Normen
B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art3;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200262.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 7. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte er im Wesentlichen vor, seine Mutter bei einem Selbstmordattentat verloren zu haben. Danach sei es ihm psychisch schlecht gegangen. Auch sein Vater und seine Schwester seien verschwunden.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag mit Bescheid vom 7. Oktober 2016 hinsichtlich des Status sowohl des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber und stellte unter einem fest, dass dessen Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Weiters sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 27. Februar 2018, E 3651/2017-13, ablehnte und sie mit Beschluss vom 20. März 2018 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Das BVwG verneinte die Zugehörigkeit des Revisionswerbers zur sozialen Gruppe "psychisch kranker Personen in Afghanistan" iSd Art. 10 Abs. 1 lit. d der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), weil es sich bei der Erkrankung des Revisionswerbers einerseits um kein angeborenes Merkmal handle und andererseits die psychische Erkrankung (einer posttraumatischen Belastungsstörung mit einer mittelschweren depressiven Episode und einer Panikstörung) keinen Hintergrund bilde, der nicht verändert werden könne.
9 Das BVwG stellte fest, dass psychische Erkrankungen in Afghanistan behandelbar seien und es in Kabul, der Herkunftsstadt des Revisionswerbers, zwei psychiatrische Einrichtungen gebe. Inwiefern die Erkrankung des Revisionswerbers in Afghanistan nicht behandelbar und der Zugang zur erforderlichen medizinischen Versorgung effektiv nicht möglich wäre, zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen zur Zulässigkeit nicht auf.
10 Zwar geht aus den Feststellungen des BVwG zur Situation in Afghanistan - wie die Revision zutreffend vorbringt - hervor, dass es an einem Konzept für psychisch Kranke fehle und sie "nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen ‚behandelt'" würden, doch wurde ebenso festgestellt, dass es aktuelle Bemühungen gäbe, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken. Aus der Berichtslage ist nicht ableitbar, dass Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden, einer systematischen Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt wären. Es ist daher nicht zu erkennen und wird von der Revision auch nicht aufgezeigt, dass das Vorliegen einer psychischen Erkrankung eine Verfolgung von erheblicher Eingriffsintensität erwarten ließe. Auf die Klärung der von der Revision angesprochenen Rechtsfrage, ob psychisch erkrankte Personen als eine "bestimmte soziale Gruppe" iSd Art. 10 Abs. 1 lit. d Statusrichtlinie anzusehen sind, kommt es daher entscheidungswesentlich nicht an (vgl. VwGH 16.2.2016, Ra 2014/20/0165).
11 Im Übrigen hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 11.4.2018, Ra 2018/20/0040, mwN).
12 Das BVwG stellte fest, dass der Revisionswerber an keiner lebensbedrohenden Erkrankung leide und dass keine Hinweise auf eine Selbst- bzw. Fremdgefährdung bestünden. Dem steht das Vorbringen des Revisionswerbers, dass eine Selbstbzw. Fremdgefährdung auch nicht ausgeschlossen werden könne, nicht entgegen. Dem BVwG kann nicht erfolgreich entgegengetreten werden, wenn es - ausgehend von seinen Feststellungen zur Krankheit des Revisionswerbers - zu dem Ergebnis gelangte, dass die Erkrankung des Revisionswerbers keine solche Schwere erreiche, dass sie zu einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Lebenssituation führen würde.
13 Zum Vorbringen des Revisionswerbers, wonach vorgelegte Beweise (CD, Kassette, Speicherstick) weder vom BFA noch vom BVwG berücksichtigt worden seien, ist auszuführen, dass die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass sie von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel jedoch nur ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass es abstrakt möglich sein muss, im Fall eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474, mwN).
14 Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revision nicht gerecht, zeigt sie doch nicht konkret auf, welche Ergebnisse bei Verwertung der vorgelegten Beweismittel zu erwarten gewesen wären, die für die Beurteilung des BVwG, wonach der Revisionswerber keiner Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ausgesetzt sei, von Relevanz hätten sein können. Auch soweit die Revision das Unterbleiben von Ermittlungen zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Revisionswerbers im Hinblick auf ein damit im Zusammenhang stehendes Aussageverhalten vorbringt, legt sie nicht dar, inwiefern die gerügte Unterlassung Relevanz für den Verfahrensausgang hätte haben können.
15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. Juni 2018
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