Normen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150047.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Privatstiftung, erwarb im Jahr 2002 ein Grundstück und errichtete darauf ein Haus mit einer Gebäudefläche von ca. 370 m2 (Garage inklusive Lagerräume 127,39 m2, Wohnraum 243,89 m2) und einer Terrassenfläche von ca. 150 m2. Das Haus wurde 2006 weitgehend fertiggestellt und ab Juli 2006 an F E (Stifter und Stiftungsvorstandsmitglied) vermietet, der es gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, H K (Stifterin und Alleinbegünstigte), bewohnte.
2 Im Jahr 2009 fand eine Außenprüfung betreffend die Jahre 2005 bis 2008 statt, in deren Rahmen der Prüfer den Standpunkt vertrat, die Revisionswerberin habe ein Grundstück erworben und darauf ein an den persönlichen Bedürfnissen der Stifter ausgerichtetes Haus errichtet. Das Haus sei nicht für Zwecke der Einnahmenerzielung errichtet worden, es liege keine steuerlich relevante, unternehmerische Betätigung vor.
3 Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ u.a. Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum Juli bis Dezember 2006 sowie Jänner bis Dezember 2007, 2008, 2009, 2010 und 2011, mit welchen es die Revisionswerberin für die auf eine Vorteilszuwendung (in Form der unentgeltlichen Nutzung des von der Revisionswerberin errichteten Hauses) an die Alleinbegünstigte H K entfallende Kapitalertragsteuer in Anspruch nahm. Die Höhe der Zuwendung errechnete das Finanzamt mit dem Mittelwert zwischen der Summe der angefallenen Abschreibungen für Abnutzung inklusive einer „Verzinsung“ (124.282,40 €) und einer fiktiven Jahresmiete (64.583,60 €), woraus sich eine Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer von 94.433 € und eine Kapitalertragsteuer von 23.608,25 € (25%) pro Jahr ergab.
4 Mit Berufungsentscheidung vom 29. Mai 2013, Zlen. RV/0541‑S/11 und RV/0481‑S/12, sprach der unabhängige Finanzsenat über eine gegen die Haftungsbescheide gerichtete Berufung der Revisionswerberin ab. Anders als zuvor das Finanzamt ging der unabhängige Finanzsenat bei der Bewertung der in Rede stehenden Nutzungszuwendung von den Renditeüberlegungen eines Immobilien‑Leasing‑Unternehmens ‑ im Falle eines Leasingvertrages mit einer fünfzehnjährigen Laufzeit und einem entsprechenden Restwert ‑ aus. Im Jahr 2006 seien zudem 15% der Herstellungskosten des Gebäudes als verlorener Bauaufwand zu berücksichtigen.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 15. September 2016, 2013/15/0256 (im Folgenden: Vorerkenntnis), die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom 29. Mai 2013 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf und führte im Erwägungsteil u.a. aus:
„Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23. Februar 2010, 2007/15/0003, u.a. ausgesprochen, dass die Höhe der angemessenen Miete daraus abgeleitet werden kann, ‚was unter einander fremd gegenüberstehenden Personen vereinbart worden wäre, und damit insbesondere auch daraus, was ein Investor als Rendite aus der Investition der konkret aufgewendeten Geldsumme erwartet‘. Im Erkenntnis vom 10. Februar 2016, 2013/15/0284, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf das Erkenntnis 2007/15/0003 klargestellt, dass mit der Renditeerwartung eines ‚marktüblich agierenden Immobilieninvestors‘ jene Rendite gemeint ist, ‚die üblicherweise aus dem eingesetzten Kapital durch Vermietung erzielt wird‘. Maßgeblich ist demnach jener Renditesatz der sich bei optimaler Veranlagung des Gesamtbetrages der Anschaffungs- und Herstellungskosten (gegebenenfalls des höheren Verkehrswerts des Objekts) in Immobilien ergibt, wobei nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen ein Renditezinssatz in der Bandbreite von 3 bis 5 % (idR in Abhängigkeit von den Marktverhältnissen beim Beginn der Vermietung) zu erzielen sein müsste. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten der Körperschaft mindern sich nicht um vom Stifter gewährte Darlehen (siehe etwa zu Herstellungskosten im Falle von Investitionszuschüssen aus privaten Mitteln VwGH vom 18. Jänner 1994, 90/14/0124, VwSlg 6855/F).
Eine solche abstrakte Renditeberechnung wäre allerdings dann nicht geboten, wenn es für das von der Körperschaft errichtete Mietobjekt in der gegebenen Bauart und Ausstattung einen funktionierenden Mietenmarkt gäbe, sodass ein wirtschaftlich agierender, (nur) am Mietertrag interessierter Investor Objekte vergleichbarerer Gediegenheit und Exklusivität (mit vergleichbaren Kosten) errichten und am Markt gewinnbringend vermieten würde, was vom Steuerpflichtigen nachzuweisen ist.
