VwGH Ra 2017/10/0003

VwGHRa 2017/10/000322.2.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie Hofrat Dr. Lukasser und Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Uhlir, 1. über den Antrag I) der X Y in S, vertreten durch die Kindesmutter A Y sowie den Kindesvater B Y, und II) des B Y in S, beide vertreten durch Mag. Alexander Bacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Führichgasse 6, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. November 2016, W203 2138252-1/2E, betreffend Entscheidung über das Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe, und 2. über deren Revision gegen das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landesschulrat für Niederösterreich), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1332;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1332;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem am 22. November 2016 zugestellten Erkenntnis vom 16. November 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht gegenüber den Antragstellern die Beschwerde gegen den Bescheid des Landesschulrates für Niederösterreich vom 13. Oktober 2016, mit dem die Nichtberechtigung der Erstantragstellerin zum Aufsteigen in die nächste Schulstufe ausgesprochen worden war, gemäß §§ 25 Abs. 1 und 2 sowie 71 Abs. 2 lit. c, 4 und 6 Schulunterrichtsgesetz als unbegründet ab.

2 Am 3. Jänner 2017 brachten die Antragsteller gegen das angeführte Erkenntnis - laut dem handschriftlichen Vermerk am Revisionsschriftsatz wegen technischer Probleme mit dem webERV - per Post eine (außerordentliche) Revision unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof ein. Diese wurde mit hg. Verfügung vom 16. Jänner 2017 gemäß § 6 AVG dem Bundesverwaltungsgericht zuständigkeitshalber übermittelt, wovon die Antragsteller verständigt wurden.

3 Am 23. Jänner 2017 langte beim Verwaltungsgerichtshof die vom Bundesverwaltungsgericht übermittelte Revision samt Verfahrensakten ein.

4 Mit Schriftsatz vom 23. Jänner 2017, am selben Tag sowohl beim Verwaltungsgerichtshof als auch beim Bundesverwaltungsgericht - wiederum aufgrund von Problemen mit dem webERV - postalisch eingebracht, begehrten die Antragsteller die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist und verbanden diesen Antrag mit einer Revision. Der beim Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag wurde dem Verwaltungsgerichtshof zuständigkeitshalber vorgelegt.

5 Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird mit einem Versehen der Kanzleimitarbeiterin M. begründet, die den Schriftsatz, der "zuletzt" an den Verwaltungsgerichtshof gerichtet gewesen sei, vorbereitet habe. Die Verwechslung bzw. das Versehen sei wohl dadurch erklärbar, dass in der Kanzlei am 3. und 4. Jänner 2017 eine Mehrzahl von Schriftsätzen zu verfassen und fristgerecht zu übermitteln gewesen seien, was - nicht zuletzt aufgrund der vorherigen Weihnachtsferien - unter großem Zeit- und Arbeitsdruck erfolgt sei. Dazu hätten aufgrund der am 3. Jänner 2017 aufgetretenen Probleme bei der Übermittlung mit dem webERV die Schriftstücke an diesem Tag postalisch abgefertigt werden müssen. Im Zuge dessen sei zuletzt das Rubrum durch die Mitarbeiterin ausgebessert und (nochmals) zur Unterschrift vorgelegt worden. Im Zuge des Ausbesserns sei es zu einer Verwechslung gekommen.

6 Ein derartiges Versehen sei der Mitarbeiterin M., die über eine längere Zeit Erfahrung als Angestellte in der Rechtsanwaltskanzlei verfüge und darüber hinaus selbst erfolgreich Jus studiere, noch nie passiert. Vielmehr habe sich diese Mitarbeiterin als äußerst zuverlässig erwiesen, wovon sich der einschreitende Rechtsvertreter bei seinen regelmäßigen Kontrollen überzeugen habe können. Der Rechtsvertreter habe sich daher darauf verlassen können, dass seine Anweisung zur Versendung der Revision an das Bundesverwaltungsgericht ordnungsgemäß umgesetzt werde. Dies umso mehr, als er anlässlich der Streichung des Fristvormerks in seinem Kanzleikalender explizit nochmals nachgefragt habe, ob die Absendung erfolgt sei, was ihm auch bestätigt worden sei.

