VwGH Ra 2016/18/0296

VwGHRa 2016/18/029621.2.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision des N A in S, vertreten durch Mag. Reinhard Traumüller, Rechtsanwalt in 8820 Neumarkt/Stmk, Hauptplatz 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. September 2016, Zl. W233 2133819-1/3E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

32013R0604 Dublin-III Art18 Abs1;
32013R0604 Dublin-III Art18 Abs2;
32013R0604 Dublin-III Art25 Abs2;
32013R0604 Dublin-III Art3 Abs1;
AsylG 2005 §5 Abs1;
EURallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers, eines pakistanischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, mit dem der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurückgewiesen, die Zuständigkeit Ungarns für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) ausgesprochen, die Außerlandesbringung des Revisionswerbers gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) angeordnet und festgestellt worden war, dass demzufolge seine Abschiebung nach Ungarn gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei, als unbegründet ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das BVwG für nicht zulässig.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit ausschließlich geltend gemacht wird, es stelle sich die Frage, ob an der formellen Zuständigkeit eines Staates nach den Regeln der Dublin III-VO festzuhalten sei, "der die Dublin III-VO de facto außer Kraft gesetzt und von vornherein erklärt hat, keine Asylsuchenden zurückzunehmen". Zu klären sei, ob der Staat des Aufenthalts des Asylwerbers in einem solchen Fall vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO Gebrauch machen müsse "noch bevor es aufgrund der faktischen Unmöglichkeit der Abschiebung ohnehin zu einem Zuständigkeitsübergang" komme.

3 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Fallbezogen haben die ungarischen Behörden auf das Wiederaufnahmeersuchen der österreichischen Behörden nicht fristgerecht geantwortet. Damit wurde Ungarn für die Prüfung des Antrages des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ex lege im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO zuständig, weil gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO in einem solchen Fall der Verfristung davon auszugehen ist, dass damit dem Wiederaufnahmeersuchen stattgegeben wird. Dies zieht die Verpflichtung nach sich, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

8 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kann aber aus der Tatsache, dass Ungarn aufgrund der Bestimmung des Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO (Zustimmungsfiktion durch Verschweigung) zuständig geworden ist, nicht darauf geschlossen werden, dass Ungarn die Dublin III-VO nicht anwende.

Die Dublin III-VO ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in den Mitgliedstaaten; die dort enthaltenen Zuständigkeitskriterien und Verfahrensbestimmungen können nicht von den Mitgliedstaaten abweichend geregelt werden. Aus der in Art. 3 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO vorgesehenen Verpflichtung zur Prüfung jedes Antrags auf internationalen Schutz ergibt sich die Verpflichtung zu einer Einzelfallprüfung. Daran ändert auch eine allfällige pauschale Vorwegmitteilung oder Ankündigung seitens einer Regierung eines Mitgliedstaates nichts. Die Dublin III-VO enthält auch keine Bestimmung, die die Möglichkeit einer Aussetzung der Anwendung der Verordnung vorsieht. Das vorliegende Wiederaufnahmegesuch wurde von den ungarischen Behörden - entgegen allfälliger medialer Ankündigungen - auch nicht abgelehnt, womit Ungarn die Zuständigkeitsbegründung nach Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO akzeptiert hat und daher - bis zum Ablauf der Überstellungsfrist - auch zuständig war. Auch geht aus den im angefochtenen Erkenntnis herangezogenen aktuellen Länderberichten nicht hervor, dass Ungarn jedenfalls keine Rückübernahmen nach der Dublin III-VO durchführe und somit die Dublin III-VO nicht vollziehe.

9 Da ausgehend davon fallbezogen zum Entscheidungszeitpunkt des angefochtenen Erkenntnisses nicht feststand, dass die Überstellung des Revisionswerbers infolge des Ablaufs von Überstellungsfristen oder einer erfolgten Ablehnung der Wiederaufnahme gemäß Art. 18 Dublin III-VO nicht möglich ist, ist dem BVwG nicht entgegenzutreten, wenn es die Zuständigkeit Ungarns als gegeben erachtete.

Weitere Rechtsfragen wurden in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht vorgebracht.

10 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. Februar 2017

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