VwGH Ra 2018/19/0644

VwGHRa 2018/19/064425.6.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des M K H in M, vertreten durch Dr. Roland Grilc, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. November 2018, W104 2182363- 1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190644.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist schiitischer Moslem. Er stellte am 21. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er habe ethnische Probleme gehabt bzw. er sei von den Taliban und von einem Cousin, der ihn für den Tod seines Bruders verantwortlich mache, bedroht worden.

2 Mit Bescheid vom 5. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Mit Beschluss vom 26. Februar 2019, E 4918/2018-10, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe keine ausreichenden Feststellungen zur Lage der Tadschiken in Zusammenhang mit deren Gegnerschaft zu den Taliban getroffen.

9 Dem ist entgegenzuhalten, dass das BVwG Feststellungen zu ethnischen Minderheiten im Allgemeinen und zur Volksgruppe der Tadschiken im Besonderen getroffen hat. Die Revision zeigt nicht auf, welche relevanten Feststellungen das BVwG unterlassen habe (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0202).

10 Die Revision wendet sich auch gegen die Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen. Insoweit ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712 bis 0715, mwN).

11 Das BVwG hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers zur Gänze befasst und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass dieses nicht glaubhaft sei. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass diese Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.

12 Die Revision bringt in diesem Zusammenhang auch vor, das BVwG habe keine Feststellungen zur Gefährdung des Revisionswerbers auf Grund seines Abfalls vom Islam und seine Hinwendung zum Christentum getroffen.

13 Das BVwG hat sich mit diesem Vorbringen, das in einer schriftlichen Stellungnahme durch den Rechtsvertreter des Revisionswerbers ins Verfahren eingebracht wurde, im Rahmen der Beweiswürdigung auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Hinwendung zum Christentum aus innerer Überzeugung nicht ersichtlich sei. Begründend führte es insbesondere aus, dass dieses Vorbringen nur pauschal in den Raum gestellt worden sei. Überdies erachtete das BVwG das Vorbringen auch als nicht glaubwürdig, weil die Stellungnahme andere persönliche Merkmale (Vorname, Volksgruppenzugehörigkeit, Aufenthaltsorte in Österreich) als jene des Revisionswerbers aufweise, sodass davon auszugehen sei, dass die Stellungnahme sich nicht auf den Revisionswerber beziehe.

14 Die Revision hält dem lediglich entgegen, der Rechtsvertreter habe in dieser Stellungnahme "etwas durcheinandergebracht", und behauptet ohne nähere Angaben, der Revisionswerber sei aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Damit vermag sie aber nicht darzulegen, dass die Beweiswürdigung des BVwG fallbezogen unvertretbar wäre. 15 Die Revision bringt weiter vor, das BVwG hätte die bei der mündlichen Verhandlung anwesende Verlobte des Revisionswerbers einvernehmen müssen. Diese hätte relevante Auskünfte über die Integration des Revisionswerbers und über dessen Privat- und Familienleben geben können.

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 26.3.2019, Ra 2018/19/0557, mwN).

17 Derartiges legt die Revision nicht dar. Sie vermag nicht aufzuzeigen, weshalb das BVwG - entgegen dem Revisionsvorbringen erfolgte auch kein entsprechender Beweisantrag unter Bekanntgabe des Beweisthemas - fallbezogen von der Erforderlichkeit der Einvernahme der Verlobten des Revisionswerbers ausgehen hätte sollen.

18 Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG weiche von der Rechtsprechung des VwGH ab, weil es eine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat und Mazar-e Sharif annehme, ohne sich mit den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender zu befassen.

19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das BVwG hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 15.11.2018, Ra 2018/19/0359, mwN).

20 Eine solche Relevanzdarstellung enthält die Revision, die jedes Vorbringen dazu vermissen lässt, zu welchen anderen Feststellungen das BVwG bei der gebotenen Auseinandersetzung mit den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 kommen hätte können, nicht.

21 Schließlich bringt die Revision vor, das BVwG habe zu Unrecht eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazar-e Sharif angenommen, obwohl der Revisionswerber weder über eine ausreichende Ausbildung noch über entsprechende Berufserfahrung verfüge, in diesen Städten niemanden kenne und über keinen familiären Rückhalt in Afghanistan verfüge. 22 Das BVwG stellte fest, dass der Revisionswerber in der Landwirtschaft, als Schneider und als Taxifahrer gearbeitet habe. Die Revision, die diese Berufserfahrung nicht bestreitet, vermag nicht darzulegen, warum die Annahme des BVwG, dem jungen und gesunden Revisionswerber stehe vor diesem Hintergrund auch ohne soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte in Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, fallbezogen unvertretbar wäre (vgl. VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0717).

23 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 25. Juni 2019

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