VwGH Ra 2018/19/0396

VwGHRa 2018/19/03962.8.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des S U in S, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 5. Juni 2018, L508 2184717-1/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

32011L0095 Status-RL Art9 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
EURallg;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190396.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Pakistan, stellte am 7. Juli 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, als Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Ahmadi täglichen Repressalien ausgesetzt gewesen zu sein. Er müsse in Pakistan auf Grund seiner Religion täglich um sein Leben fürchten.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag mit Bescheid vom 27. Dezember 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Die Behörde erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Juni 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gruppenverfolgung abgewichen und habe damit zusammenhängende Parteienanträge übergangen. Zudem sei zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen worden und habe das Bundesverwaltungsgericht nicht geprüft, ob dem Revisionswerber auf Grund des Praktizierens seines religiösen Glaubens asylrelevante Verfolgung drohe. Schließlich liege eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor oder fehle eine solche zur Frage, ob die vom Revisionswerber behaupteten Eingriffe in die Freiheit der Religionsausübung sowie die von ihm erlittenen Repressalien, Diskriminierungen, Bedrohungen, Beleidigungen und Misshandlungen in ihrer Gesamtheit als asylrelevante Verfolgung einzustufen seien.

6 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

7 Zum Vorbringen einer möglichen Gruppenverfolgung von Ahmadis in Pakistan ist auszuführen, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit den herangezogenen Berichten zur Lage der Ahmadis auseinandergesetzt und darauf basierend das Vorliegen einer Gruppenverfolgung verneint hat. Dieser Annahme ist vor dem Hintergrund der eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegenzutreten (vgl. VwGH 22.5.2018, Ra 2018/18/0220, mwN).

8 Soweit die Revision vorbringt, die in der Beschwerde erstatteten Parteienanträge seien übergangen worden, ist ihr entgegenzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht diese Anträge behandelt und begründet hat, warum diesen nicht stattgegeben wurde. Ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach sich das Verwaltungsgericht über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen darf (vgl. das von der Revision ins Treffen geführte Erkenntnis VwGH 27.6.2016, Ra 2016/18/0055), ist somit nicht erkennbar.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG als geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 1.3.2018, Ra 2017/19/0410, mwN).

10 Mit den in der Beschwerde dargelegten Berichten zur Situation der Ahmadis in Pakistan wird vor dem Hintergrund der bereits im Bescheid des BFA enthaltenen konkreten und auch die vielfältigen Probleme der Ahmadis darstellenden Länderfeststellungen kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet. Dass die übrigen Voraussetzungen für die Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung nicht gegeben gewesen wären, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

11 Soweit der Revisionswerber unter Verweis auf EuGH 5.9.2012, Bundesrepublik Deutschland/Y und Z, Rs. C- 71/11 und C-99/11 , vorbringt, ihm drohe asylrelevante Verfolgung, weil er seinen Glauben nicht praktizieren könne, ist auf die schlüssigen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu verweisen, dass der Revisionswerber selbst jegliche gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen mit ausreichender Intensität bisher verneint habe. Die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, es würde sich weder aus seinen Aussagen noch aus den Länderberichten eine derartige Verfolgung ergeben, ist fallbezogen nicht zu beanstanden.

12 Dem Vorbringen, die vom Revisionswerber erlittenen Repressalien käme in ihrer Gesamtheit eine Verfolgungsintensität zu, die die Schwelle einer asylrelevanten Verfolgung erreiche, ist Folgendes zu entgegen:

13 Unter "Verfolgung" im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als "Verfolgung" im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. noch einmal VwGH Ra 2018/18/0220).

14 Die Revision zeigt nicht auf, dass diese Beurteilung im konkreten Einzelfall in einer unvertretbaren Weise vorgenommen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht bezog alle den Revisionswerber betreffenden relevanten Umstände ein und kam schlüssig zum Ergebnis, dass sich daraus keine asylrelevante Verfolgung ergebe. Die Revision legt auch nicht dar, warum diese Frage - im Fall der fehlenden Rechtsprechung - über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe und von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs das Erkenntnis abweiche.

15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Wien, am 2. August 2018

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