VwGH Ra 2018/18/0311

VwGHRa 2018/18/031127.6.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A J in G, vertreten durch Mag. Elke Weidinger, Rechtsanwältin in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 1/VIII, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. April 2018, Zl. L508 2180734-1/6E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §21 Abs7;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180311.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger und der schiitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig, stellte am 13. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Als Fluchtgrund brachte er im Wesentlichen vor, dass gegen ihn ein Haftbefehl aufgrund außerehelichen Geschlechtsverkehrs mit einer verheirateten Frau, welche die Ehefrau des Mullah sei, erlassen worden sei. Zudem habe er eine Faustfeuerwaffe während seines Militärdienstes 2009 gefunden und diese nicht an seine Dienststelle weitergegeben. Diese Waffe sei in seinem Zimmer bei einer Hausdurchsuchung gefunden worden. Der Besitz illegaler Waffen sei im Iran mit der Todesstrafe bedroht. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, getötet zu werden.

2 Mit Bescheid vom 30. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für eine freiwillige Ausreise betrage vierzehn Tage.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - ab (Spruchpunkt A. I) und den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach §§ 55, 56 AsylG 2005 gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit zurück (Spruchpunkt A. II). Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

4 Begründend stützte sich das BVwG auf die Beweiswürdigung des BFA, welche auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren basiere, und führte - zusammengefasst - aus, dass der Revisionswerber eine asylrelevante, ihn betreffende Bedrohungssituation nicht glaubhaft machen habe können. Wie auch das BFA führte das BVwG hierzu näher aus, dass der Revisionswerber keine in wesentlichen Punkten gleichbleibende Angaben tätigen habe können, auf mehrere Rückfragen in der Einvernahme nur lapidare Antworten gegeben und im Hinblick auf den illegalen Waffenbesitz ein gesteigertes Vorbringen erstattet habe. Auch die mangelnden zeitlichen Angaben betreffend das Treffen mit der verheirateten Frau und die näher aufgezeigten Ungereimtheiten hinsichtlich des Ablaufs der Geschehnisse wurden beweiswürdigend zur Darlegung der Unglaubwürdigkeit herangezogen. Betreffend die in der Einvernahme auf dem Mobiltelefon des Revisionswerbers vorgezeigte Ladung hielt das BVwG fest, dem BFA sei beizupflichten, dass diese Ladung die Beurteilung der Glaubwürdigkeit nicht zu ändern vermöge. Sowohl das BFA als auch das BVwG erachteten die Aussage des Revisionswerbers in der Erstbefragung hinsichtlich seiner Entschlussfassung zur Ausreise (zehn Monate vor der tatsächlichen Ausreise) im Hinblick auf den geschilderten Vorfall, welcher sich jedoch erst circa zehn Monate später ereignet habe, als einen wesentlichen Punkt für seine Unglaubwürdigkeit. Das Absehen von der mündlichen Verhandlung stützte das BVwG auf § 21 Abs. 7 BFA-VG und führte aus, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine und der Revisionswerber den seitens des BFA getätigten beweiswürdigenden Ausführungen in der Beschwerde nicht in ausreichend konkreter Weise entgegengetreten sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die in ihrer Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen geltend macht, das BVwG sei unter näherer Begründung von den hg. aufgestellten Kriterien betreffend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewichen und habe eine unschlüssige Beweiswürdigung mangels vollständiger Berücksichtigung der Beweismittel vorgenommen. Zudem habe sich das BVwG mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers, welches nach hg. Rechtsprechung auf eine unterstellte politische Gesinnung hindeute, nicht auseinandergesetzt.

6 Die Revision erweist sich als unzulässig.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

9 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

10 Soweit sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die Beweiswürdigung des BVwG richtet, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vorliegen würde, wenn das BVwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 21.2.2018, Ra 2018/18/0075, mwN).

11 Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/20/0233, mwN).

12 Das BFA und im Anschluss daran auch das BVwG kamen im Rahmen einer nicht als unschlüssig zu erkennenden und insbesondere auf mehrfache Widersprüche und Ungenauigkeiten des Revisionswerbers verweisenden Beweiswürdigung, in der auch das vorgezeigte Beweismittel konkret berücksichtigt wurde, zum Schluss, der Revisionswerber habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können.

13 Diese Beurteilung erscheint jedenfalls nicht unvertretbar, zumal die Beschwerde des Revisionswerbers im Wesentlichen lediglich das Fluchtvorbringen und die relevanten Gesetzestexte wiedergab, jedoch keine fallbezogenen Ausführungen zu den getroffenen Feststellungen bzw. zu der vom BFA vorgenommenen Beweiswürdigung enthielt.

14 Soweit die Revision einen Verstoß des BVwG gegen die Verhandlungspflicht geltend macht, ist zunächst festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt ist, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018).

15 Die Revision vermag mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen, dass das BVwG von diesen Leitlinien abgewichen wäre. Insbesondere trat der Revisionswerber - wie bereits ausgeführt - dem vom BFA festgestellten Sachverhalt und den tragenden beweiswürdigenden Erwägungen in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen. Vor diesem Hintergrund lagen die Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG nach der eingangs zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor, weshalb eine solche entfallen konnte.

16 Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen betreffend die dem Revisionswerber aufgrund des behaupteten Vorwurfs des Ehebruchs im Iran drohenden Strafen erweist sich vor diesem Hintergrund als nicht notwendig, weil sich die Revision mit diesem Vorbringen vom schlüssig festgestellten Sachverhalt entfernt.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. Juni 2018

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