Bezogen auf den Beschwerdefall wäre die Miete bei abstrakter Berechnung anhand eines Renditesatzes auf die Anschaffungs-/Herstellungskosten (für Grundstück und Baulichkeiten) von insgesamt 1,782.000 EUR, die entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung nicht um Darlehen und Mietvorauszahlungen zu kürzen sind, zu ermitteln.
Die belangte Behörde ging bei der Bewertung der hier in Rede stehenden Nutzungszuwendung von den Renditeüberlegungen eines Immobilien‑Leasing‑Unternehmens ‑ im Falle eines Leasingvertrages mit einer fünfzehnjährigen Laufzeit und einem entsprechenden Restwert ‑ aus und hat damit die Rechtslage verkannt. Abgesehen davon, werden allfällige Vorteile, die F E und H K daraus erwachsen, dass das in Rede stehende Objekt nach ihren Vorstellungen geplant und ausgestattet worden ist, (erst) pro rata temporis konsumiert und somit durch den laufenden Ansatz einer (investitionsbedingt) höheren Miete erfasst. Für die Berücksichtigung eines verlorenen Bauaufwandes im Jahr 2006 bleibt vor diesem Hintergrund kein Raum.“
6 Im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht, das die Berufung nunmehr als Beschwerde zu behandeln hatte, wurde die Revisionswerberin mit Fragenvorhalt aufgefordert, nachzuweisen, dass es hinsichtlich des hier in Rede stehenden Objektes einen funktionierenden Mietenmarkt gibt.
7 Die Revisionswerberin nahm zum Fragenvorhalt dahingehend Stellung, dass sie die Entwicklung des Marktes für Einfamilienhäuser seit Erwerb des hier in Rede stehenden Grundstücks (2002) verfolgt habe. Seit 2010 seien von Immobilienmaklern im Internet angebotene Objekte ausgedruckt und aufbewahrt worden. Eine beispielhafte Auflistung von Objekten, denen die Lage am Stadtrand, eine Wohnfläche von mindestens 200 m2 und eine überdurchschnittlich gute Ausstattung gemeinsam seien, werde als Anlage übermittelt. Es könne angenommen werden, dass unter Einbeziehung von weiteren, nicht von Maklern angebotenen bzw. in Deutschland gelegenen Objekten, auf welche die Auswahlkriterien ebenfalls zuträfen, sicherlich 50 derartige Objekte vorhanden seien und von einem funktionierenden Mietenmarkt gesprochen werden könne. Es handle sich dabei um einen Nischenmarkt, weil die angeführten Mietpreise nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung leistbar seien.
8 Das Bundesfinanzgericht stellte im angefochtenen Erkenntnis fest, dass die Revisionswerberin den Nachweis eines funktionierenden Mietenmarktes nicht erbracht habe, weil sich die aus den vorgelegten Unterlagen abzulesenden Informationen auf die allgemeine Beschreibung der angebotenen Objekte beschränkten. Angaben zu Bauart und Ausstattung sowie Gediegenheit und Exklusivität der Objekte seien den Unterlagen nur bedingt zu entnehmen. Angaben zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten bzw. Verkehrswerten der Objekte fehlten gänzlich. Durch die vorgelegten Unterlagen werde auch nicht belegt, dass die Objekte tatsächlich nachgefragt und in weiterer Folge vermietet worden seien. Da die Revisionswerberin nicht nachgewiesen habe, dass es für das Objekt einen funktionierenden Mietenmarkt gebe, sei die Höhe des Nutzungsvorteils mittels einer abstrakten Renditeberechnung zu ermitteln. Dabei ging das Bundesfinanzgericht von Anschaffungs‑/Herstellungskosten (für Grundstück und Baulichkeiten) von 1,782.000 € sowie einem (ausführlich begründeten) 4,75%igen Renditezinssatz aus.
9 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für unzulässig.
10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, der Nachweis eines funktionierenden Mietenmarktes durch die Revisionswerberin stelle eine unzulässige Beweislastumkehr dar. Der diesbezügliche Vorhalt des Bundesfinanzgerichts sei unerfüllbar und unzulässig, weil damit „von einem Durchschnittsbürger das Spezialwissen eines Sachverständigen für das Immobilienwesen“ verlangt werde. Zudem seien Auskünfte für Zeiten verlangt worden (Mietbeginn Juli 2006), für die die absolute Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften werden von der Revisionswerberin das Fehlen einer zusammenhängenden Sachverhaltsdarstellung und einer darauf aufbauenden Beweiswürdigung gerügt. Materiellrechtlich wendet sich die Revision dagegen, dass das Bundesfinanzgericht die in den Anschaffungs‑/Herstellungskosten enthaltene Umsatzsteuer bei der abstrakten Renditeberechnung berücksichtigt habe und führt in diesem Zusammenhang u.a. aus, dass die Vorsteuer, soweit sie abziehbar sei, nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gehöre.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Vorerkenntnis zu Recht erkannt, dass eine abstrakte Renditeermittlung (mit idR 3% bis 5% des maßgeblichen Wertes) dann nicht geboten ist, wenn es für das von der Körperschaft errichtete Mietobjekt in der gegebenen Bauart und Ausstattung einen funktionierenden Mietenmarkt gäbe, sodass ein wirtschaftlich agierender, (nur) am Mietertrag interessierter Investor Objekte vergleichbarerer Gediegenheit und Exklusivität (mit vergleichbaren Kosten) errichten und am Markt gewinnbringend vermieten würde, was vom Steuerpflichtigen nachzuweisen ist.
