VwGH Ra 2018/01/0347

VwGHRa 2018/01/034710.8.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des E M A in W, vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Landhausgasse 4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 11. Mai 2018, Zl. VGW-152/022/3465/2018-8, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
MRK Art6;
StbG 1985;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010347.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Dem Revisionswerber war mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juni 2004 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Gleichzeitig hatte er - durch Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft - die ägyptische Staatsangehörigkeit verloren.

2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Februar 2018 wurde gemäß § 39 und § 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) festgestellt, dass der Revisionswerber die österreichische Staatsbürgerschaft durch den Wiedererwerb der ägyptischen Staatsangehörigkeit gemäß § 27 Abs. 1 StbG verloren hat.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass der Revisionswerber nicht österreichischer Staatsbürger ist (I.). Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt (II.).

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Gemäß § 27 Abs. 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

9 Nach der hg. Rechtsprechung setzt die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete "positive Willenserklärung" abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt. Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, im Falle deren Erwerbs den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. etwa VwGH 17.11.2017, Ra 2017/01/0334, sowie jüngst VwGH 10.7.2018, Ra 2018/01/0094, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).

10 In der vorliegenden Rechtssache ist das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen: So hat es im angefochtenen Erkenntnis festgestellt, dass der Revisionswerber "zwischen 2. Juni 2004 und Mai 2005" die ägyptische Staatsbürgerschaft durch eigene Willenserklärung wiedererlangt hat. Diese Feststellung stützte das Verwaltungsgericht beweiswürdigend auf die Bestimmungen des ägyptischen Staatsbürgerrechts (Art. 10 Abs. 3 und Art. 18 des Gesetzes Nr. 26/1975 über die ägyptische Staatsangehörigkeit idF des Gesetzes Nr. 154/2004), welches die Wiedererlangung der ägyptischen Staatsangehörigkeit auf Betreiben des Einbürgerungswerbers vorsehe.

11 Die Revision tritt den erwähnten Feststellungen nicht konkret entgegen (vgl. etwa VwGH 19.9.2013, 2011/01/0201, Pkt. 3.4.). Eine - in der Einzelfallbeurteilung allein maßgebliche - vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung wird im diesbezüglichen Zulässigkeitsvorbringen ("Materielle Prüfung") nicht aufgezeigt (vgl. zu Feststellungsverfahren nach § 27 Abs. 1 StbG jüngst VwGH 10.7.2018, Ra 2018/01/0094; vgl. zur Leitfunktion des Verwaltungsgerichtshofes allgemein VwGH 27.2.2018, Ra 2018/01/0052).

12 Soweit die Revision in den Zulässigkeitsgründen als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung weiters vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur (amtswegigen) Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewichen und habe dadurch auch Art. 6 EMRK verletzt, ist dem Folgendes entgegen zu halten:

13 Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 erster Satz leg. cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

14 Im vorliegenden Fall war der Revisionswerber bereits im Beschwerdeverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten, der in der Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt hat. In dieser Konstellation konnte von einem schlüssigen Verzicht auf die Durchführung der Verhandlung ausgegangen werden (vgl. VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007, und VwGH 11.11.2015, Ra 2015/04/0061), weshalb schon insofern die Verhandlungspflicht nicht verletzt wurde.

15 Zum Anderen fallen - entgegen dem Revisionsvorbringen - Verfahren in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (vgl. VwGH 25.4.2017, Ra 2017/01/0091, mwN). Außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 6 EMRK (bzw. Art. 47 GRC) ist es aber weiterhin Sache des Revisionswerbers, die Relevanz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung aufzuzeigen (vgl. den zit. Beschluss VwGH Ra 2017/01/0091, mwN). Die erforderliche Relevanzdarlegung gelingt der Revision mit dem bloßen Hinweis, dass es im gegenständlichen Fall notwendig gewesen wäre, "genauere Informationen und die Übersendung von Urkunden aus Ägypten einzuholen", nicht.

16 Die in den Zulässigkeitsgründen im Einzelnen angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zur Verhandlungspflicht in Angelegenheiten des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC (bzw. zur Verhandlungspflicht in Asylsachen nach § 21 Abs. 7 BFA-VG) ergangen; ein Abweichen von dieser Rechtsprechung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

17 Soweit in den Zulässigkeitsgründen schließlich vorgebracht wird, das Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermittlungs-, Feststellungs- und Begründungspflicht (indem eine unzulässige Beweislastumkehr erfolgt sei und Feststellungen lediglich auf Vermutungen gegründet worden seien), entspricht dieses Vorbringen nicht den Anforderungen, wonach in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 10.7.2018, Ra 2018/01/0308, mwN).

18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

19 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 10. August 2018

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