VwGH Ra 2019/01/0495

VwGHRa 2019/01/049514.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des M M, in G, vertreten durch Mag.a Sarah Kumar, Rechtsanwältin in 8020 Graz, Kärntner Straße 7b/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2019, Zl. W231 2132469- 1/22E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
FlKonv Art1 AbschnA Z2
62017CJ0056 Fathi VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019010495.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache den Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vom 1. Juli 2015 vollinhaltlich ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei, setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

2 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 23. September 2019, E 2877/2019-8, ablehnte und sie über den nachträglich gestellten Antrag mit Beschluss vom 8. November 2019, E 2877/2019-10, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

3 In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Soweit sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die Beweiswürdigung des BVwG hinsichtlich der Feststellung, dass der Revisionswerber zwar eine atheistische bzw. areligiöse Überzeugung habe, er jedoch tatsächlich seine Religionszugehörigkeit nicht aus ideellen Gründen und einer starken inneren Überzeugung aufgegeben und abgelegt habe und folglich eine atheistische bzw. areligiöse Überzeugung auch kein (wesentlicher) Bestandteil seiner Identität geworden sei, wendet, ist ihr entgegen zu halten, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 26.11.2019, Ra 2019/01/0442, Rn. 11, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung des BVwG wird in der Revision nicht dargelegt.

8 Die Revision erblickt überdies ein Abweichen von näher dargelegter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gefahr der Verfolgung des Revisionswerbers in Afghanistan in Bezug auf eine - aus näher dargelegten Feststellungen des BVwG zur atheistischen bzw. areligiösen Überzeugung des Revisionswerbers abgeleitete - "religiöse Betätigung" des Revisionswerbers, die darin liege, den in seinem Heimatstaat vorgeschriebenen Glauben nicht leben zu wollen, sondern sich - gerade durch das Unterlassen erwarteter religiöser Betätigungen - zu seiner Konfessionslosigkeit zu bekennen.

9 Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich der Revisionswerber bei der Zulässigkeitsbegründung von diesem, kann schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen (vgl. etwa VwGH 21.6.2018, Ra 2018/01/0135, Rn. 6, mwN). 10 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen zur "religiösen Betätigung" des Revisionswerbers entfernt sich die Revision jedoch vom festgestellten, entscheidungswesentlichen Sachverhalt, wonach der Revisionswerber seine Religionszugehörigkeit nicht aus ideellen Gründen und einer starken inneren Überzeugung aufgegeben und abgelegt hat und eine atheistische bzw. areligiöse Überzeugung folglich kein (wesentlicher) Bestandteil seiner Identität wurde. So ist für die Annahme einer Verfolgung wegen Apostasie jedenfalls Voraussetzung, dass der Revisionswerber seine Konfessionslosigkeit als innere Überzeugung und identitätsstiftendes Merkmal versteht, die er auch in seinem Heimatstaat leben wird (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395, Rn. 15, mit Verweis auf EuGH 4.10.2018, Bahtiyar Fathi, C-56/17 , Rn. 88). 11 Insoweit fehlt auch dem im Zusammenhang mit der Feststellung des BVwG, es würden zur Verfolgung von Apostasie und Blasphemie in Afghanistan keine Berichte existieren, geltend gemachten Verfahrensmangel die in der Zulässigkeitsbegründung darzulegende Relevanz (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarlegung eines behaupteten Verfahrensfehlers wiederum VwGH 26.11.2019, Ra 2019/01/0442, Rn. 10, mwN).

12 Schließlich ist dem Zulässigkeitsvorbringen zu der vom BVwG vorgenommenen Interessenabwägung zu entgegnen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine im Einzelfall vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 5.11.2019, Ra 2019/01/0348, Rn. 14, mwN). Dass das BVwG die Interessenabwägung in unvertretbarer Weise vorgenommen hätte, zeigt die Revision nicht auf.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Jänner 2020

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