Normen
EStG 1988 §47 Abs2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150057.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Bei der Revisionswerberin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Betriebsgegenstand die Durchführung von Hämodialysebehandlungen und anderen extrakorporalen Blutreinigungsverfahren ist, fand eine Außenprüfung statt. Der Prüfer stellte fest, dass der ärztliche Leiter der Revisionswerberin im Falle seiner Abwesenheit regelmäßig von Dr. L vertreten worden sei, und vertrat die Auffassung, dass Dr. L die Vertretungstätigkeit nicht im Rahmen von Werkverträgen, sondern als Dienstnehmer iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 ausgeübt habe.
2 Das Finanzamt folgte dem Prüfer und schrieb der Revisionswerberin mit Bescheiden vom 29. Juli 2013
u. a. Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen samt Säumniszuschlägen für die Jahre 2008 bis 2012 vor.
3 Die Revisionswerberin berief gegen die angeführten Bescheide und brachte in der Berufung im Wesentlichen vor, Dr. L sei in unregelmäßigen Abständen als einer von mehreren Vertretungsärzten für die Revisionswerberin tätig gewesen. Als Vertretungsarzt sei er keinen fachlichen oder persönlichen Weisungen unterlegen und habe die durchzuführenden Untersuchungen und Visiten persönlich, unmittelbar und unter eigener Verantwortung durchgeführt. In einer Ergänzung zur Berufung brachte die Revisionswerberin weiters vor, Dr. L sei hauptberuflich als Spitalsarzt tätig und übe die Vertretung nur fallweise aus. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Vertretungsarzt habe in der Durchführung von Visiten gelegen. Die Visiten seien der Erfolg, den er der Revisionswerberin geschuldet habe. Welche Tätigkeiten er während seiner Anwesenheit im Betrieb sonst durchgeführt habe, sei von der Revisionswerberin nicht kontrolliert worden.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Berufung (nunmehr Beschwerde), soweit sie Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen samt Säumniszuschlägen betraf, keine Folge. Es stellte fest, dass die Revisionswerberin eine Krankenanstalt betreibe. In der Krankenanstalt stünden sechzehn Behandlungsplätze für die Durchführung von Dialysen zur Verfügung, pro Tag gebe es vier Schichten. Die Patientinnen und Patienten würden der Revisionswerberin zugewiesen und hätten vorgegebene Behandlungszeiten. Unbestritten sei, dass Dr. L in den Streitjahren für die Revisionswerberin tätig gewesen sei. Er habe während der Urlaubszeit und bei anderen Abwesenheiten des ärztlichen Leiters dessen Vertretung übernommen. Kurzfristige Vertretungen seien telefonisch vereinbart, Urlaubsvertretungen längerfristig geplant worden. Bei seiner Tätigkeit für die Revisionswerberin sei Dr. L aus nephrologischer Sicht für die gesamte Dialysestation verantwortlich und im Regelfall persönlich anwesend gewesen. Bei Abwesenheit während eines übernommenen Dienstes habe er jederzeit erreichbar und einsatzbereit sein müssen. Die Durchführung der Visiten und deren Dokumentation sei im Verantwortungsbereich von Dr. L gelegen. Das Entgelt für die geleisteten Dienste habe er von der Revisionswerberin erhalten. Basis für die Berechnung des Entgelts sei die Anzahl der geleisteten Dienste (Schichten) gewesen.
5 Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liege ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schulde. Dies sei der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers stehe oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet sei.
