VwGH Ra 2016/15/0079

VwGHRa 2016/15/007918.12.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Bregenz in 6900 Bregenz, Brielgasse 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 14. September 2016, Zl. RV/1100474/2013, betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages sowie des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2007 bis 2011 (mitbeteiligte Partei: D GmbH in B, vertreten durch die Engljähringer & Fleisch Steuerberater OEG in 6830 Rankweil, Bahnhofstraße 21), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §47 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016150079.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Bei der mitbeteiligten Partei, deren Betriebsgegenstand die Durchführung von Hämodialysebehandlungen und anderen extrakorporalen Blutreinigungsverfahren ist, fand eine Außenprüfung statt, die hinsichtlich der beiden visitierenden Ärzte der Dialysestation Dr. N und Dr. M zu nachstehenden "Feststellungen" führte:

"Die Tätigkeit der visitierenden Ärzte in der Dialysestation (...) wurde als Dienstverhältnis gem. § 4 Abs. 2 ASVG in Verbindung mit § 47 EStG bewertet und nachverrechnet. Da lt. Erhebungen und Ausführungen der einvernommenen Ärzte eine Integration in den Organismus der Gesellschaft vorliegt, kein Unternehmerwagnis besteht und keine völlige Weisungsfreiheit besteht, ist von einem Dienstverhältnis auszugehen. In die Bemessungsgrundlage einbezogen wurde auch dem Arbeitnehmer zugeflossenes amtliches Kilometergeld.

Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus ist im Sinne einer Abhängigkeit vom Auftraggeber zu verstehen (VwGH 21.12.1993, 90/14/0103). Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht, oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 47 Abs. 2 EStG). Bei der Beurteilung der Weisungsgebundenheit ist zu berücksichtigen, dass ein Dienstverhältnis auch dann vorliegen kann, wenn der Arbeitgeber, wie im vorliegenden Fall von den visitierenden Ärzten auch vorgebracht, praktisch überhaupt nicht in den Arbeitsablauf eingreift. Er muss lediglich potenziell die Möglichkeit haben, die Arbeit durch Weisungen zu koordinieren.

Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus einer Gesellschaft nach der Judikatur des VwGH wird bereits durch jede nach außen hin als auf Dauer angelegte erkennbare Tätigkeit hergestellt, mit welcher der Unternehmenszweck der Gesellschaft verwirklicht wird (vgl. Erkenntnis des VwGH 10.11.2004, 2003/13/0018, ARD 5553/12/2004). Weiters ist die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers gegeben, wenn der Steuerpflichtige auf Dauer einen Teil des rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Organismus bildet und seine Tätigkeit im Interesse dieses Organismus ausüben muss (vgl. Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer 21, § 19 Anm. 72f). Dies kann eindeutig durch die Tätigkeiten der Ärzte auf Dauer (Verträge sind zumindest für ein Jahr befristet, teilweise aber auch unbefristet) als erfüllt betrachtet werden. Regelmäßige monatliche Besprechungen der visitierenden Ärzte mit den angestellten Ärzten und dem Pflegepersonals unterstreichen die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus. Die Tätigkeit ist nach außen dadurch erkennbar, dass die visitierenden Ärzte gegenüber den Patienten als für die Dialysestation tätige Fachärzte auftreten.

Aus Sicht der Patienten verkörpern diese eindeutig einen Teil des Stationspersonals. Auf der Homepage wirbt man mit Fotos als unser Ärzteteam, weiters jede Schicht der Dialyse wird einmal pro Woche von unseren Nephrologen visitiert. Diese Visitierungen werden in gleicher Art und Weise auch vom ärztlichen Leiter Dr. K durchgeführt, welcher in einem Dienstverhältnis zur Dialysestation (...) steht (auch Dr. K steht neben Dr. N und Dr. M auf dem Visitenplan). Dass kein Unterschied zwischen Dr. K und den selbständigen Ärzten, mit Ausnahme der Bezahlung Gehalt oder Honorar gemacht wird, ist eindeutiges Indiz auf ein Dienstverhältnis.