15 Das Bundesfinanzgericht stellte im nunmehr angefochtenen Erkenntnis fest, die Revisionswerberin habe den Nachweis eines funktionierenden Mietenmarktes für das von ihr errichtete Objekt nicht erbracht, weil die Unterlagen, die sie im Rahmen eines diesbezüglichen Vorhaltverfahrens vorgelegt habe, nur eine allgemeine Beschreibung der angebotenen Vergleichsobjekte enthielten. Angaben zu Bauart und Ausstattung sowie Gediegenheit und Exklusivität dieser Objekte seien den vorgelegten Unterlagen nur bedingt zu entnehmen und Angaben zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten bzw. Verkehrswerten der Objekte fehlten gänzlich. Durch die vorgelegten Unterlagen werde auch nicht belegt, dass diese Objekte tatsächlich nachgefragt und in weiterer Folge (gewinnbringend) vermietet worden seien.
16 Dass durch die im fortgesetzten Verfahren vorgelegten Unterlagen sehr wohl der Nachweis eines funktionierenden Mietenmarktes erbracht worden sei, wird in der Revision nicht behauptet. Im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens wird lediglich gerügt, dass der Nachweis eines funktionierenden Mietenmarktes durch den Abgabepflichtigen eine unzulässige Beweislastumkehr darstelle, der Vorhalt des Bundesfinanzgerichts unerfüllbar und unzulässig sei, weil damit „von einem Durchschnittsbürger das Spezialwissen eines Sachverständigen für das Immobilienwesen“ verlangt werde, und das Bundesfinanzgericht zudem Auskünfte für Zeiten verlangt habe, für die die absolute Festsetzungsverjährung eingetreten sei.
17 Diesem Zulässigkeitsvorbringen ist zu entgegnen, dass wirtschaftlich agierende, (nur) am Mietertrag interessierte Investoren vor der Errichtung eines Mietobjektes den Mietenmarkt (im gegebenen geographischen Einzugsgebiet) erkunden, um Fehlinvestitionen zu vermeiden. Die Vorlage der den zu erwartenden Mietenmarkt betreffenden Unterlagen, die einen wirtschaftlich agierenden, (nur) am Mietertrag interessierten Abgabepflichtigen letztlich zur Errichtung eines Mietobjektes bewogen haben, ist aber ‑ entgegen dem in der Revision vertretenen Standpunkt ‑ jedenfalls zumutbar und im Hinblick auf die im Abgabenverfahren bestehende Offenlegungspflicht auch geboten.
18 Dem Vorbringen, das Bundesfinanzgericht habe Auskünfte für Zeiten verlangt, für die die absolute Festsetzungsverjährung eingetreten sei, ist entgegen zu halten, dass die Frage, welche Miethöhe in Bezug auf den im Juli 2006 abgeschlossenen Mietvertrag angemessen wäre, bereits seit der im Jahr 2009 durchgeführten Außenprüfung umstritten ist. Die absolute Verjährung, die allerdings gemäß § 209a BAO der Festsetzung der strittigen Abgaben im angefochtenen Erkenntnis nicht entgegen steht, ist somit erst im Laufe des Rechtsmittelverfahrens eingetreten.
19 Dass dem angefochtenen Erkenntnis die erforderliche Darstellung des relevanten Sachverhalts und der Beweiswürdigung fehlte, wird durch die Revision nicht aufgezeigt. Das gilt insbesondere für die in der Revision erfolgte Wiedergabe von Ausführungen auf Seite 14 des angefochtenen Erkenntnisses (wonach es sich beim in Rede stehenden Gebäude um ein „auf einen Zweipersonenhaushalt zugeschnittenes, extravagantes Wohnobjekt [...], das nicht den Durchschnittserwartungen der Österreicher für tägliches Wohnen entspricht“ handle) und von Ausführungen auf Seite 24 des angefochtenen Erkenntnisses (wonach es Fachmeinungen gebe, „die schon im Regelfall davon ausgehen, dass Einfamilienhäuser keine Renditeobjekte sind, in die fremde Investoren investieren“), mit der die Revision die Lückenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit des angefochtenen Erkenntnisses illustrieren will.
20 Hinsichtlich des Zulässigkeitsvorbringens, wonach abziehbare Vorsteuern nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gehörten, genügt es darauf zu verweisen, dass die in den Anschaffungs- und Herstellungskosten des hier in Rede stehenden Gebäudes enthaltene Vorsteuer laut angefochtenem Erkenntnis nicht abziehbar war.
21 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. März 2018
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