VwGH Ra 2017/05/0260

VwGHRa 2017/05/026021.11.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision 1. des H R und

2. der J R, beide in W, beide vertreten durch Riel/Grohmann/Sauer Rechtsanwälte in 3500 Krems, Gartenaugasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 11. August 2017, Zl. LVwG-AV-889/001-2017, betreffend einen Abbruchauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeindevorstand der Marktgemeinde W; weitere Partei:

Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §62 Abs4;
BauO NÖ 1996 §14 Z1;
BauO NÖ 1996 §17 Abs1 Z4;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2;
BauO NÖ 2014 §14 Z1;
BauO NÖ 2014 §35 Abs2 Z1;
BauO NÖ 2014 §35 Abs2 Z2;
BauRallg;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017050260.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 13.12.2016, Ra 2016/05/0076, mwN).

5 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe mit den Baubehörden den Begriff "Bauwerk" entgegen der Legaldefinition des § 4 Z 7 NÖ Bauordnung 2014 (im Folgenden: BO) ausgelegt und diesem Gesetz unterstellt, dass dieses damit "Gebäude" meine. Lege man § 35 BO nicht, wie die Baubehörden und das Verwaltungsgericht, unrichtig, sondern gesetzeskonform aus, so müsse zur Lösung der Frage, ob es sich um eine Neuerrichtung oder Sanierung (der Weingartenhütte) handle, die gesamte Bauwerksanlage der Revisionswerber herangezogen werden. Im konkreten Fall sei die Weingartenhütte Bestandteil eines viel größeren Bauwerkes, nämlich einer Anlage, die aus einer sehr großen Trockensteinmauer und einer zum Teil darauf gebauten Weingartenhütte bestehe. In der hg. Judikatur sei bisher nicht der Fall behandelt worden, in welchem durch ein Unwetter, also vom Eigentümer unbeeinflussbar bzw. durch höhere Gewalt, Fundamente eines Gebäudes - welches Teil einer Gesamtanlage sei - derart in Mitleidenschaft gezogen worden seien, dass das Gebäude zu einem überwiegenden Teil durch Herstellung neuer Fundamente und neuer Wände saniert werden müsse. Unbestritten sei, dass die Sanierung (Instandsetzung) eines Gebäudes, auch wenn sie tiefgreifend erfolge, weder nach § 17 Abs. 1 Z 4 NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden: BauO 1996) noch nach § 17 Z 3 BO einer Bewilligung bedürfe. Ein Abbruch der Weingartenhütte würde auch dem Zweck des Raumordnungsgesetzes widersprechen, denn durch die tiefgreifende Sanierung habe sich für den Betrachter objektiv nicht das Geringste gegenüber dem bisherigen Stand geändert. Wer die Gesamtanlage, also das Trockensteinmauerwerk einschließlich der Weingartenhütte, betrachte, könne keinen Unterschied zum Gesamtbild vor dem Unwetter des Jahres 2012 erkennen.

6 Dazu ist Folgendes auszuführen:

Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. VwGH 24.2.2016, Ro 2015/05/0012, mwN) muss die Bewilligungspflicht hinsichtlich einer von einem Bauauftrag nach § 35 Abs. 2 BauO 1996 betroffenen baulichen Anlage nicht nur im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerkes, sondern auch im Zeitpunkt der Erteilung eines Beseitigungsauftrages gegeben sein. Auch das Verwaltungsgericht musste die allfällige Bewilligungs- und Anzeigepflicht in den beiden Zeitpunkten prüfen. Im Übrigen hatte das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

7 In dem für die Beurteilung des vorliegenden baupolizeilichen Abbruchauftrages maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes stand die BO, LGBl. Nr. 1/2015, in der Fassung LGBl. Nr. 52/2017 in Geltung.

8 Gemäß § 70 Abs. 1 erster Satz BO sind die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes (am 1. Februar 2015, vgl. § 72 Abs. 1 leg. cit.) anhängigen Verfahren, ausgenommen jene nach §§ 33 und 35 BauO 1996, nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.

9 Gemäß § 35 Abs. 2 Z 2 BO hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerks ungeachtet eines anhängigen Antrages nach § 14 oder einer anhängigen Anzeige nach § 15 anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt.

