VwGH Ra 2016/22/0065

VwGHRa 2016/22/006517.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision des Bundesministers für Inneres gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Steiermark vom 27. April 2016, LVwG 26.20-1560/2015-19, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: K K, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Landeshauptmann von Steiermark), zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §47 Abs3 Z3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. April 2015 wurde der Antrag der Mitbeteiligten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" wegen mangelnder Unterhaltsmittel abgewiesen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Steiermark (LVwG) vom 27. April 2016 wurde der dagegen erhobenen Beschwerde Folge gegeben und der Mitbeteiligten eine Niederlassungsbewilligung "Angehöriger" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Mitbeteiligte mit Beschluss des Bezirksgerichtes Graz-West vom 9. Mai 2014 von ihrer Tante und ihrem Onkel, beide österreichische Staatsbürger, an Kindes statt angenommen worden sei. Die Familie der Wahleltern verfüge zwar nicht über ausreichende Unterhaltsmittel, auf Grund einer Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK sei der Mitbeteiligten jedoch ein Aufenthaltstitel "Angehöriger" für die Dauer von zwölf Monaten zu erteilen gewesen.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Weder die Mitbeteiligte noch die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht beteiligten sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, das LVwG habe nicht alle Erteilungsvoraussetzungen geprüft und insbesondere keine Feststellungen zum Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 47 Abs. 3 NAG getroffen. Bei Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung sei eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG nicht durchzuführen (Hinweis unter anderem auf das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, 2008/22/0909).

5 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. 6 Da die Mitbeteiligte bereits volljährig und somit nicht

mehr Familienangehörige gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG ist, kommt fallbezogen nur eine "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 NAG in Frage. Nach dieser Bestimmung kann sonstigen Angehörigen von Zusammenführenden eine Niederlassungsbewilligung unter anderem dann erteilt werden, wenn sie vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen (lit. a), mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft lebten (lit. b) oder wenn schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen (lit. c). Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist bei Fehlen einer für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels notwendigen besonderen Erteilungsvoraussetzung (hier: § 47 Abs. 3 Z 3 NAG) weder das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen noch eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG durchzuführen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. November 2012, 2012/22/0168, mwN).

7 Das LVwG unterließ offenbar in Verkennung der Rechtslage Feststellungen zum Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 47 Abs. 3 Z 3 NAG. Da bei Fehlen der für die Erteilung der begehrten Niederlassungsbewilligung geforderten besonderen Erteilungsvoraussetzungen eine Interessenabwägung nicht stattzufinden hat, wäre auch im Fall des Überwiegens der persönlichen Interessen der Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitels nicht zu erteilen.

8 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 17. Oktober 2016

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