6 Für die Beantwortung der Frage, ob ein Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 vorliege, komme es nicht auf die von den Vertragsparteien gewählte Bezeichnung (Dienstvertrag, freier Dienstvertrag, Werkvertrag, etc.) an. Dass Dr. L neben der verfahrensgegenständlichen Vertretungstätigkeit als Spitalsarzt und als niedergelassener Arzt tätig gewesen sei, stehe der Annahme eines Dienstverhältnisses ebenfalls nicht entgegen. Dem Vorbringen, Dr. L habe von der Revisionswerberin keine Weisungen in Bezug auf Art und Umfang der durchzuführenden Visiten erhalten, sei zu entgegnen, dass es sich bei der Tätigkeit eines Arztes um eine jener Berufstätigkeiten handle, denen ein hohes Maß an tatsächlicher Selbständigkeit innewohne. Die fehlende sachliche Weisungsgebundenheit sei daher nicht entscheidend. Entscheidend sei, dass sich Dr. L, der in den Jahren 2008 bis 2011 für die Revisionswerberin tätig gewesen sei, dazu verpflichtet habe, während der übernommenen Dienste die jeweils notwendigen Behandlungsschritte zu setzen. Er sei hinsichtlich der Arbeitszeit und des zu behandelnden Patientenkreises an die Vorgaben der Revisionswerberin gebunden gewesen. Die Patientinnen und Patienten seien in den Räumlichkeiten der Revisionswerberin behandelt worden, welche auch die für die Behandlung notwendigen Gerätschaften zur Verfügung gestellt habe. Die Vereinbarung einer von der Anzahl der verrichteten Dienste abhängigen Entlohnung spreche ebenfalls für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. Aufgrund der von der Revisionswerberin zur Verfügung gestellten Infrastruktur und der Art der Entlohnung habe Dr. L auch kein Unternehmerrisiko getragen.
7 Die vorrangig zu prüfenden Kriterien der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung sprächen eindeutig für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. Dr. L sei durch die Übernahme von Diensten an deren Dauer und somit an bestimmte Arbeitszeiten und durch den Umstand, dass die Visiten und weiteren Tätigkeiten im Regelfall in der Krankenanstalt der Revisionswerberin stattgefunden hätten, auch an den Tätigkeitsort gebunden gewesen. Bei Problem- oder Notfällen habe Dr. L die für das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten erforderlichen Arbeiten durchzuführen gehabt. Insoweit habe er auch den Arbeitsumfang nicht selbst bestimmen können. Auch das fehlende Unternehmerrisiko spreche für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988.
8 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen sei, sondern sich auf diese gestützt habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien für das Bestehen eines Dienstverhältnisses die persönliche Abhängigkeit der Mitarbeiter und deren Eingliederung in den betrieblichen Organismus der Revisionswerberin entscheidend.
9 In der gegen dieses Erkenntnis gerichteten außerordentliche Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen ausgeführt, Dr. L sei nicht als ärztlicher Leiter in der Krankenanstalt der Revisionswerberin tätig gewesen. Er habe kurzfristig und ohne hierzu verpflichtet zu sein, einzelne Vertretungen als Facharzt übernommen. Hierbei habe es sich jedoch um kein Dauerschuldverhältnis gehandelt. Vielmehr habe sich seine Tätigkeit auf Visiten und Untersuchungen beschränkt, was als Werk anzusehen sei, und er sei als Ansprechpartner bei Notfällen zur Verfügung gestanden. Bei der Ausübung der Tätigkeit sei er an keine Weisungen gebunden gewesen. Aufzeichnungen habe er nur nach Vorgabe der ärztlichen Berufspflichten und nicht aufgrund einer persönlichen Abhängigkeit geführt. Der Hauptteil der von Dr. L zu erbringenden Leistungen habe in der Durchführung von Visiten bestanden. Die Durchführung der Visiten sei im Wesentlichen jener Erfolg gewesen, den er im Rahmen seiner Tätigkeit geschuldet habe. Hierfür habe er auch das Honorar bezogen. Wann er die Visiten durchgeführt, in welcher Art er diese absolviert und welche übrigen Tätigkeiten er während seiner Anwesenheit im Dialysezentrum gesetzt habe, sei ihm selbst überlassen gewesen und von der Revisionswerberin nicht kontrolliert worden. Derartige Freiheiten stünden einem Dienstnehmer nicht zu. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit sei ebenfalls zu verneinen, weil Dr. L nicht nur Vertretungsarzt im Dialysezentrum der Revisionswerberin, sondern auch Spitalsarzt und niedergelassener Arzt gewesen sei. Auch das Kriterium der Eingliederung in den Organismus des Arbeitgebers sei nicht erfüllt, weil Dr. L keine Verwaltungstätigkeit ausgeübt habe und nicht durchgehend in der Krankenanstalt tätig gewesen sei.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Die Revision ist unzulässig.
14 Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. November 2004, 2003/13/0018, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Vorliegen eines - im Revisionsfall allein strittigen - Dienstverhältnisses nach § 47 Abs. 2 EStG 1988 anhand zweier Kriterien, nämlich der Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers zu beurteilen ist. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos, oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen) Bedacht zu nehmen (vgl. etwa VwGH 28.6.2017, Ra 2016/15/0074, mwN).
