VwGH Ra 2016/21/0178

VwGHRa 2016/21/017830.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 169, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2016, Zl. W186 2123169-1/6Z, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: K S in W, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, 1090 Wien, Pulverturmgasse 4/2/R01), den Beschluss gefasst:

Normen

62014CJ0146 Mahdi VORAB;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §77 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §29 Abs2;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer Verhandlung mündlich verkündeten Erkenntnis vom 23. März 2010 gab das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 76 Abs. 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG einer Schubhaftbeschwerde des Mitbeteiligten statt, indem es den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aufhob und die Anhaltung in Schubhaft seit dem 9. März 2016 für rechtswidrig erklärte. Unter einem wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

2 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

4 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

5 Das BFA macht in der Revision unter diesem Gesichtspunkt in erster Linie verschiedene Mängel im Hinblick auf die Gestaltung der protokollierten Begründung des Erkenntnisses geltend. So wird gerügt, dass sich die zu fordernde Gliederung in Feststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung nur ansatzweise wiederfinde. Das Bundesverwaltungsgericht "verknappe" sowohl die Ausführungen zur Beweiswürdigung als auch jene zur rechtlichen Beurteilung.

6 Gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG ist das Erkenntnis (nur) mit den "wesentlichen Entscheidungsgründen" zu verkünden. Ob die Begründung in diesem Sinn ausreichend ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab und stellt nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar, wenn - etwa durch das vollständige Fehlen einer Begründung, eine bloß formelhafte Scheinbegründung oder eine die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof verunmöglichende Lückenhaftigkeit - die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist. Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. In der Revision wird auch nicht näher dargelegt, mit welchen zum Vorbringen des Mitbeteiligten im Widerspruch stehenden Angaben des BFA - das in der mündlichen Verhandlung trotz Ladung nicht vertreten war - sich das Bundesverwaltungsgericht auseinandersetzen hätte müssen.

7 Es trifft auch nicht zu, dass die Zitierung nur des § 76 Abs. 1 FPG als angewendete materielle Rechtsnorm durch das Bundesverwaltungsgericht es verunmögliche, "nachzuvollziehen, welche gesetzlichen Bestimmungen für seine Entscheidung tragend waren". Vielmehr ergibt sich aus der protokollierten Entscheidungsbegründung zweifelsfrei, dass nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts das Fehlen einer (nach Art. 28 Abs. 2 der Dublin III-Verordnung zu fordernden) erheblichen Fluchtgefahr für die Rechtswidrigkeit der (Aufrechterhaltung der) - vom BFA nach dem Spruch seines Bescheides gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Dublin III-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG verhängten - Schubhaft ausschlaggebend war.

8 Schließlich meint das BFA, dass das Bundesverwaltungsgericht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes selbst ein gelinderes Mittel anzuordnen habe, wenn es ein solches als ausreichend erachte. Damit missversteht das BFA aber diese Rechtsprechung: In dem in der Revision ins Treffen geführten (zur Rückführungsrichtlinie ergangenen) Urteil in der Rechtssache Mahdi, C-146/14 , heißt es im Tenor (Punkt 2.), dass es der über die Verlängerung der Haft erkennenden Justizbehörde erlaubt sein muss, unter anderem zu entscheiden, ob die Haft durch eine weniger intensive Zwangsmaßnahme ersetzt werden kann. Das kann aber - schon aus Rechtsschutzgründen (siehe dazu Rz 63 des genannten Urteils) - nicht bedeuten, dass die Justizbehörde diese Zwangsmaßnahme selbst anordnen muss, sondern nur, dass sie bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Möglichkeit einer solchen Maßnahme in Betracht zu ziehen und gegebenenfalls zu bejahen hat, was zur Rechtswidrigkeit der Schubhaft führt.

9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. Juni 2016

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