Die Tätigkeit der visitierenden Ärzte ist in der Betriebsbewilligung so vorgesehen. Ohne die Sicherstellung eines ärztlichen Dienstes, könnte die Station keine Bewilligung erlangen, somit kann von einem notwendigerweisen Teil des rechtlichen Organismus gesprochen werden. Die Tätigkeit muss im Interesse der Dialysestation ausgeübt werden. Eine persönliche Arbeitspflicht kann auch als gegeben erachtet werden, da eine generelle Vertretungsbefugnis nicht vorliegt, es gibt nur eine Vertretung im Team. Andersweitige Vertretungen können nur von der Geschäftsleitung organisiert werden, da Befähigungsnachweise etc. überprüft werden müssten. Auch ist kein Unternehmerwagnis der Ärzte gegeben, da keine Betriebsmittel und auch keine Kostenrechnungen erforderlich sind. Ein Unternehmerwagnis liegt insbesondere dann vor, wenn der Erfolg der Tätigkeit und daher auch die Höhe der erzielten Einnahmen weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit, dem Fleiß, der Ausdauer und der persönlichen Geschicklichkeit abhängig sind und die mit der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen nicht vom Auftraggeber ersetzt, sondern vom Unternehmer aus Eigenem getragen werden müssen (VwGH 23.05.2000, 97/14/01671).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Merkmale einer nichtselbständigen Tätigkeit eindeutig überwiegen. Demzufolge wurde die Pflichtversicherung gem. § 4 Abs. 2 ASVG in Verbindung mit§ 47 EStG festgestellt."

2 Das Finanzamt erließ in der Folge Bescheide betreffend die Dienstgeberbeiträge und die Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2007 bis 2011, wogegen die mitbeteiligte Partei Beschwerde erhob.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab - nach dem Ergehen abweisender Beschwerdevorentscheidungen und dagegen erhobener Vorlageanträge - das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte die bekämpften Bescheide zu Gunsten der mitbeteiligten Partei ab. Begründend führte es aus, die zu beurteilenden "Arbeitsverhältnisse" beinhalteten unstrittig "Merkmale von Dienstverhältnissen". Nach Abwägung der Sach- und Rechtslage und Auswertung der persönlichen, glaubwürdigen Aussagen der beiden im Mittelpunkt der Erörterung stehenden Ärzte zeige sich aber im Gesamtbild, dass die Merkmale der Selbständigkeit jene der Unselbständigkeit überwögen und die Ärzte weder in den geschäftlichen Organismus der Arbeitgeberin eingebunden noch deren Weisungen zu folgen verpflichtet gewesen seien, wie es § 47 Abs. 2 EStG 1988 für die Annahme eines Dienstverhältnisses voraussetze. Diese rechtliche Würdigung finde Stütze in den BVwG-Erkenntnissen, die bei gleichgelagerten Arbeitsverhältnissen die Sozialversicherungspflicht ebenso wie die Lohnsteuerpflicht verneint hätten und die das Bundesfinanzgericht als "richtungsweisend" und für den Streitfall "relevant" erachte.

4 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Amtsrevision des Finanzamts. Zur Zulässigkeit der Revision führte das Finanzamt aus, bei richtiger Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes hätte das Bundesfinanzgericht im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Ergebnis kommen müssen, dass - sofern nicht andere Gründe ein steuerliches Dienstverhältnis ausschließen, wie z.B. eine wesentliche Beteiligung an der Gesellschaft - Dienstverhältnisse iSd § 47 Abs. 1 und 2 EStG 1988 vorgelegen seien und daraus resultierend Beitragspflicht zum Dienstgeberbeitrag sowie zum Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag bestanden habe.

