Normen
EStG 1988 §16 Abs1 Z6;
Spruch:
1. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird betreffend Einkommensteuer 2012 zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es Einkommensteuer 2011 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin war in den Streitjahren als Lehrerin an einer Hauptschule tätig. Darüber hinaus war sie von 1. Dezember 2011 bis 31. Jänner 2012 am Bezirksgericht X und in der Folge von 1. Februar 2012 bis 25. April 2012 und vom 5. bis 10. September 2012 beim Landesgericht Y als Rechtspraktikantin tätig.
2 Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2011 machte die Revisionswerberin u.a. Aufwendungen für die Ausbildung an der Universität (u.a. Studienbeiträge) sowie Aufwendungen für die Gerichtspraxis (u.a. Fahrtkosten) als Werbungskosten geltend.
3 Für das Jahr 2012 machte sie u.a. Aufwendungen für die Gerichtspraxis (u.a. Fahrtkosten) als Werbungskosten geltend.
4 Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 11. September 2014 die Einkommensteuer für das Jahr 2011 fest.
5 Bereits mit Bescheid vom 18. Februar 2014 hatte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2012 festgesetzt. Begründend führte das Finanzamt insbesondere aus, es sei das große Pendlerpauschale von 1.476 EUR berücksichtigt worden; damit seien auch die Fahrten zum Gericht abgegolten.
6 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerden. 7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden als unbegründet ab; die angefochtenen Bescheide blieben unverändert. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
8 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe im Juli 2011 das Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen.
9 Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 seien Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten. Darüber hinaus sei unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich ein Pendlerpauschale zu berücksichtigen. Das Finanzamt sei davon ausgegangen, dass die Benützung eines Massenbeförderungsmittels für die Revisionswerberin unzumutbar sei. Die damit zusammenhängenden Aufwendungen seien aber jedenfalls mit dem bereits gewährten Pendlerpauschale und dem Verkehrsabsetzbetrag abgegolten. Die Fahrten vom Wohnsitz zum Bezirksgericht bzw. Landesgericht während des Gerichtspraktikums stellten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dar. Eine steuerliche Berücksichtigung zusätzlicher Kilometergelder hierfür komme nicht in Betracht, da der Nachweis, dass das Rechtspraktikum auch an Tagen absolviert worden sei, an denen die Revisionswerberin als Lehrerin Unterricht an der Schule erteilt habe, trotz schriftlicher Anfrage nicht erbracht worden sei.
10 Was das Studium der Rechtswissenschaften im Jahr 2011 anbelange, so habe die Revisionswerberin lediglich angeführt, das Studium absolviert zu haben, "um einen höheren Dienst im Schulwesen zu erlangen". Die Revisionswerberin habe den erforderlichen Nachweis, dass das Studium zeitnah zu einer beruflichen Verwendung geführt habe, nicht erbracht; sie habe auch den Vorhalt des Bundesfinanzgerichts zu diesem Punkt nicht beantwortet. Die Revisionswerberin gehe weiterhin unverändert ihrer unterrichtenden Tätigkeit ohne Verwendungsänderung (nunmehr an einer Neuen Mittelschule) nach.
11 Im vorliegenden Fall seien hauptsächlich Fragen der Beweiswürdigung zu lösen gewesen; soweit Rechtsfragen strittig gewesen seien, seien diese durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt.
12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Das Finanzamt hat - gemeinsam zu dem ebenfalls die Revisionswerberin betreffenden Verfahren Ra 2016/15/0065 - eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, die Revisionswerberin habe im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2011 u. a. Aufwendungen für ihr Studium der Rechtswissenschaften als Werbungskosten geltend gemacht; sie habe auch angeführt, dieses Studium in der Absicht betrieben zu haben, einen höheren Dienst im Schulwesen zu erlangen. Die Ansicht des Bundesfinanzgerichts, erst die zeitnahe tatsächliche berufliche Verwendung des Hochschulstudiums bewirke dessen Wertung als Umschulungsmaßnahme iSd § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, widerspreche dieser Bestimmung und weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab. Das Bundesfinanzgericht habe Feststellungen zur Absicht der Revisionswerberin, eine entsprechend höher bewertete Beschäftigung im Rahmen der Schulverwaltung zu erlangen, unterlassen; die Revisionswerberin habe ihre entsprechende Absicht auch durch Absolvierung des Rechtspraktikums untermauert.
17 Die Revisionswerberin habe weiters für die Jahre 2011 und 2012 insbesondere Fahrtkosten im Rahmen des Gerichtspraktikums als Werbungskosten geltend gemacht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs stehe einem Steuerpflichtigen ein zusätzliches (zweites) Pendlerpauschale für ein weiteres Dienstverhältnis zu, wenn dadurch im Lohnzahlungszeitraum überwiegend das Zurücklegen zusätzlicher Wegstrecken zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verursacht werde. Die vom Bundesfinanzgericht als Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung der Fahrtkosten angenommene Bedingung, dass die Revisionswerberin an bestimmten Tagen sowohl ihr Rechtspraktikum absolviert habe als auch als Lehrerin tätig gewesen sei, sei weder den gesetzlichen Bestimmungen noch der Judikatur zu entnehmen. Dass die Revisionswerberin sowohl das Rechtspraktikum absolviert habe als auch ihrer Beschäftigung nachgekommen sei, werde vom Bundesfinanzgericht nicht in Abrede gestellt.
18 Betreffend Einkommensteuer 2012 wird damit keine iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG wesentliche Rechtsfrage aufgezeigt.
19 Die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung Arbeitsstätte werden gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 (idF vor BGBl. I Nr. 53/2013) mit dem Verkehrsabsetzbetrag und (gegebenenfalls) den Pauschbeträgen nach lit. b und c leg. cit. abgegolten. Bei mehreren Dienstverhältnissen ist der Verkehrsabsetzbetrag nur einmal in Abzug zu bringen. Ein zusätzliches (zweites) Pendlerpauschale steht für ein weiteres Dienstverhältnis nur dann zu, wenn dadurch im Lohnzahlungszeitraum überwiegend das Zurücklegen zusätzlicher Wegstrecken zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verursacht wird. In diesem Fall ist für die Zuerkennung des Pendlerpauschales bei jedem Dienstverhältnis die jeweilige Wegstecke Wohnung - Arbeitsstätte maßgebend (vgl. VwGH vom 31. März 2011, 2007/15/0147, mwN).
20 Das Bundesfinanzgericht hatte die Revisionswerberin mit Vorhalt vom 12. Jänner 2016 aufgefordert, anzugeben, ob sie auch an den Tagen, an denen sie laut Aktenlage als Rechtspraktikantin beschäftigt gewesen sei (1. Dezember 2011 bis 31. Jänner 2012; 1. Februar bis 25. April 2012, 5. bis 10. September 2012), an der Hauptschule als Lehrerin tätig gewesen sei. Eine Antwort hiezu erfolgte nicht. Das Bundesfinanzgericht führte hiezu aus, es sei der Nachweis nicht erbracht, dass das Rechtspraktikum auch an Tagen absolviert worden sei, an denen die Revisionswerberin als Lehrerin Unterricht erteilt habe. Damit geht das Bundesfinanzgericht erkennbar davon aus, dass die Revisionswerberin an einem bestimmten Tag entweder nur als Lehrerin oder nur als Rechtspraktikantin tätig gewesen sei und demnach auch nur von ihrer Wohnung entweder an ihre erste Arbeitsstätte (Schule) oder an ihre zweite Arbeitsstätte (Gericht) gefahren sei. Dass diese Sachverhaltsannahme mit einem Verfahrensmangel belastet wäre, zeigt die Revision nicht auf. Aus diesen Sachverhaltsannahmen ist aber abzuleiten, dass die Revisionswerberin im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum nicht überwiegend zusätzliche Wegstrecken zurückgelegt hat (vgl. neuerlich VwGH vom 31. März 2011, sowie VwGH vom 22. November 2006, 2004/15/0130, mwN).
21 Die Revision war daher betreffend Einkommensteuer 2012 gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
22 Betreffend Einkommensteuer 2011 hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
23 Insoweit gleicht der vorliegende Fall in Sachverhalt und Rechtsfrage (betreffend Studium der Rechtswissenschaften als Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen) dem - ebenfalls die Revisionswerberin betreffenden - Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2016/15/0065, sodass insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung jenes Erkenntnisses verwiesen werden kann. Aus den dort angeführten Gründen war auch das angefochtene Erkenntnis betreffend Einkommensteuer 2011 gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
24 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondre § 50) VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren findet in diesen Bestimmungen keine Deckung.
Wien, am 28. Juni 2017
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