VwGH Ra 2016/16/0025

VwGHRa 2016/16/002530.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revisionen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in 1010 Wien, Stubenring 1 (protokolliert zur Ra 2016/16/0025), sowie des Bundes, vertreten durch das Zollamt Graz in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorf-Straße 14-18 (protokolliert zu Ra 2016/16/0026), gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 18. Jänner 2016, Zl. LVwG 46.1-3545/2015-2, betreffend Feststellung nach § 10 Abs. 1 AlSAG (mitbeteiligte Partei: A Beteiligungsgesellschaft GmbH & Co KG in G-N, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger und Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 27/IV), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art133 Abs1 Z1 idF 2012/I/051;
B-VG Art133 Abs4 idF 2012/I/051;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 idF 2012/I/051;
VwGG §34 Abs1;
ZPO §500;
B-VG Art133 Abs1 Z1 idF 2012/I/051;
B-VG Art133 Abs4 idF 2012/I/051;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 idF 2012/I/051;
VwGG §34 Abs1;
ZPO §500;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 11. August 2011 hatte die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz über Antrag des Bundes, vertreten durch das Zollamt Graz, gemäß § 10 AlSAG festgestellt, dass das Ablagern von Baurestmassen auf dem Grundstück Nr., KG K, im Zeitraum vom dritten Quartal 2005 bis zum ersten Quartal 2008 keine beitragspflichtige Tätigkeit darstelle, wogegen der Bund Berufung erhob.

Mit Berufungsbescheid vom 20. November 2012 stellte der Landeshauptmann von Steiermark fest, dass die obbeschriebene Ablagerung eine altlastenbeitragspflichtige Tätigkeit darstelle. Zur Darstellung des weiteren Verfahrensganges wird in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das in dieser Sache ergangene Erkenntnis vom 26. November 2015, 2013/07/0024, verwiesen; mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 20. November 2012 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit folgender tragenden Begründung auf:

"5.1. Soweit die belangte Behörde - wie oben wiedergegeben (vgl. I.1.) - letztlich aus dem bloßen Umstand, dass die beschwerdeführende Partei selbst eine Anzeige über

geländeverändernde Maßnahmen an die Gemeinde ... erstattet habe,

schließt, dass derartige Maßnahmen vom bereits bestehenden Baukonsens, etwa aufgrund des Bescheides der BH vom 16. Dezember 2003, nicht umfasst wären, macht sie sich lediglich den von der beschwerdeführenden Partei zu einem bestimmten Zeitpunkt (und sei es auch bloß vorsichtshalber) vertretenen Rechtsstandpunkt zu eigen; ein derartiger Schluss ist nicht geeignet, an die Stelle der von der belangten Behörde selbst zu treffenden Beurteilung der Reichweite des Baukonsenses aufgrund der vorliegenden Bescheide zu treten.

Die darauf Bezug nehmenden Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde vermögen die insoweit fehlenden Erörterungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen ...

5.2. Insofern die belangte Behörde die von ihr vertretene Auffassung, für die gegenständlichen Maßnahmen sei - zumindest ‚für den Fall der Errichtung einer gewerblichen Betriebsanlage auf der Geländeanpassung' -‚ grundsätzlich eine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung' erforderlich, ausschließlich auf ein Schreiben der BH, Wirtschaftsreferat, vom 12. März 2009 stützt, lässt der angefochtene Bescheid in diesem Zusammenhang - mit Blick auf das im Akt ersichtliche Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom 10. Juni 2009 an die BH, in dem mitgeteilt wurde, dass lediglich die Ausstellungsflächen des genehmigten Projektes realisiert würden, weshalb bis dato eine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung für den Verkaufsmarkt noch nicht beantragt worden sei - Feststellungen zu dem mit den gegenständlichen Geländeanpassungen verfolgten Zweck, also zu der damit verbundenen Baumaßnahme, vermissen.

5.3. Nach dem Gesagten enthält der angefochtene Bescheid weder die notwendigen Feststellungen noch eine ausreichende Begründung für die ihm im Kern zugrunde liegende Auffassung, dass für die gegenständlichen Geländeanpassungen mit Baurestmassen mangels Vorliegen des erforderlichen Baukonsenses und der erforderlichen gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 1a Z. 6 AlSAG nicht in Betracht komme."

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die als Beschwerde behandelte Berufung des Bundes gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 11. August 2011 als unbegründet ab und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges unter dem Punkt "I. Beschwerdevorbringen, Vorverfahren, mündliche Verhandlung, Sachverhalt" aus:

"II. Beweiswürdigung

Für die Beurteilung des Sachverhaltes wurde der Akteninhalt des Baurechtsaktes der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz zu GZ: ... und der Schriftverkehr zwischen der Beschwerdeführerin und der belangten Bezirksverwaltungsbehörde zu Grunde gelegt. Aus diesen Unterlagen geht schließlich hervor, dass die dem Bescheid der BH Leibnitz als Projektbestandteil beiliegenden vidierten Baupläne und Beschreibungen, die für die Errichtung der genehmigten Halle erforderlichen Geländeanpassungen durch Angabe der entsprechenden Höhenquoten und die Anbindung an die beim Baugrundstück vorbeiführenden Landesstrasse L ausreichend exakt beschreiben. Diese Maßnahme steht im Übrigen auch im Einklang mit dem Bebauungsplan der Gemeinde W, der eine Niveauangleichung des vorliegenden Grundstücks an das Niveau der L vorsieht. Aus dem Schriftverkehr mit dem Anlagenreferat der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz geht schließlich hervor, dass aufgrund geänderter wirtschaftlicher Bedingungen, bis auf weiteres keine gewerbliche Nutzung der Gebäude vorgesehen ist, weshalb eine gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung nicht erforderlich ist."