5 Aus dem Sachverhalt ergebe sich zudem, dass Dr. N ab November 2008 Alleingesellschafter der Dialysestation GmbH gewesen sei. Die Vergütungen für an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen iSd § 22 Z 2 EStG 1988 zählten ebenso zur Beitragsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag sowie den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 10. November 2004, 2003/13/0018, richtungsweisend klargestellt, dass das in § 47 Abs. 2 EStG 1988 normierte Tatbestandselement der Weisungsgebundenheit durch den Ausdruck "sonst" in § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 beseitigt werde. Damit verbleibe als gesetzliches Kriterium nur die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Betriebes. Das für die Erfüllung des Tatbestandes der Einkünfteerzielung nach § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988 notwendige Merkmal der Eingliederung des tätigen Gesellschafters in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft werde "durch jede nach außen hin als auf Dauer angelegt erkennbare Tätigkeit hergestellt, mit welcher der Unternehmenszweck der Gesellschaft, sei es durch ihre Führung, sei es durch operatives Wirken auf ihrem Betätigungsfeld, verwirklicht wird, ohne dass dabei von Bedeutung wäre, in welcher Weise die aus der Tätigkeit erzielten Einkünfte zu qualifizieren wären, wenn die Tätigkeit nicht für die Gesellschaft geleistet würde." Die Leitung des ärztlichen Dienstes, die Sorge für die Einhaltung der Anstaltsordnung in ärztlichen Belangen, die Beratung des Anstaltsträgers in medizinischen Fragen der Dialysestation sowie die Durchführung von Visiten seien jedenfalls Tätigkeiten, mit welchen der Unternehmenszweck der Gesellschaft erfüllt werde, weshalb das Bundesfinanzgericht auch in diesem Punkt von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.

6 Schließlich hätte das Bundesfinanzgericht - wenn es das Vorliegen echter Dienstverhältnisses verneine - in weiterer Folge rechtlich prüfen müssen, ob sich die Beitragspflicht der betroffenen Personen nicht aus deren Tätigkeit als freie Dienstnehmer begründe, wenngleich die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG nur deshalb nicht zum Tragen gekommen sei, weil Mitgliedschaft bei der Ärztekammer bestanden habe, wozu Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehle.

 

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig und begründet.

9 Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitsgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (vgl. etwa VwGH 29.6.2016, 2013/15/0281, mwN).

10 Die persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (vgl. VwGH 21.12.1993, 90/14/0103).

11 Was das gesetzliche Merkmal der Weisungsgebundenheit anlangt, so spricht der Umstand, dass ein Arzt auf Grund seines Wissens und Könnens die Art der Behandlung bestimmt und in dieser Hinsicht keinen Weisungen unterliegt, noch nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. Es handelt sich hier um eine jener Berufstätigkeiten, denen ein hohes Maß an tatsächlicher Selbständigkeit innewohnt (VwGH 16.9.1982, 81/15/0118; 19.1.1984, 83/15/0114, sowie Doralt, EStG18 § 47 Rz 34). Dementsprechend tritt das Merkmal der Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber bei der steuerrechtlichen Beurteilung der ausgeübten Tätigkeit in den Hintergrund (vgl. auch VwGH 17.5.1989, 85/13/0110).

12 Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers zeigt sich u.a. in der Vorgabe der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Arbeitsmittel durch den Auftraggeber sowie die unmittelbare Einbindung der Tätigkeit in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers (vgl. VwGH 29.7.2010, 2007/15/0223).

13 Das Finanzamt verweist zu Recht auf Beweisergebnisse, die im Revisionsfall für das Vorliegen einer solchen Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers sprechen. Dabei sind insbesondere bereits die Eingliederung der beiden betroffenen Ärzte in den Visitenplan unter ausschließlicher wechselseitiger Vertretungsmöglichkeit unter den drei visitierenden Ärzten sowie die festgestellten Weisungsbefugnisse an das ärztliche Personal der Station hervorzuheben. Zudem oblag den betroffenen Ärzten vertraglich die Leitung des ärztlichen Dienstes, die Sorge für die Einhaltung der Anstaltsordnung in ärztlichen Belangen sowie die Beratung des Anstaltsträgers in medizinischen Fragen der Dialysestation. Wie das revisionsführende Finanzamt zu Recht ausführt, erscheint ohne entsprechende organisatorische Eingliederung auch weder die Leitung des ärztlichen Dienstes noch die Gewährleistung der Einhaltung der Anstaltsordnung nachvollziehbar.

14 Das Gesamtbild des vom Bundesfinanzgericht festgestellten Sachverhaltes zeigt somit, dass die Tätigkeit der in den Betrieb einer Dialysestation in der dargestellten Art eingebundenen Ärzte im Rahmen einer Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers erfolgt, woraus sich einerseits das Vorliegen von Dienstverhältnissen iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 und andererseits - in Bezug auf den Alleingesellschafter - das Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Z 2 EStG 1988, jeweils in Verbindung mit § 41 Abs. 2 FLAG, ergibt.

15 Da das Bundesfinanzgericht dies verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Wien, am 18. Dezember 2017

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