15 Was das gesetzliche Merkmal der Weisungsgebundenheit anlangt, so spricht der Umstand, dass ein Arzt auf Grund seines Wissens und Könnens die Art der Behandlung bestimmt und in dieser Hinsicht keinen Weisungen unterliegt, noch nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. Es handelt sich hier um eine jener Berufstätigkeiten, denen ein hohes Maß an tatsächlicher Selbständigkeit innewohnt (vgl. VwGH 16.9.1982, 81/15/0118; 19.1.1984, 83/15/0114, sowie Doralt, EStG18 § 47 Rz 34). Dementsprechend tritt das Merkmal der Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber bei der steuerrechtlichen Beurteilung der ausgeübten Tätigkeit in den Hintergrund (vgl. VwGH 18.12.2017, Ra 2016/15/0079, mwN). Dem Einwand, Dr. L sei bei der Ausübung seiner Tätigkeit an keine Weisungen gebunden gewesen und habe selbst bestimmt, wann und in welcher Form er Visiten durchführe, kommt daher keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.
16 Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers zeigt sich u.a. in der Vorgabe der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Arbeitsmittel durch den Auftraggeber sowie der unmittelbaren Einbindung der Tätigkeit in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers (vgl. wiederum VwGH 18.12.2017, Ra 2016/15/0079, mwN).
17 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass Dr. L für die Revisionswerberin in deren Krankenanstalt über einen Zeitraum von zumindest vier Jahren in einer großen Anzahl von Fällen als Vertretungsarzt tätig gewesen sei. Während der von ihm übernommenen Dienste (Schichten) habe Dr. L - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht bloß Visiten zu erbringen gehabt. Dr. L habe seine Arbeitskraft geschuldet, weil er aus nephrologischer Sicht für die gesamte Dialysestation verantwortlich und zur Setzung der jeweils notwendigen Behandlungsschritte verpflichtet gewesen sei. In Notfällen habe er einschreiten und dafür entweder anwesend oder jedenfalls erreichbar sein müssen. Bei all dem habe er sich - wie das Bundesfinanzgericht ebenfalls ausführt - an die in der Krankenanstalt der Revisionswerberin vorgegebenen Arbeitsabläufe zu halten gehabt. Auch hinsichtlich des zu behandelnden Patientenkreises sei Dr. L an die Vorgaben der Revisionswerberin gebunden gewesen. Die Patientinnen und Patienten seien in den Räumlichkeiten der Revisionswerberin behandelt worden, die auch die für die Behandlung notwendigen Gerätschaften zur Verfügung gestellt habe.
18 Eine für die Dauer der übernommenen Dienste (Schichten) bestehende Eingliederung des Dr. L in den betrieblichen Organismus der Krankenanstalt der Revisionswerberin lag daher gleichfalls vor. Dass Dr. L keine Verwaltungstätigkeit ausgeübt und nicht durchgehend in der Krankenanstalt tätig war, steht dem nicht entgegen.
19 Dem Zulässigkeitsvorbringen, Dr. L habe lediglich kurzfristig und ohne hierzu verpflichtet zu sein, einzelne Vertretungen als Facharzt übernommen, ist zu entgegnen, dass es auf die Dauer der einzelnen Vertretungstätigkeit jedenfalls dann nicht ankommt, wenn fortlaufende Beauftragungen erfolgen.
20 Mit dem Vorbringen, die Tätigkeit von Dr. L habe sich auf Visiten und Untersuchungen beschränkt, was als Werk anzusehen sei, und er sei als Ansprechpartner bei Notfällen zur Verfügung gestanden, entfernt sich die Revisionswerberin vom eingangs dargelegten - unbekämpft gebliebenen - Sachverhalt, den das Bundesfinanzgericht dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegt hat. Demnach war Dr. L während der von ihm übernommenen Dienste aus nephrologischer Sicht für die gesamte Dialysestation verantwortlich und zur Setzung der jeweils notwendigen Behandlungsschritte verpflichtet.
21 Dass Dr. L im Streitzeitraum nicht nur Vertretungsarzt im Dialysezentrum der Revisionswerberin, sondern auch Spitalsarzt und niedergelassener Arzt war, steht der Annahme eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 ebenfalls nicht entgegen.
22 Da sich das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG aus dem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision nicht ableiten lässt, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.
23 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 27. Juni 2018
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