10 Die obgenannte, zu § 35 Abs. 2 BauO 1996 ergangene ständige hg. Judikatur kann wegen des im vorliegenden Zusammenhang hinsichtlich § 35 Abs. 2 Z 3 leg. cit. weitgehend gleichen Regelungsinhaltes des § 35 Abs. 2 Z 2 BO, bei dem es allerdings nicht mehr auf die mangelnde Bewilligungsfähigkeit bzw. Unzulässigkeit des in Frage stehenden Bauwerkes ankommt, auf den Revisionsfall übertragen werden (vgl. in diesem Zusammenhang auch VwGH 24.01.2017, Ra 2016/05/0066).

11 Nach den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Ausführungen wurde am 19. Dezember 2012 von der Baubehörde festgestellt, dass mit der Errichtung des (auftragsgegenständlichen) Gebäudes ohne baubehördliche Bewilligung begonnen worden war. Zu diesem Zeitpunkt stand die BauO 1996 in der Fassung LGBl. 8200-20 in Geltung, nach deren § 17 Abs. 1 Z 4 die Instandsetzung von Bauwerken, wenn die Konstruktions- und Materialart beibehalten sowie Formen und Farben von außen sichtbaren Flächen nicht verändert werden, ein bewilligungs- und anzeigefreies Vorhaben war. Demgegenüber bedurften (u.a.) Neubauten von Gebäuden oder die Abänderung von Bauwerken, wenn die Standsicherheit tragender Bauteile, der Brandschutz oder die hygienischen Verhältnisse beeinträchtigt, ein Widerspruch zum Ortsbild (§ 56) entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten, einer Baubewilligung (vgl. § 14 Z 1 und 4 leg. cit.).

12 Nach den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen weiteren Feststellungen wurde die (neue) Weingartenhütte nicht an der Stelle der (abgetragenen) Weingartenhütte errichtet. Die Revisionswerber legen in der Zulässigkeitsbegründung nicht dar, dass diese Feststellungen auf einer grob fehlerhaften Beurteilung durch das Verwaltungsgericht beruhten bzw. im Rahmen der diesen Feststellungen zugrunde liegenden Beweiswürdigung tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes verletzt worden seien und deshalb eine Rechtsfrage des Verfahrensrechtes von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliege (vgl. dazu etwa VwGH 26.4.2017, Ra 2017/05/0015, mwN).

13 Schon im Hinblick darauf, dass die neue Hütte nicht an derselben Stelle wie die alte Weingartenhütte errichtet wurde, kann somit von einer (bewilligungs- und anzeigefreien) Instandsetzung der alten Weingartenhütte - oder, wie die Revision vorbringt, der "Gesamtanlage" - im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 4 BauO 1996 keine Rede sein.

14 Durch die Abtragung der (alten) Weingartenhütte ging ein (allenfalls vorhandener oder vermuteter) baurechtlicher Konsens unter, und zwar selbst dann, wenn einzelne Teile, die nicht mehr raumbildend waren, für eine Wiederverwendung erhalten geblieben wären (vgl. dazu aus der ständigen hg. Judikatur etwa VwGH 29.9.2015, Ra 2015/05/0045, mwN). Die neue Hütte bedurfte daher sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung gemäß § 14 Z 1 BauO 1996 als auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses gemäß § 14 Z 1 BO einer Baubewilligung, die nicht vorgelegen ist.

15 Auf dem Boden des in der Zulässigkeitsbegründung erstatteten Vorbringens ist daher in der Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass die Baubehörde den Abbruch der Weingartenhütte als Bauwerk im Sinne des § 4 Z 7 BO anzuordnen hatte, weil für das Bauwerk keine Bewilligung vorlag - damit war der Tatbestand des § 35 Abs. 2 Z 2 BO erfüllt -, eine in Widerspruch zur hg. Judikatur stehende Fehlbeurteilung nicht zu erkennen. Ergänzend ist zu bemerken, dass es sich, wenn das Verwaltungsgericht in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zwar den Wortlaut des § 35 Abs. 2 Z 2 BO - insoweit zutreffend - wiedergegeben, jedoch diese Bestimmung - unrichtigerweise - als § 35 Abs. 2 Z 1 BO bezeichnet hat, dabei um eine offenkundige, berichtigungsfähige Unrichtigkeit handelt, die keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses bewirkt (vgl. in diesem Zusammenhang etwa Hengstschläger/Leeb, AVG § 62 Rz 75 mwH auf die hg. Judikatur).

16 Die Revision war daher mangels Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 21. November 2017

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