seien Bauten und Anlagen möglich, die als Folge- oder Ergänzungseinrichtungen zum Kurhaus anzusehen seien, welche aber auch unabhängig davon zum Standort Kurzentrum passende Einrichtungen aufnehmen könnten. Definitiv ausgeschlossen sei die Situierung einer betriebsunabhängigen, reinen Wohnnutzung. Dem Projekt sei die Errichtung von 74 separaten Wohnungen mit einer Fläche von 45 bis 48 m2 zu entnehmen, welche mit einem Schlafzimmer und einem Wohn-, Küchen- und Essbereich ausgestattet würden. Bei der geplanten Seniorenresidenz handle es sich um keine soziale Einrichtung, sie werde nicht von einer öffentlich‑rechtlichen Einrichtung betrieben und zur Gänze privat finanziert. Die Seniorenresidenz stelle eine überwiegende Wohnnutzung dar.
5 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin übersehe bei den Ausführungen zu § 12 Raumordnungsgesetz 1992 (ROG 1992), dass es sich gegenständlich nicht um ein Alten- oder Pflegeheim oder sonstige Wohlfahrtseinrichtung im Sinn des Pflegegesetzes handle. Die Gemeinde B. betreibe bereits ein Alten- und Pflegeheim. Auch wäre eine solche Widmung dem Flächenwidmungsplan eindeutig zu entnehmen und der festgelegte Konnex zum Kurzentrum obsolet. In einem näher bezeichneten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft H. sei ebenso wie in einem näher bezeichneten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes bereits ausgeführt worden, dass die geplante Seniorenresidenz keine soziale Einrichtung sei; einerseits sei es keine soziale Einrichtung nach dem Pflegegesetz, andererseits auch keine öffentlich-rechtliche Sozialeinrichtung. Der Umstand, dass die Wohnungen von Senioren bewohnt werden sollten, stelle für sich genommen keine Sozialeinrichtung dar. Soweit die Revisionswerberin auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 30.4.1998, 97/06/0271, verweise und ausführe, dass die Seniorenresidenz wegen des Betreiberkonzeptes aufgrund der Nähe zur Bezeichnung „Alten- und Pflegeheim oder sonstige Wohlfahrtseinrichtungen“ begrifflich eine Sozialeinrichtung sei, könne daraus nicht gefolgert werden, dass deshalb die geplante Wohnnutzung der Sonderflächenwidmung entspreche. Durch das Vorbringen der Revisionswerberin, wonach von vornherein klar gewesen sei, dass die Bebauung ohne wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Kurzentrum erfolgen werde, könne die reine Wohnnutzung der geplanten Anlage nicht „wegargumentiert“ werden. Dass eine reine Wohnnutzung deshalb nicht vorliege, weil die Führung der Seniorenresidenz als Betrieb im Sinn des ROG 1992 geplant sei und diese als organisatorische Einheit gelte, ändere ebenfalls nicht die dem Flächenwidmungsplan widersprechende geplante überwiegende Nutzung als Wohnungen. Wie beweiswürdigend ausgeführt, sei die überwiegende Nutzung der geplanten Bebauung zweifelsfrei eine vom Kurzentrum betriebsunabhängige Wohnnutzung und diese sei nach dem gültigen Flächenwidmungsplan gerade nicht zulässig.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, dieses wegen Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben.
7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurück‑, in eventu abzuweisen. Die Revisionswerberin brachte dazu eine Replik ein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die vorliegende Revision erweist sich angesichts der geltend gemachten Begründungsmängel als zulässig.
9 Gemäß § 29 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz ‑ VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens wiederstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben. Weiters sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt aus, dass die bloße Zitierung von Beweisergebnissen nicht hinreichend ist, um den Anforderungen an die Begründungspflicht gerecht zu werden. Auch die Darstellung des Verwaltungsgeschehens vermag die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nicht zu ersetzen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 22.2.2022, Ra 2019/06/0147, mwN).
10 Nach der auch nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, aufrecht erhaltenen hg. Rechtsprechung führt ein Begründungsmangel zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. wiederum VwGH 22.2.2022, Ra 2019/06/0147, mwN).