7 1. Zur Rechtzeitigkeit der Revision:

8 Mit der Zustellung des Erkenntnisses am 22. November 2016 wurde gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG die sechswöchige Revisionsfrist in Gang gesetzt, die mit Ablauf des 3. Jänner 2017 endete.

9 Die am 3. Jänner 2017, dem letzten Tag der Revisionsfrist, zur Post gegebene, unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof (und nicht entsprechend §§ 24 Abs. 1, 25a Abs. 5 VwGG beim Bundesverwaltungsgericht) eingebrachte Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 16. Jänner 2017 (aufgrund der zeitlichen Lagerung des Falles außerhalb der Revisionsfrist) an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet.

10 Wird ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingebracht, so erfolgt eine Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die für die Erhebung der Revision geltende Frist ist nur dann gewahrt, wenn die Revision noch innerhalb der Frist einem Zustelldienst zur Beförderung an die zuständige Stelle übergeben wird oder bei dieser einlangt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 11. August 2015, Ra 2015/10/0031, mwN, oder jenen vom 25. Februar 2016, Ra 2015/07/0147).

11 Im vorliegenden Fall endete die Revisionsfrist am 3. Jänner 2017 und war daher zu dem für den Verwaltungsgerichtshof frühestmöglichen Zeitpunkt einer Weiterleitung, am 9. Jänner 2017 (dem Tag des Einlangens beim Verwaltungsgerichtshof), bereits abgelaufen.

12 Damit erweist sich die Revision als verspätet. 13 2. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

14 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

15 Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, d.h. die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige Personen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 3. Juli 2015, Ra 2015/08/0018, mwN).

16 Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden zuzurechnen, wenn der Anwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von berufsmäßigen Parteienvertretern ermöglichen dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz Einhaltung der beruflichen Sorgfaltspflichten des Anwaltes bei der Kontrolle seines Kanzleiapparates und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und dem Anwalt kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vorzuwerfen ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. Jänner 2013, Zl. 2013/10/0002, mwN).

17 Der Adressierung einer, insbesondere fristgebundenen, Eingabe kommt zentrale Bedeutung zu. Kontrolliert ein berufsmäßiger Parteienvertreter einen fristgebundenen Schriftsatz vor der Unterfertigung nicht auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Rechtzeitigkeit, dann fällt ihm schon deshalb auffallende Sorglosigkeit zur Last. Sollte er aber seiner Kontrollpflicht nachgekommen sein, hat er darzulegen, aus welchen besonderen Gründen ihm die unrichtige Adressierung des Schriftsatzes dennoch nicht aufgefallen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2007, 2007/08/0090).

18 Dem vorliegenden Antrag ist nicht zu entnehmen, dass der Rechtsvertreter der Antragsteller seinen Kontrollpflichten nachgekommen wäre. Er legt zwar dar, dass die Revision ihm nach Ausbesserung des Rubrums im Hinblick auf die geänderte Einbringungsart nochmals zur Unterschrift vorgelegt worden sei, lässt aber offen, warum bzw. wodurch er bei der Unterfertigung daran gehindert worden wäre, die ihm prinzipiell zumutbare Kontrolle der richtigen Adressierung des Schriftsatzes durchzuführen. Dabei ist hervorzuheben, dass die unrichtige Adressierung aus dem Rubrum - wo auch die Unterschrift erfolgte - leicht zu ersehen war. Auch die Nachfrage, ob die Absendung erfolgt sei, stellt keine taugliche Überwachungshandlung dar, zielt diese Frage fallbezogen doch nur auf die Durchführung der Postaufgabe ab, ohne dabei aber den Empfänger zu hinterfragen. Mit diesem Vorbringen konnte somit kein Nachweis der Erfüllung der Kontrollpflicht des Rechtsvertreters erbracht werden. Ein nur minderer Grad des Versehens im Sinn des § 46 Abs. 1 zweiter Satz VwGG kann infolgedessen nicht angenommen werden (vgl. wiederum den hg. Beschluss vom 3. Juli 2015, Ra 2015/08/0018).

19 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen und die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres

Verfahren und gemäß § 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2017

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