European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017010252.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23. März 2017, mit dem ihr Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen, die Zuständigkeit Frankreichs für die Prüfung des Antrags gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-Verordnung ausgesprochen, gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung angeordnet und gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Frankreich für zulässig erklärt worden war, als unbegründet abwiesen.
2 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 11. Juni 2018, E 2812/2017-21 die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 144 B-VG erhobenen Beschwerde ab. Begründend verneinte der Verfassungsgerichtshof sowohl eine Verletzung des Art. 3 EMRK (unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zu "krankheitsbedingten Gründen") sowie des Art. 47 GRC (infolge Unterlassung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG). Mit weiterem Beschluss vom 27. Juni 2018, E 2812/2017-23, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, bei Führung eines einwandfreien Verfahrens wäre das BVwG zu dem Schluss gekommen, dass Österreich aufgrund einer drohenden Art. 3 EMRK-Verletzung das Selbsteintrittsrecht nach der Dublin III-VO auszuüben gehabt hätte. Diesbezüglich liege ein Abweichen von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
7 Weiters wird vorgebracht, das BVwG habe nicht mündlich verhandelt und sei hierdurch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
8 Im Hinblick auf ihre individuelle Lage bringt die Revisionswerberin vor, dass eine Entscheidung nach § 5 AsylG eine massive Verschlechterung ihrer psychischen Verfassung zur Folge habe, was sich in Suizidgedanken und massiven Angstzuständen (infolge einer "etwaigen Bedrohung des in Frankreich geschäftlich tätigen Ehemanns") äußere. Sie sei sohin als vulnerable Person zu qualifizieren, für die von den französischen Behörden zumindest eine Einzelfallzusicherung für angemessene und zugängliche Behandlungsmöglichkeiten einzuholen gewesen wäre.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner (mittlerweile ständigen) Rechtsprechung wiederholt darauf verwiesen, dass die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 nur durch eine schwerwiegende, etwa die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK bzw. 4 GRC übersteigende allgemeine Änderung der Rechts- und Sachlage im zuständigen Mitgliedstaat widerlegt werden kann (vgl. etwa VwGH 19.12.2017, Ra 2017/01/0094, mit Hinweis auf VwGH 20.6.2017, Ra 2016/01/0153).
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat weiters im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. auch dazu - betreffend einen vergleichbaren Fall "extremer psychischer Belastung bis hin zu Suizidalität" - VwGH Ra 2016/01/0153, Rn. 61 ff, mwN, unter anderem auf das Urteil des EGMR 13.12.2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, sowie die darauf Bezug nehmende Rechtsprechung des EuGH).
11 Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Probleme der Revisionswerberin vermag die Revision nicht darzulegen, dass die durch Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC geschützten Rechte der Revisionswerberin im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung des EGMR durch die Überstellung nach Frankreich verletzt werden:
So hat sich das BVwG mit dem Gesundheitszustand der Revisionswerberin und der medizinischen Versorgung in Frankreich auseinandergesetzt und festgestellt, dass für das Erfordernis eines (ununterbrochenen) stationären Aufenthalts der Revisionswerberin keine Anhaltspunkte bestünden und dass in Frankreich grundsätzlich sowohl psychiatrische Hilfe als auch eine europäischen Standards genügende Medikation für psychische Erkrankungen erhältlich sei.
12 Soweit sich die Revisionswerberin gegen das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung wendet, zeigt die Revision mit diesem Vorbringen keine Rechtswidrigkeit am Maßstab der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht in Dublin-Verfahren auf (vgl. auch dazu VwGH Ra 2016/01/0153, mit Hinweis auf VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072).
13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 4. September 2018
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