Den dargelegten Anforderungen an die Begründung wird das angefochtene Erkenntnis nicht gerecht:
11 Im Hinblick auf die erforderliche Prüfung der Übereinstimmung des gegenständlichen Bauvorhabens mit der im maßgeblichen Flächenwidmungsplan festgelegten Widmung „Sonderfläche Kurzentrum/Gesundheits-, Sozial-, Freizeit- und Fremdenverkehrseinrichtungen“ hatte das Verwaltungsgericht zunächst zu beurteilen, ob das gegenständliche Projekt als Sozialeinrichtung im Sinn der genannten Widmung anzusehen ist. Wie sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, ist für die Abgrenzung eines Wohnbaues von einer sozialen Einrichtung, welche auch der Deckung des Wohnbedarfes ihrer Bewohner dient, entscheidend, ob der Betreuung der Bewohner des betreffenden Bauwerkes zentrale Bedeutung zukommt; durch den besonderen Verwendungszweck Betreuung unterscheidet sich die soziale Einrichtung von einem Wohnbau (vgl. dazu VwGH 14.4.1994, 93/06/0140, sowie VwGH 30.4.1998, 97/06/0271, zu § 12 Abs. 2 lit. d ROG 1977). Das Verwaltungsgericht hat keinerlei Feststellungen zu Art und Umfang der Betreuungsleistungen, die in der geplanten Seniorenresidenz erbracht werden sollen, getroffen, und infolgedessen nicht geprüft, ob der Betreuung zentrale Bedeutung zukommt oder nicht. Ob die Finanzierung der Wohnungen zur Gänze privat erfolgt und ob die Seniorenresidenz von einer „öffentlich rechtlichen Einrichtung“ betrieben wird, ist hingegen nicht entscheidend. Infolge seiner mangelhaften Begründung vermag das angefochtene Erkenntnis die Beurteilung, beim gegenständlichen Projekt handle es sich nicht um eine Sozialeinrichtung, ebenso wenig zu tragen wie die Schlussfolgerung, die Seniorenresidenz stelle eine überwiegende Wohnnutzung dar. Zudem hat sich das Verwaltungsgericht nicht mit der angesichts der Bau‑Delegierungsverordnung 1998 für den Bezirk Hallein‑Tennengau seitens der Revisionswerberin aufgeworfenen Frage der Zuständigkeit der Baubehörden auseinandergesetzt. Auch insoweit entzieht sich das angefochtene Erkenntnis einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof, zumal auch keine Feststellungen dahingehend getroffen wurden, ob bzw. inwiefern das gegenständliche, modifizierte Bauansuchen jenem vom 10. April 2015 entspricht, über welches zunächst von der Bezirkshauptmannschaft Hallein abgesprochen, die betreffende Entscheidung in der Folge aber vom Verwaltungsgericht wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben wurde. Im Übrigen müssen sich - wie oben dargelegt - die die Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben, sodass auch der im angefochtenen Erkenntnis enthaltene Verweis auf einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hallein sowie auf ein anderes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht wird.
12 Darüber hinaus stellen die in den beweiswürdigenden Ausführungen enthaltenen Erwägungen des Verwaltungsgerichtes, wonach der Nutzen für den Kurbetrieb durch die Errichtung von „Seniorenwohnungen“ insofern nicht ersichtlich sei, als die Kurverwaltung weder über zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten verfügen könne noch die Bewohner der Seniorenresidenz zur Inanspruchnahme der Leistungen des Kurbetriebes verpflichtet werden könnten, keine ausreichende Begründung für das Nichtvorliegen einer „Folge- oder Ergänzungseinrichtung“ bzw. einer „unabhängig davon zum Standort Kurzentrum passenden Einrichtung“ dar. Auch im Fall der Errichtung von aufgrund der Sonderflächenwidmung zulässigen Gesundheits- oder Freizeiteinrichtungen würde die Kurverwaltung nicht über zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten verfügen und könnten die Nutzer solcher Einrichtungen nicht zur Inanspruchnahme der Leistungen des Kurbetriebes verpflichtet werden.
13 Da sich das angefochtene Erkenntnis somit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit entzieht, weil es das Verwaltungsgericht infolge einer unzutreffenden Rechtsansicht unterlassen hat, für das Verfahren notwendige Feststellungen zu treffen, war es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
14 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 1. Juli 2022
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