3 Nach auszugsweiser Zitierung des § 3 Abs. 1 AlSAG unter dem Punkt "III. Rechtliche Beurteilung" erwog das Gericht:

"IV. Erwägungen:

Die Beschwerdeführerin hat für die auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück vorgenommenen Geländeanpassungen die nach den Bestimmungen des § 3 Abs 1a Z 6 AlSAG erforderlichen baurechtlichen Genehmigungen und Nichtuntersagungen eingeholt. Eine entsprechende Genehmigung wurde mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 16.12.2003, GZ: ..., erteilt. Eine darüber hinausgehende Genehmigungspflicht liegt für den beitragsrelevanten Zeitraum, 3. Quartal 2005 bis

2. Quartal 2008, deshalb nicht vor, weil wegen wirtschaftlicher Entwicklungen eine Nutzung als Verkaufshalle unterblieb. Eine gesonderte gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung konnte daher im gegenständlichen Fall entfallen.

V. Ergebnis:

Auf Grund des oben beschriebenen Sachverhalts und der rechtlich bindenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.11.2015 war spruchgemäß zu entscheiden."

4 Abschließend begründete das Verwaltungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision.

5 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die Revisionen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie des Bundes, vertreten durch das Zollamt Graz, in der die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit beantragt wird.

Die mitbeteiligte A Beteiligungsgesellschaft m.b.H. & Co KG hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision als unbegründet beantragt.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Revisionen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie des Bundes, vertreten durch das Zollamt Graz, erwogen:

7 Zur Darstellung der im Revisionsfall maßgebenden Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das eingangs zitierte Erkenntnis vom 26. November 2015 verwiesen.

8 Das Verwaltungsgericht sah die Einbringung der Baurestmassen durch die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 16. Dezember 2003 genehmigten Geländeanpassungen gedeckt. Die Revisionen begründen ihre Zulässigkeit und Begründetheit zusammengefasst im Kern damit, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen zur Qualität der bis Ende des Jahres 2005 eingebrachten Baurestmassen und zum Vorliegen eines den Kriterien des § 3 Abs. 1a Z. 6 AlSAG entsprechenden Qualitätssicherungssystems ab 1. Jänner 2006 getroffen.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass eine Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

11 Das Revisionsmodell der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 soll sich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an jenem nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. die ErläutRV 1618 BlgNR XXIV. GP 16). Auch einer Frage des Verfahrensrechts kann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet; eine verfahrensrechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt bei einem schwerwiegenden Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze vor (vgl. etwa den Beschluss vom 25. Februar 2016, Ra 2016/16/0006, mwN).

12 Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden gemäß § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, in der betreffenden Rechtsache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mittel unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

13 Unstrittig ist, dass die mitbeteiligte Partei auf dem obgenannten Grundstück zwischen dem dritten Quartal 2005 und dem ersten Quartal 2008 Baurestmassen einbrachte, die Abfälle im Sinn des § 2 Abs. 1 AWG waren und grundsätzlich dem Altlastenbeitrag unterlagen.

14 Das Verwaltungsgericht hat zwar der Prüfung der Ausnahme von der Beitragspflicht zeitraumbezogen § 3 Abs. 1 AlSAG in den bis zum Ablauf des 31. Dezember 2005 sowie ab 1. Jänner 2006 geltenden Fassungen zugrunde gelegt, jedoch lediglich mit Blick auf die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2005 geltende Fassung für die Beantwortung der Frage des Zusammenhanges mit einer übergeordneten Baumaßnahme in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht das Vorliegen eines Baukonsenses durch den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 16. Dezember 2003 angenommen, ohne für den Zeitraum ab 1. Jänner 2006 die in § 3 Abs. 1a Z. 6 AlSAG geforderte Gewährleistung durch ein Qualitätssicherungssystem zu prüfen, womit das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit einem erheblichen sekundären Verfahrensmangel belastete.

15 Soweit die Revisionen darüber hinaus monieren, dass das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Qualität der eingebrachten Baurestmassen die Erforderlichkeit weiterer Bewilligungen sowie im Hinblick auf den Baukonsens deren Quantität nicht geprüft hätte, legen sie einerseits die Relevanz nicht dar, welche qualitativen Eigenschaften der Baurestmassen weitere Bewilligungen erfordert hätten, und behaupten nicht, dass die Annahme des Verwaltungsgerichtes, die Quantität der Baurestmassen fände in der Genehmigung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 16. Dezember 2003 Deckung, Ausfluss eines schwerwiegenden Verstoßes gegen tragende Verfahrensgrundsätze wäre.

16 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 30. Juni 2016

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