VwGH Ra 2016/21/0370

VwGHRa 2016/21/037026.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des B M N in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. November 2016, G311 2133772- 1/6E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

32004L0038 Unionsbürger-RL Art28;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
BFA-VG 2014 §9;
EURallg;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §67 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016210370.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist rumänischer Staatsangehöriger und reiste 2009 zu seiner bereits in Österreich befindlichen Mutter. Seit 24. September 2009 verfügt er über eine Anmeldebescheinigung.

2 Ab 2013 beging der Revisionswerber Straftaten nach dem SMG. Er wurde deswegen am 30. Jänner 2016 - nachdem er am selben Tag ca. 166,4 g Heroin sowie weitere Suchtgifte mit einem Pkw von Slowenien nach Österreich geschmuggelt hatte - verhaftet und schließlich mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 7. Juli 2016 zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Diesem Urteil lag insbesondere zugrunde, dass der Revisionswerber zwischen dem Frühjahr 2014 und dem 30. Jänner 2016 eine insgesamt unbekannte, jedenfalls aber das 25-fache der Grenzmenge übersteigende Menge Heroin aus Slowenien aus- und nach Österreich eingeführt hatte, und zwar im Zuge von zumindest einmal pro Monat vorgenommenen Schmuggelfahrten, bei denen er jeweils zwischen 50 und 100 g Heroin nach Österreich brachte; außerdem, dass er von 2013 bis Jänner 2016 Heroin in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge anderen großteils durch gewinnbringenden Verkauf überlassen hatte, und zwar 16 namentlich angeführten Personen insgesamt mehr als 550 g sowie zahlreichen unbekannten Personen eine unbekannte Menge.

3 Im Hinblick auf diese Straftaten erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 5. August 2016 gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein siebenjähriges Aufenthaltsverbot. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG sprach das BFA überdies aus, dass dem Revisionswerber kein Durchsetzungsaufschub erteilt werde und gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG erkannte es einer Beschwerde gegen diesen Aufenthaltsverbotsbescheid die aufschiebende Wirkung ab.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 8. November 2016 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der gegen den genannten Bescheid erhobenen Beschwerde - nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, in der der Revisionswerber, seine Mutter und deren Lebensgefährte einvernommen worden waren - nur insofern statt, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf vier Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde aber mit der Maßgabe abgewiesen, dass "hinsichtlich der Erlassung des Aufenthaltsverbotes § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG iVm Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG " anzuwenden sei. Außerdem sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

7 In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber der Sache nach in erster Linie geltend, das BVwG hätte bei Beurteilung seiner Gefährlichkeit einen strengeren Maßstab heranziehen müssen. Zwar habe es im Hinblick auf sein Daueraufenthaltsrecht (welches bereits nach fünfjährigem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet erwirkt wurde) im Sinn des § 66 Abs. 1 letzter Satz FPG darauf abgestellt, ob sein weiterer Aufenthalt in Österreich eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle; es wäre dem BVwG aber "jedenfalls möglich gewesen", in Anbetracht des bereits siebenjährigen Inlandsaufenthaltes des Revisionswerbers "einen strengeren Maßstab" anzulegen.

8 Diese Auffassung hat weder in der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG ) noch im FPG eine Grundlage. Hier wie dort finden sich drei Stufen für die Gefährdungsprognose, und das BVwG hat zutreffend die - in den Worten der Revision: mittlere - Stufe des Art. 28 Abs. 2 der genannten Richtlinie bzw. des § 66 Abs. 1 letzter Satz FPG zur Anwendung gebracht (vgl. zum Ganzen das schon vom BVwG zitierte hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2012, Zl. 2012/21/0181; dort wurde der erwähnte "mittlere" Maßstab im Übrigen konkret bei neunjährigem Inlandsaufenthalt für relevant erachtet). Davon abgesehen hat die Länge der Aufenthaltsdauer nur im Rahmen der Abwägung nach § 9 BFA-VG sowie bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes Berücksichtigung zu finden, welcher Anforderung das BVwG - mit der Konsequenz, dass es die Dauer des vom BFA verhängten Aufenthaltsverbots nicht unwesentlich verkürzte - aber ohnehin entsprochen hat. Die vom Revisionswerber in Bezug auf den Gefährdungsmaßstab aufgeworfene "Rechtsfrage" stellt sich jedoch nach dem Gesagten nicht.

9 Ausgehend davon, dass das BVwG den richtigen Gefährdungsmaßstab zugrunde legte, erweist sich die konkret getroffene Prognose zu Lasten des Revisionswerbers dann nicht als revisibel, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0079). Das ist hier der Fall, zumal das BVwG die beantragte Beschwerdeverhandlung durchführte und zur Darlegung der Gefährlichkeit des Revisionswerbers zutreffend auf die Häufigkeit der von ihm durchgeführten Schmuggelfahrten, die große Anzahl seiner Abnehmer und die in Rede stehenden Suchtgiftmengen hinwies, woraus abgeleitet werden könne, dass er - von der Revision unbestritten - seine Straftaten in einem gut organisierten Schmuggel- und Verkaufsnetzwerk begangen habe.

10 Anders als der Revisionswerber meint, weicht das angefochtene Erkenntnis insbesondere auch nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Wenn er konkret in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 2010, Zl. 2010/21/0305 (richtig: 2010/21/0335), und weiter den hg. Beschluss vom 15. September 2016, Ra 2016/21/0262, anspricht, so ist ihm zunächst zu entgegnen, dass in beiden Fällen der Verwaltungsgerichtshof die zugrunde liegende Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf Suchtgiftdelikte nicht beanstandete und im ersten Fall die Beschwerde abwies bzw. im zweiten Fall die Revision zurückwies. Dass es sich dabei - nach Meinung des Revisionswerbers - um gravierendere Fälle handelte, schließt schon grundsätzlich nicht aus, dass auch in weniger schwerwiegenden Fällen ein Aufenthaltsverbot - nach Maßgabe des hier heranzuziehenden Gefährdungsmaßstabes - gerechtfertigt sein kann. Im Übrigen hat der Revisionswerber aber ohnehin eine massive Suchtgiftmenge zu verantworten (insofern nicht wesentlich anders als zu 2010/21/0335) und war andererseits auch der Revisionswerber zu Ra 2016/21/0262, anders als in der gegenständlichen Revision behauptet und als Unterschied zum vorliegenden Fall ins Treffen geführt, nach seiner ersten Verurteilung nicht ein weiteres Mal strafbar geworden (vielmehr war im Hinblick auf der ersten Verurteilung vorangegangene weitere Straftaten eine Zusatzstrafe verhängt worden).

11 Auch unter dem zuletzt ausgeführten Gesichtspunkt werden somit in der Zulässigkeitsbegründung der gegenständlichen Revision keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dargetan, sodass sie sich als unzulässig erweist. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 26. Jänner 2017

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