VwGH Ra 2018/18/0105

VwGHRa 2018/18/01052.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision der N R in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 2017, Zl. W232 2116459- 1/10E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180105.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine somalische Staatsangehörige, stellte am 8. Juni 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Als Fluchtgrund brachte sie im Wesentlichen vor, wegen des Verkaufs von Waren an Soldaten ugandischer Truppen im Bereich der AMISOM-Stützpunkte außerhalb von Mogadischu von der Al-Shabaab circa viermal zwischen August und November 2013 telefonisch bedroht worden zu sein, bis sie ihre SIM-Karte gewechselt habe. Aufgrund ihres guten Kontakts zu den ugandischen Soldaten sei sie auch aus Eifersucht von ihrem Freund, einem somalischen Soldaten, im April 2014 mit der Waffe bedroht worden, der sie wahrheitswidrig der Prostitution mit ugandischen Soldaten beschuldigt habe. Auf ihre Anzeige hin sei dieser dann in Haft genommen worden. Ihr Freund habe sie auch bei ihrer Familie schlecht gemacht. Aus Angst vor ihrem Freund und der Al-Shabaab sei sie geflüchtet.

2 Mit Bescheid vom 3. Oktober 2015 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag der Revisionswerberin auf internationalen Schutz betreffend die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

3 Die gegen den Spruchpunkt I. erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG - zusammengefasst - aus, dass die vorgebrachte Verfolgung durch die Al-Shabaab zwar glaubwürdig sei, die behauptete Furcht vor Verfolgung jedoch nicht begründet sei, da die Drohanrufe bereits fast vier Jahre zurückliegen würden und mit dem Wechsel der Telefonnummer aufgehört hätten. Ein nachhaltiges Verfolgungsinteresse der Al-Shabaab erachtete das BVwG für nicht glaubhaft. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Revisionswerberin aufgrund der Probleme mit ihrem damaligen Freund geflüchtet sei. Dies ergebe sich aus der zeitlichen Abfolge ihrer Fluchtgeschichte, wonach im November 2013 der letzte Drohanruf erfolgt sei, der Streit mit ihrem damaligen Freund im April 2014 eskaliert und sie kurze Zeit später geflohen sei. Die Verfolgung durch ihren Freund aber sei nicht asylrelevant, zumal kein Konnex zu einem GFK-Grund bestehe.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 22. September 2017, E 2646/2017-5, abgelehnt wurde. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 28. Dezember 2017, E 2646/2017-7, wurde die Beschwerde über nachträglichen Antrag der Revisionswerberin dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

6 Die am 9. Februar 2018 beim BVwG eingebrachte vorliegende außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

9 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

10 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird ausgeführt, das BVwG habe sich nicht mit dem Vorbringen zur Verfolgung durch die eigene Familie der Revisionswerberin auseinandergesetzt und nicht erkannt, dass ihr aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen in Somalia kein Schutz gegen diese private Verfolgung zuteil werde, weshalb diese Verfolgung asylrelevant sei.

11 Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Revisionswerberin vom festgestellten Sachverhalt, weshalb schon deswegen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl. z.B. VwGH 5.12.2017, Ra 2017/02/0231). Zwar brachte die Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG erstmals vor, sie fürchte sich vor ihrem Bruder, der mit ihr geschimpft und ihr gesagt habe, er werde sie schlagen, wenn herauskomme, dass die Gerüchte über sie stimmen würden. Eine konkrete Bedrohung asylrelevanter Intensität seitens eines oder mehrerer ihrer Familienmitglieder wurde von der Revisionswerberin jedoch nicht behauptet und daher vom BVwG auch nicht zugrundegelegt.

12 Soweit in der Revision nun erstmals vorgebracht wird, die Revisionswerberin fürchte sich davor, umgebracht zu werden, handelt es sich um eine Neuerung. Dasselbe gilt für das Vorbringen, der Revisionswerberin würde wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs die Tötung zur Wiederherstellung der Familienehre drohen. Im Übrigen enthalten selbst die in der Revision erstmals dazu vorgebrachten Länderberichte keinen Hinweis darauf, dass die Revisionswerberin in einem solchen Fall um ihr Leben fürchten müsste.

13 Die vom ehemaligen Freund ausgehende Bedrohung aber hat das BVwG zutreffend als nicht auf GFK-Gründen beruhend und daher nicht als asylrelevant erachtet; eine aus GFK-Gründen verweigerte oder fehlende Schutzmöglichkeit durch den Staat hat das BVwG fallbezogen schlüssig verneint, ohne dass die Revision dem konkret entgegentritt.

14 Vor diesem Hintergrund kam es auf die von der Revision beanstandete fehlende Auseinandersetzung mit dem erstmals in der Revision erstatteten Vorbringen zur Zugehörigkeit der Revisionswerberin zur sozialen Gruppe der Frauen in Somalia gar nicht an.

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. Mai 2018

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte